Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert. Группа авторов

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Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert - Группа авторов Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter (TANZ)

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Varianten hss. nicht realisiert worden sind und die Stellung der Apg zwischen Tetraevangelium und Corpus Paulinum eindeutig sekundär ist, während die Umstellung der Apg hinter die Katholischen Briefe immer noch eine Zuordnung der beiden Größen impliziert.44 Dieser Befund in den späteren Vollausgaben des Neuen Testaments, der freilich immer noch recht einheitlich ist,45 hat jedoch wenig Relevanz für die folgende Feststellung: Unter Anwendung der textkritischen Methodik – die beim Ziel der Rekonstruktion des Ausgangstextes sowohl für den Text als auch für die Anordnung der Schriftensammlungen gelten muss – lässt der hss. Befund der großen Kodizes keine andere Schlussfolgerung zu, als dass im Ausgangstext, auf den die drei großen Kodizes unabhängig zurückgehen, die Apg den Katholischen Briefen zugeordnet war. Bei dieser Zuordnung handelt es sich angesichts der eindeutigen inhaltlichen Zusammengehörigkeit des LkEv und der Apg außerdem um die lectio difficilior.

      Aus textkritischer Sicht schwierig ist daher auch die Formulierung, dass in der Kategorie, die im Nestle-Aland mit dem Siglum „a“ (Apg + katholische Briefe) bezeichnet wird, von den Herausgebern der textkritischen Ausgaben zwei „ganz unterschiedliche Überlieferungseinheiten zusammengestellt worden sind“.46 Ob es sich nämlich bei der Zusammenstellung von Apg und Katholischen Briefen in einer Sammlungseinheit um ein Phänomen der Textüberlieferung handelt, ist doch gerade fraglich: Die Zusammengehörigkeit von LkEv und Apg kommt in den griechischen Kodizes und auch in den Versionalhandschriften nirgends vor und auch die Zirkulation der Apg in einer Einzelhandschrift ist nicht belegt.47 Zusätzlich ist auch Grünstäudls Datierung der Zusammenstellung von Apg und Katholischen Briefen ins 7. Jh. zu hinterfragen: Die Zusammenschau des Gesamtbefundes in den frühchristlichen Quellen48, in den griechischen, in einigen koptischen Zeugnissen49 und vor allem auch in den altlateinischen Hss.50 zeigt, dass die redaktionelle(!) Zuordnung der Apg zu den Katholischen Briefen vor dem 4. Jh. erfolgt sein muss. Methodisch nicht haltbar ist es, aus griechischen Handschriften aus dem 7. Jh., in denen die Katholischen Briefe und die Apostelgeschichte in einer Einzelhandschrift zusammengestellt sind, eine Datierung der redaktionellen Zusammenstellung ins 7. Jh. zu erschließen.51 Hier ist der in der Textkritik zu Recht immer wieder betonte Unterschied zwischen Hs. und Textzeuge genau zu beachten: Das Alter einer Hs. sagt noch nicht viel über das Alter des enthaltenen Textes bzw. in diesem Fall des erhaltenen Sammlungszusammenhangs aus.

      5 Schluss und Fazit

      Die Durchsicht der Forschungsbeiträge, die auf die These Trobischs reagieren, zeigt, dass der Diskussion ein gewisser Eklektizismus anhaftet und die Auseinandersetzung eher punktuell geführt wird.1 Es fehlt eine differenzierte Würdigung der Erklärungsleistung des Modells im Ganzen, das ja offene Fragen der gängigen Theorien zur Beschreibung der Entstehung des Neuen Testaments adressiert. Es ist auffällig, dass sich die Kritik schwerpunktmäßig auf den ersten Teil, den Nachweis einer Erstedition des Neuen Testaments aus dem Handschriftenbefund, bezieht, die Beobachtungen zum literarischen Konzept und zur Kohärenz der Ausgabe jedoch weitgehend unberücksichtigt bleiben.

      Ein großes Rezeptionshemmnis für die Ersteditionsthese stellt die Dominanz eines zumeist weitgehend unhinterfragten Zirkulations- und Sammlungsmodells dar, in dessen Rahmen die gottesdienstliche Lesepraxis als entscheidender Katalysator und die Gemeinden, die zumeist eine recht unspezifische Größe bleiben, als Instanz für die Entstehung des neutestamentlichen Kanons konzeptualisiert sind. Dieses Modell ist mit der Annahme einer einheitlichen Redaktion (und Publikation) unvereinbar.2 Die damit angedeutete forschungsgeschichtliche Ausgangslage verweist auf das Desiderat einer umfassenden Studie zur Interdependenz von Lesepraxis auf der einen und der Edition und Publikation von Büchern im frühen Christentum auf der anderen Seite. In jedem Fall ist zu konstatieren, dass v. a. die hier knapp diskutierte breite Bezeugung der Sammlungseinheiten und der Titel in den materiellen Zeugnissen (d. h. im Handschriftenbefund und in den Ostraka) sowie in den patristischen Texten in einer deutlichen Spannung zu einem dynamisch konzeptualisierten und regional diversifizierten Zirkulations- und Sammlungsmodell steht.

      Anstelle der bisher zumeist punktuell geführten Auseinandersetzung mit Einzelaspekten der Ersteditionsthese, die eigentlich keine zwingenden Gegenargumente gegen Trobischs Ideen hervorgebracht hat, sollte die zukünftige Diskussion stärker die potentielle heuristische Erschließungskraft des Modells insgesamt fokussieren, auch wenn es im Hinblick auf die Entstehung der Sammlungseinheiten in der zweiten Hälfte des zweiten Jh. vielleicht etwas differenzierter modelliert werden muss, als Trobisch dies ursprünglich gedacht hat: Damit meine ich sowohl die Annahme möglicher Vorläufer der Sammlungseinheiten einer editio princeps (z. B. die Sammlung von zehn Paulusbriefen, die für Marcion bezeugt ist) als auch die Tatsache, dass eine zeitlich etwas entzerrtere Herausgabe der einzelnen Sammlungseinheiten und eventuell darauf reagierende Herausgabe auch griechischer alttestamentlicher Texte nach dem gleichen Editionsprinzip historisch wahrscheinlicher ist als die Annahme eines einzelnen Herausgebers. Durch letzteres wäre dann auch der weniger eindeutige Quellenbefund bezüglich der katholischen Siebenbriefesammlung besser erklärbar. Die These, dass das Neue Testament als ein Buch im zweiten Jh. herausgegeben wurde, ist eine missverständliche Zuspitzung der These Trobischs, die im Rahmen der Rezeption seiner These die heuristischen Potentiale verdeckt hat, die dadurch entstehen, wenn man die Konstanz der Sammlungseinheiten in den Hss. berücksichtigt.

      Abschießend ist eine Auswahl solcher heuristischer Potentiale der Ergebnisse der Studie von Trobisch kurz zu skizzieren: a) Möchte man die Querbeziehungen bzw. die narrative Kohärenz der neutestamentlichen Schriften nicht dadurch erklären, dass das Neue Testament insgesamt eine im historistischen Sinne exakte Beschreibung real-historischer Personenkonstellationen zeichnet, bietet das Modell von Trobisch diesbezüglich einen nicht zu unterschätzenden Erklärungswert. b) Die Idee von Trobisch, Pseudepigraphie als Redaktionsphänomen auf der Ebene der Zusammenstellung von Sammlungen (hier muss nicht zwingend an die Erstedition aller 27 neutestamentlichen Schriften gedacht sein) zu beschreiben, stellt gegenüber der schwerer zu konzeptualisierenden Einzelverbreitungsthese eine alternative Erklärungsmöglichkeit für die Akzeptanz von Pseudepigraphen im Neuen Testament dar.3 Trobischs Grundgedanke, der editorische Schritt der Zusammenstellung von Sammlungen neutestamentlicher Schriften könne mit einem Redaktionsschritt (also einem Eingriff in die Texte selbst) zusammenhängen, ist c) nicht nur für eine „finale“ editio princeps aller neutestamentlichen Schriften konzeptualisierbar, sondern als Möglichkeit auch für „vorkanonische“ Sammlungszusammenstellungen (Paulusbriefsammlung, Evangeliensammlungen, Corpus Iohanneum). Die daraus zu gewinnende Möglichkeit, verschiedene Sammlungsstadien zu unterscheiden, enthält d) das Potential, textkritisch feststellbare Varianten im Textbefund auf die Interferenz dieser Ausgaben in der Textüberlieferung zurückzuführen. Die damit verbundenen Konsequenzen für das in der Textkritik leitende Paradigma des „Ausgangstextes“ kann an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Anzumerken ist lediglich, dass sich viele Textkritiker bewusst sind, dass der Text der Handschriften nicht direkt auf die Autographen zurückgeführt werden kann,4 wie sich exemplarisch an der Wortwahl Barbara Alands in einem Aufsatz von 1989 verdeutlichen lässt. Aland resümiert, „daß unsere Handschriften auf eine sehr frühe Ausgabe oder autorisierte Abschrift o. ä. (der Terminus muß offen bleiben) zurückgehen“.5 Insgesamt folgt daraus e), dass die These Trobischs in methodologischer Hinsicht zu einer reflektierten Neubestimmung des Verhältnisses insbesondere von Textkritik und Überlieferungsgeschichte sowie zwischen neutestamentlicher Wissenschaft und Patristik herausfordert. Und damit sind wir zurück beim Thema dieses Bandes: Im Horizont des Modells einer editio princeps ist der Text des Neuen Testaments ein Text des 2. Jahrhunderts.

      Geschätzt und bezweifelt. Der zweite Petrusbrief im kanongeschichtlichen Paradigmenstreit

      Wolfgang Grünstäudl

      Bei der Suche nach einem spannenden und ertragreichen Dissertationsprojekt war es nicht etwa eine Vorliebe für exotische Fragestellungen, die mich die Auseinandersetzung mit 2 Petr wählen ließ,1 sondern die Anregung durch David Trobischs kanongeschichtlichen Entwurf, in dem 2 Petr, üblicherweise ein Text, dessen Zugehörigkeit zum neutestamentlichen Kanon nicht unbedingt als geschichtlich wie

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