Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert. Группа авторов
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![Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert - Группа авторов Das Neue Testament und sein Text im 2. Jahrhundert - Группа авторов Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter (TANZ)](/cover_pre1058724.jpg)
Die Quellen, die Trobisch selbst als positive Evidenz für seine These heranzieht, werden von seinen Kritikern zumeist übergangen: z. B. die indirekte und direkte Bezeugung des Titels „Neues Testament“28 und das Zitat des sog. anonymen Antimontanisten bei Euseb, der keinesfalls den Anschein erwecken möchte, „als wollte ich dem Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft (τῷ τῆς τοῦ εὐαγγελίου καινῆς διαθήκης λόγῳ) etwas ergänzend beifügen, da doch keiner, der entschlossen ist, nach diesem Evangelium zu leben, etwas beifügen noch abstreichen darf,“ (Eus. h. e. 5,16,3).29
Das gängige Verständnis dieser Stelle in der Forschung, der anonyme Antimontanist würde nicht auf den Titel einer Sammlung, sondern ganz allgemein auf die Botschaft einer als καινὴ διαθήκη gekennzeichneten Ära verweisen,30 ist a) angesichts der Verbsemantik von προστίθημι (vgl. z. B. P. Amh. Gr. 2 77,15) und ἀφαιρέω viel unwahrscheinlicher; vgl. z. B. die gesamte Wendung in Thuc. 5,23, und insb. in Pol. 21,43,27, wo es um einen Vertragstext [συνθήκη] geht. b) Es ist unsachgemäß, Eus. h. e. 5,17 gegen die These in Stellung zu bringen, dass der Antimontanist in Eus. h. e. 5,16,3 auf eine Schriftensammlung verweist. Euseb zitiert hier wiederum den anonymen Antimontanisten, der u. a. formuliert: „Doch wird man weder aus dem alten noch aus dem neuen [scil. Bund] einen Propheten nennen können, der auf solche Weise vom Geiste ergriffen worden wäre. Sie werden sich nicht auf Agabus oder Judas oder Silas oder die Töchter des Philippus oder Ammia in Philadelphia oder Quadratus oder auf sonst jemanden berufen können; denn mit diesen haben sie nichts zu tun,“ (Eus. h. e. 5,17,3; Üb. HÄUSER; leicht modifiziert JH). Laut C. W. van Unnik könne sich der Antimontanist mit der Wendung τῶν κατὰ τὴν παλαιὰν οὔτε τῶν κατὰ τὴν καινὴν nicht auf Schriftensammlungen beziehen, weil in der darauffolgenden Aufzählung Namen stünden, die nicht in diesen Schriften auftauchten.31 Dazu ist zunächst anzumerken, dass der Begriff διαθήκη im Zitat aus der Schrift des Antimontanisten gar nicht auftaucht, sondern in 5,17,2 von Euseb interpretatorisch eingefügt wird; auch die Annahme, der Antimontanist habe Quadratus und Ammia zu den prophetischen Gestalten des Neuen Bundes gerechnet, entstammt der Interpretationsleistung des Euseb (5,17,2), die man strikt von der Aussage des Fragments trennen muss. Sodann: Soweit man den argumentativen Zusammenhang aus dem Fragment noch erkennen kann, impliziert die Formulierung nicht zwingend, dass alle genannten Namen zum vorher definierten Prophetenkreis gehören. So werden Quadratus und Ammia ja von der Gegenseite eingebracht (ὥς φασιν; 5,17,4), wobei nicht deutlich wird, auf welche „Quellen“ sich die Gegenseite stützt; Agabus (Apg 11,28; 21,10–14), Judas und Silas (Apg 15,22.27.32[!]), und die Töchter des Philippus (Apg 21,9) werden hingegen in der Apg als Propheten bezeichnet. Daher ist die viel einfachere Erklärung, es werde, wie auch in den späteren Quellen, schon vom anonymen Antimontanisten mit dem „Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft“ auf den Titel einer Schriftensammlung verwiesen, auch aus Gründen des Sparsamkeitsprinzips vorzuziehen. Ein indirekter Verweis auf das Alte und Neue Testament in 5,17,3 (wodurch sonst sollte man wissen, wer zu den Propheten des Alten und Neuen Bundes gehört?), wäre eingehender zu prüfen.
Aufschlussreich ist auch der ebenfalls schon bei Trobisch angeführte Kommentar zu ebendieser Stelle von Zahn: „Man meint in der Hand dieser Männer ein vom Evangelium des Matthäus bis zur Apokalypse des Johannes sich erstreckendes Exemplar des NT’s zu sehen, wie solche heute in Leipzig und Cambridge gedruckt werden; nur die letzte Ziffer der Jahreszahl des jüngsten Druckes müßte gestrichen werden.“32 Sodann sind auch die Beobachtungen Trobischs zu den kohärenzstiftenden Querverweisen im Neuen Testament33 als eigene Evidenz in Rechnung zu stellen.
Außerdem wären noch weitere Quellen als positive Evidenzen für die These Trobischs zu diskutieren: Wenn z. B. Valentin schreibt, „vieles von dem, was in den staatlichen/öffentlichen Büchern (ἐν ταῖς δημοσίαις βίβλοις) geschrieben ist, findet sich auch in der Gemeinde Gottes (ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ) geschrieben“ (Clem. strom. 6,52,4), liegt angesichts der Formulierung die Vermutung nahe, Valentin beziehe sich hier auf ein Schriftencorpus, das ihm nachweislich zugänglich gewesen sein muss. Man könnte hier nun weiter fragen, in welcher Form die „paganen“ Kritiker des Christentums, allen voran Kelsos, und andere Nichtchristen, deren Kenntnis neutestamentlicher Schriften vorauszusetzen ist,34 die Schriften der Kirche rezipiert haben. Kelsos selbst prangert dreifache und vierfache Verfälschung des Evangeliums durch eine Gruppe von Christen an,35 die plausibel in Beziehung zur Herausgabe des Neuen Testaments gesetzt werden kann.36 Bei der weiteren Betrachtung des Quellenbefundes zur Rezeption des Neuen Testaments im 2. und 3. Jh. wäre zudem besonders auf vorausgesetztes Wissen – insbesondere bezüglich der neutestamentlichen Verfasserfiktionen37 – zu achten, das man eigentlich nur aus einer „kanonischen“ Gesamtperspektive gewinnen kann. Eine vollständige Durchsicht der Quellen unter dieser Perspektive steht jedoch noch aus und kann hier nicht geleistet werden.38
2.4 Die These Trobischs widerspreche „dem entscheidenden Movens [der Sammlung von neutestamentlichen Schriften bzw. des Kanonisierungsprozesses], die liturgische Lesung im Gottesdienst!“1
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