Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert. Группа авторов

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Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert - Группа авторов Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter (TANZ)

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und in den literarischen Quellen bezeugt. Es wäre weiterführend zu erörtern, ob und wie die neun Kodizes, die im Codex Amiatinus (f. 4r) abgebildet sind,11 sowie die bei Cassiodor (inst. 1, praef. 8) belegten neun Kodizes mit den von Trobisch postulierten Sammlungseinheiten in Zusammenhang stehen. Cassiodor hatte die gesamte Bibel in (vermutlich alt-)lateinischer Übersetzung12 und in Form von neun Kodizes vorliegen,13 wobei der achte Kodex die „kanonischen Briefe der Apostel“ – vermutlich in der Reihenfolge Paulusbriefe, katholische Briefe – (inst. 1,7,1) und der neunte Kodex die Apostelgeschichte und die Apokalypse (inst. 1,8,1) enthielt. Ein redaktionelles Interesse für diese Zusammenstellung (aus der Sicht Trobischs müsste man sagen: Neuzusammenstellung) liegt in der mutmaßlichen Zusammenfassung nach gattungsmäßigen Kriterien (Briefe vs. Erzähltexte im weitesten Sinne). Cassiodor nimmt aber die Paulusbriefe trotz Zusammenstellung mit den anderen Briefen als eine Einheit wahr; zudem stehen die Katholische Briefe am Ende von Kodex 8 und die Apg am Anfang von Kodex 9 noch in einer gewissen Nähe.14

      Für eine Entscheidung vor dem technischen Hintergrund der antiken Buchproduktion besteht für das 2. Jh. ein dramatisches Quellenproblem, das mit der zeitlichen und regionalen Verteilung des handschriftlichen Befundes zusammenhängt: Wir besitzen aus dem 2. Jh. einfach keine materiellen Zeugnisse aus den geographischen Räumen (Kleinasien und Italien), die für eine von Trobisch postulierte Edition in Frage kämen. Den dünnen papyrologischen Befund aus dem provinziellen ägyptischen Hinterland für die technische Frage der frühchristlichen Buchproduktion im 2. Jh. auszuwerten – das gängige Vorgehen –, ist aus meiner Sicht methodisch nicht unproblematisch. Die auf dieser Basis gewonnene Evidenz kann die Beweislast eines validen Gegenarguments nicht tragen, umgekehrt ist aber auch der Beweis einer Existenz von einem Kodex, der das gesamte NT schon im 2. Jh. enthielt, nicht möglich.15

      Chr. Markschies weist bei seiner Untersuchung von Bibliotheksinventaren darauf hin, dass „ein vollständiges Neues Testament dagegen häufiger aufzutreten“16 scheint und führt dazu fünf bzw. sechs Bibliotheksinventare an. Die Auswertung des Befundes von Papyri, Ostraka und Inschriften müsste jedoch m. E. im Einzelnen noch einmal diskutiert werden. Wie sicher ist es z. B., dass, wie Markschies vermutet, die Bezeichnung „Apostolos“ wie bei den Lektionaren17 stets die Sammlung der Paulusbriefe und die Sammlungseinheit des „[Prax]apostolos“ (= Apg und Katholische Briefe18) umfasst?19 Besteht hier nicht die Gefahr, Quellensprache und in der Textkritik historisch gewachsene Metasprache zur Bezeichnung der Sammlungseinheiten (e a p r) unsauber zu trennen? Das Ostrakon Till Nr. 148 (KO 679; Crum, Short Texts, 41, Nr. 165) belegt z. B. mit der Auflistung eines „kleinen Apostolos“ (ⲟⲩϣⲏⲙ ⲛⲁⲡⲟⲥⲧⲟⲗⲟⲥ) und eines „kleinen [anonymen!] Evangeliums“ (ⲟⲩϣⲏⲙ ⲛⲉⲩⲁⲅⲅⲉⲗⲓ̈ⲟⲛ) doch eher eine für die Marcioniten bezeugte Bibel. Die Interpretation, das „klein“ bezöge „sich wohl auf das Format der Bücher“20, scheint eher der Verlegenheit aus Ermangelung einer besseren Erklärungsmöglichkeit geschuldet. Dass ein kleiner Apostolos hier zusammen mit einem „kleinen Psalter“ genannt wird, korrespondiert mit den Angaben über einen Psalter häretischer Gruppierungen im muratorischen Fragment. Vgl. C. Mur. 81–85 (Lietzmann, Fragment, 10: arsinoi autem seu Valentini vel Miltiadis nihil in totum recipemus qui etiam novum psalmorum librum Marcioni conscripserunt una cum Basilide Asianum Cataphrygum constitutorem).

      2.3 Die These Trobischs stünde im Widerspruch zu den Quellen (z. B. Irenäus, Canon Muratori, Origenes, Euseb), die eine Diskussion über die kanonische Geltung neutestamentlicher Schriften belegten.1

      Diesem Kritikpunkt muss man zugutehalten, dass der Canon Muratori tatsächlich nicht die von Trobisch postulierte Zusammenstellung von 27 neutestamentlichen Schriften in vier Sammlungseinheiten belegt. Die diesem zudem noch schwer datierbaren und in seinem Zustand wenig vertrauenswürdigen Text zugemutete Beweislast in einigen Entwürfen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons ist allerdings ebenfalls diskutabel.2 Die These Trobischs ist auf der Grundlage der traditionell für die Kanonfrage ausgewerteten Quellen nicht so einfach zu falsifizieren. Vielmehr ist doch Trobischs Argument einigermaßen plausibel, die in den Quellen ablesbare Diskussion über die Zugehörigkeit einzelner Schriften zum „Kanon“ als „historisch-kritische Reflexionen über eine bereits bestehende Publikation“3 zu interpretieren. Gerade die Konstanz dieser Diskussion und ihre Fortsetzung über einen vermeintlichen „Abschluss des Kanons“ im 4. Jh. hinaus4 lässt das Modell Trobischs, das mit der Herausgabe von Sammlungen operiert und über den „kanonischen“ Status keine Aussage macht, plausibler erscheinen als die These, die „kanonische“ Zusammenstellung der 27 neutestamentlichen Schriften sei im Rahmen eines Identitätsfindungs- und Aushandlungsprozesses erst im 4. Jh. (zumindest vorläufig) abgeschlossen worden.5 Methodologische Schwierigkeiten bereitet zudem der weit verbreitete Ansatz, den Stand des „Kanonisierungsprozesses“ über die Zitation bzw. Nicht-Zitation einzelner neutestamentlicher Schriften in den Schriften der Alten Kirche zu bestimmen.6 Die so gewonnenen Ergebnisse basieren grundsätzlich auf einem argumentum e silentio.

      Man kann Trobisch lediglich entgegenhalten, dass er die Hypothese einer kritischen Diskussion über eine bestehende Sammlung an den Quellen selbst nicht ausführlich durchgespielt,7 sondern nur knapp skizziert hat. Vor allem die früh bezeugte Diskussion über die paulinische Verfasserschaft des Hebräerbriefes8 erklärt sich viel einfacher, wenn man seine Zugehörigkeit zu einer Paulusbriefsammlung annimmt, da aus dem Text selbst heraus die paulinische Verfasserschaft bekanntermaßen gar nicht erschlossen werden kann.9 Darüber hinaus ist es erstaunlich, wie gut die von Trobisch auf der Grundlage des Handschriftenbefundes vorausgesetzten Sammlungseinheiten (e a p r)10 auch in den Quellen belegt sind. Nur deshalb kann T. Zahn die frühe Existenz eines ideellen Kanons postulieren.11

      Man braucht demgegenüber schon einen großen argumentativen Aufwand, um einen Abschluss des vermeintlichen Sammlungs- und Ausscheidungsprozesses mit Athanasius’ 39. Osterfestbrief ins 4. Jh. zu datieren. Der These, der Sammlungsprozess sei erst bei Athanasius abgeschlossen, stehen nämlich zwei Zeugnisse entgegen, die man entweder wegerklären oder sich passend machen muss: So muss man etwa Orig. hom. in Jos 7,1 als Interpolation des Rufinus verstehen12 und die von Euseb angelegten Kategorien zur Systematisierung der neutestamentlichen Schriften gegen den Strich bürsten.13 Gerade an diesen beiden Quellen kann man die in den Handschriften belegten Sammlungseinheiten besonders gut ablesen:

      Orig. hom. in Jos 7,1: vier Evangelien in der Reihenfolge Mt, Mk, Lk, Joh; die Apg wird losgelöst vom Evangelium mit den wahrscheinlich sieben katholischen Briefen zusammen genannt (zwei Petrusbriefe, Jakobus und Judas, Anzahl der Johannesbriefe nicht genannt); Vierzehnbriefesammlung des Paulus.14 Dass im Übrigen Origenes an anderer Stelle (hom. in Gen 13,2) die acht Autoren der neutestamentlichen Schriften in der Reihenfolge Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Petrus, Jakobus, Judas und Paulus aufzählt, die den Brunnen des Neuen Testaments gegraben hätten, deutet ebenfalls darauf hin, dass ihm das Neue Testament in Form der von Trobisch herausgearbeiteten Sammlungseinheiten vertraut war. Auch an der Diskussion der neutestamentlichen Bücher bei Euseb (Eus. h. e. 2,23,24f.; 3,25,1ff) lassen sich die Sammlungseinheiten sehr schön ablesen, wobei diese Aufzählung nach den Kriterien der Echtheitskritik in akzeptierte (ὁμολογούμενος), bezweifelte (ἀντιλεγόμενος) und gefälschte (νόθος) Schriften noch einmal untergliedert ist. A. D. Baum hat die Relationalität dieser Kategorien mit philologisch präziser Begründung differenzierend beschrieben: So unterscheidet Euseb „zwischen solchen Antilegomena, die er nicht für echt hielt (νόθοι), und solchen, die er damit implizit als γνήσιος einstuft.“15 Dabei ist auffällig, dass Euseb keine der 27 neutestamentlichen Schriften den νόθοι zuordnet. Es ist zu beachten, dass Euseb nicht die Reihenfolge der Schriften in den Handschriften diskutiert. Euseb reiht die Schriften nach dem Prinzip der Echtheit, nicht aber nach den vorliegenden Sammlungseinheiten. Dass die Sammlungseinheiten in diesen weniger deskriptiv als normativ orientierten Aufzählungen dennoch durchscheinen, ist daher umso aussagekräftiger.

      Auch andere Quellen16 weisen auf die Konstanz der Sammlungseinheiten hin:

      Zu

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