Kommunikationswissenschaft. Wolfgang Sucharowski
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In der Zeichendefinition von Peirce ist ein Zeichen zuerst einmal ein beliebiges Etwas; das bedeutet, alle Daten können zeichentauglich sein und alles kann zum Zeichen gemacht werden. Im Spiel von Kindern lässt sich das leicht beobachten, wenn sie z.B. mit einer Streichholzschachtel den Flug ins Weltall bewältigen und im Anschluss daran dieselbe Schachtel als das Auto des Vaters in eine Parklücke manövrieren.
ZeichenZeichen so zu sehen bedeutet sie funktional zu verstehen. Peirces Theorie basiert auf einem solchen Konzept. Das Zeichen (= Repräsentamen)XE "Repräsentamen steht in einem Verhältnis zu dem Etwas, das ein Objekt oder die Idee davon (= Interpretant)Interpretant ist. Formal können wir sagen: Wenn x ein Datum ist und als Zeichen benutzt werden soll, dann ist das möglich, wenn ich als Zeichenbenutzer dieses x im Hinblick auf eine Ordnung deute. Diese muss anderen bekannt sein, so dass ein Objekt gemeinsam identifiziert werden kann.
BeispielWir machen eine Wanderung und entdecken eine Einkerbung in einem Felsgestein. Was diese Einkerbung bedeutet, hängt nun davon ab, ob wir einen Kontext finden, der eine Deutung zu begründen erlaubt. Die Einkerbung kann durch die Verwitterung des Steins erfolgt sein. Sie kann aber auch ein künstliches Produkt sein, weil ihre Form in der Natur so nicht zu erwarten ist. Wenn Letzteres angenommen wird, können Vermutungen darüber angestellt werden, was diese Einkerbung bedeutet. Die Frage lautet dann, auf welche Ordnung sie verweist. Die Einkerbung kann auf eine Ordnung hinweisen, in der bestimmte Formen der Einkerbung eine Wegführung anzeigen; es handelt sich dann um ein Wegzeichen. Möglich ist ebenfalls, dass die Einkerbung zur Ordnung der Runen (Schriftzeichen der Germanen) gehört. Innerhalb einer solchen Ordnung wäre dann zu klären, was das Runenzeichen an dieser Stelle ausdrücken sollte. Denkbar ist aber auch, dass ein Liebespaar die Namen der Partner mit einem Zeichen verewigt hat.
ZeichenmodelleTriadisches Zeichen, Quelle: Nöth (2000, S. 140)
PeirceNach Peirce (CP 2, 308) entstehen Zeichen nur im Bewusstsein eines Interpreten, der die Relationen zwischen drei Einheiten herstellt, ein triadisches Zeichen-Modell. Das Repräsentamen ist das konkrete Zeichen und „Vehikel zum Ziel“. RepräsentamenEs stellt ein Hilfsmittel dar, um an etwas heranzukommen. Der Terminus Repräsentamen bezeichnet einerseits das Zeichen in Relation zum Interpretanten, andererseits wird der Ausdruck regelmäßig verwendet, wenn es um das Zeichen als Zeichenkörper geht, welches auch „Datum“ genannt wird. Für das funktionale Verständnis ist die Beziehung des Zeichens zum Interpretanten grundlegend. Dabei hebt Peirce mehrfach hervor, dass nichts als Zeichen fungieren kann, was nicht als ein solches erkannt wird. Dieser Vorgang des Erkennens erzeugt eine Ambivalenz, denn Interpretant und Zeichenbedeutung geraten in ein Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit. Das hängt mit Peirces Vorstellung zusammen, das Zeichen selbst löse Effekte bei dem aus, der das Zeichen nutzt.
Wer ein wissenschaftliches Buch liest, erlebt immer wieder, wie sich für ihn im Verlauf des Lesens Wörter in ihrer Begrifflichkeit verändern. Der Leser passt dann sein Verständnis immer wieder neu dem erreichten Erkenntnisstand an. Eine Konsequenz daraus ist: Es gibt kein ZeichenZeichenGebrauch an sich. Es gibt ein Zeichen nur, wenn es einer bestimmten Ordnung bzw. einem dazu passenden Kontext zugeschrieben werden kann. Ein Datum kann nur als Zeichen benutzt werden, wenn den Benutzern eine Ordnung zur Verfügung steht, welche das Datum als zu einer Sorte von Daten zugehörig identifizierbar macht. Es bedarf eines bestimmten Nutzungskontexts. Wir müssen also zuerst den Nutzungskontext suchen, in den wir die Zeichen einordnen können.
Linien auf einer Fläche werden als Buchstaben identifizierbar, wenn sie im Kontext von Sprache beobachtet werden. Wenn ich ein „x“ als Datum sehe und es zum Buchstaben erkläre, verfüge ich über die Ordnung von Buchstaben und kann dem „x“ die Bedeutung von „x“ zuschreiben, d.h. ich sehe in ihm den drittletzten Buchstaben des lateinischen Alphabets. „x“ kann aber auch das Kreuz auf dem Lottoschein sein; dann ist es ein Markierungssignal, die entsprechende Zahl gilt für das Spiel als gesetzt. Somit wird immer erst das zum Zeichen, was vom Rezipienten dazu gemacht wird bzw. gemacht werden kann. In kommunikativen Zusammenhängen muss gesichert sein, dass es wenigstens ein zweites Individuum gibt, das diesen Zusammenhang herstellen kann. Damit besitzt der Zeichenbegriff eine nutzerunabhängige Wertigkeit.
Die kommunikative Tauglichkeit hängt davon ab, ob die Nutzer sicher sein können, dass die Zeichen auf dem Hintergrund sehr ähnlicher Kontexte gelesen werden. Nur wenn das der Fall ist, können sie kommunizieren ohne die Kommunikation selbst in Frage stellen zu müssen. Im Alltag wird dieser Zusammenhang oft vernachlässigt, weil der Zeichengebrauch nicht reflektiert, sondern automatisch vollzogen und als selbstverständlich betrachtet wird.
Typen von InterpretantenPeircePeirce beschreibt drei Typen von Interpretanten.ZeichenTypen Es gibt den unmittelbaren Interpretanten, bei dem das Zeichen unvermittelt emotional auf sein Bewusstsein einwirkt. Als typisch für eine solche Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung zitiert Peirce das Hören von Musik. Davon unterscheidet er die energetische Verarbeitung. In diesem Fall verarbeitet der Interpretant das Zeichen durch Handeln und kognitive Arbeitsleistungen. Diese Funktionsweise wirkt in das interaktive Verstehen der Zeichen unmittelbar hinein. Er besucht ein Theater, geht in Ausstellungen oder macht Sport. Die dritte Form findet sich in der logischen, normalen bzw. finalen Verarbeitung. Das Repräsentamen wird hier aufgrund bestimmter Denkgewohnheiten verarbeitet, die bei einzelnen Interpretanten bestehen. Es kann zu Veränderungen der Denkgewohnheiten kommen, wenn sich im Objektbereich entsprechende Modifikationen vollziehen.
Typen von RepräsentantenIndicesGrundsätzlich werden drei verschiedene Typen von Repräsentamen unterschieden. Es gibt Indices, sie werden auch als Indikatoren bezeichnet, die einen konkreten Bezug zu einem singulären Objekt organisieren. Der Index bzw. Indikator verweist darauf, ohne dabei einen Effekt, z.B. die Ähnlichkeit des Zeichens zum Objekt, zuhilfe zu nehmen. Der Hinweis erfolgt unvermittelt. Wenn wir Rauch sehen, vermuten wir, dass es ein Feuer gibt, und so verweist der Rauch indirekt auf das Feuer. Eine Geste mithilfe des ausgestreckten Fingers wird als Zeigen auf etwas verstanden. Wir können dem Finger in die angezeigte Richtung bis hin zu einem Objekt folgen und sehen in der Menge möglicher Bezugsobjekte das, worauf der Finger zeigt.
Von den Indikatoren unterscheidet PeircePeirce solche Bezugnahmen, in denen das Zeichen eine Ähnlichkeit simuliert. Er spricht dann von Ikonen.Ikon Typisch dafür sind Bilder. Wir erkennen im Abgebildeten aufgrund seiner Gestalt etwas, was wir durch unser Wissen über die Welt als Objekt identifizieren können. Auf diesen Zeichentyp wird gerne zurückgegriffen, wenn sprachunabhängig Informationen gegeben werden sollen. Bei den olympischen Spielen 1972 in München wurden solche Ikonen entwickelt, welche Hinweise auf die verschiedenen Sportarten boten sowie zur Orientierung an öffentlichen Plätzen genutzt wurden. Ganz selbstverständlich ist dort das Bildzeichen für den Fluchtweg geworden.
Piktogramm/Ikon
Der „Leser“ erschließt sich aufgrund der erkannten Gestalt und der Zuordnung eines mitgedachten Handlungszusammenhangs, was gemeint sein könnte. Die Grenzen dieses Zeichentyps wurden bei den Symbolzeichen der Windows-Programme erkennbar, wo die Ikonen nicht mehr ohne weiteres Handlungszusammenhänge