Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов

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Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen - Группа авторов Kompendium DaF/DaZ

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und beauftragte Rotkäppchen, dieses zur Großmutter zu befördern, es ermahnend, nicht das durch silikatische Gesteinsstücke befestigte Wegesystem zu verlassen. …

      Rotkäppchen in der Fachsprache der Juristen und Chemiker (zitiert nach Ritz 2000)

      An diesen beiden Beispielen lässt sich gut erkennen, dass Sprache und Sache untrennbar zusammenhängen. In der Sprache kommt die Sichtweise des Faches zum Ausdruck und die Sichtweise des Faches wird durch die Sprache bestimmt. Aufgrund des Themas und der Situation, in der ein Text entsteht, werden bestimmte genrespezifische Strukturen und Merkmale erwartet. Treffen diese auf den Text nicht zu, entsteht ein irritierender (im vorliegenden Fall witziger) Eindruck. Das Märchen als Genre verlangt andere Genremerkmale als die hier gewählten fachsprachlichen. Gleichzeitig kann ein solches Beispiel aber auch die Aufmerksamkeit dafür wecken, wie zentral die Wahl des richtigen Genres ist. Ein ungewollter Fehlgriff kann die Kommunikation erschweren und im schlimmsten Fall unmöglich machen. Außerdem kann ein falscher Registerzugriff die Beziehung der Kommunizierenden belasten, da Sprache immer auch Rückschlüsse auf die kommunizierende Person ermöglicht, wie wir an dem Beispiel der missglückten E-Mail gesehen haben. Zur generischen Kompetenz gehört es, dem jeweiligen Kontext und Interaktionszweck entsprechende Genres zu verstehen und selbst verwenden zu können sowie auf der Basis dieser Genre-Merkmale eigene Äußerungen produzieren zu können (vergleiche Hallet 2012: 61). Damit zeigt sich eine Person als einer bestimmten Wissenschaftskultur zugehörig. Wie sich diese in sprachlicher Hinsicht und bezogen auf das Lernen von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache auswirken, werden wir im Laufe dieses Bands noch eingehend behandeln. Im Folgenden soll daher nur ein kurzer Einblick in das Thema Wissenschaftskultur erfolgen.

      1.3.3 Wissenschaftskulturen

      Wie wir gesehen haben, enthalten Fachsprachen „Hinweise auf die Subjekte […], die da fachlich sich miteinander zu verständigen suchen“ (Hess-Lüttich 1999: 212). Dieser Aspekt wird durch die Registertheorie hervorgehoben, die die sozialen Rollen der Subjekte in die Definition von Kommunikation einbezieht. Register sind sprachliche Variationen sozialer Gruppen, in deren Kommunikation die das Fach kennzeichnenden Erfahrungen und Orientierungen weitergetragen werden und „deren Kollektivität Fachlichkeit zuallererst begründet“ (Hess-Lüttich 1999: 212). Wissenschaft und Fachlichkeit können in diesem Zusammenhang als Kulturen begriffen werden, weshalb sich die Bedeutung der fachlichen Ausrichtung für die Sprache gut mit Überlegungen zu interkulturellen Unterschieden fassen lässt. Aber was ist im Hinblick auf Fachsprachen unter Kulturen zu verstehen?

      In Lerneinheit 1.2 haben wir uns damit befasst, dass Fachsprache, Bildungssprache und Alltagssprache auf einem Kontinuum der Abstraktion miteinander verbunden sind (vergleiche Roelcke 2010: 34ff). Gegenstände, die also wissenschaftlich erarbeitet wurden, werden zum Beispiel in schulische Materialien eingebunden und damit vermittelt. Zwar sind die hier produzierten Texte nicht an der Erarbeitung und Aushandlung der Gegenstände beteiligt, sie sind aber Teil der (in diesem Fall vermittelnden) Fachkommunikation (vergleiche Roelcke 2010: 38f). Da Gegenstand und Versprachlichung des Gegenstandes untrennbar zusammenhängen, lassen sich fachliche Sachverhalte nur in fachsprachlicher Form begreifen, weshalb sich auf allen Abstraktionsstufen fachsprachliche Mittel nachweisen lassen. Diese Mittel sind Ausdruck des fachlichen Diskurses. Diskurse können charakterisiert werden als Auseinandersetzungen mit einem Thema im Rahmen unterschiedlicher Texte und Äußerungen, innerhalb mehr oder weniger großer gesellschaftlicher Gruppen. Der Diskurs ist jedoch nicht nur zu verstehen als der Austausch und die Aushandlung von Informationen, sondern ebenso als kulturelles Deutungsmusterkulturelles Deutungsmuster, auf dessen Hintergrund die Welt begriffen und kontextualisiert wird (vergleiche Gardt 2007: 26). Diese Vorstellung kann verglichen werden mit einer Art Denkstil, der umfasst, was in einem Fach als Fragestellung, als Problem, als Methode und als zulässiges Ergebnis gelten kann. Denken wir beispielsweise an die Frage, ob es einen Weltgeist gibt. Diese Frage ist für die Biologie nicht zulässig, da sie mit biologischen Methoden nicht erforscht werden kann. In der Philosophie hingegen kann man sich dieser Frage durchaus nähern. In bestimmten Gruppen beziehungsweise fachlichen Kulturen sind also unterschiedliche Fragestellungen gültig. Fachdiskurs und Fachkultur hängen ebenso zusammen wie Sache und sprachlicher Ausdruck. Im Diskurs tauschen sich Kulturen über die sie betreffenden Gegenstände aus und definieren gleichzeitig ihre Sicht auf Welt durch die Aushandlung der Gegenstände. Fächer zeichnen sich in diesem Sinne durch spezifische kulturelle Deutungsmuster aus, wie eben am Beispiel von Biologie und Philosophie verdeutlicht wurde.

      Denken wir nochmals an die wissenschaftlichen Fächer. Wissenschaft nimmt für sich in Anspruch, die Welt neutral und objektiv zu beschreiben. Der Diskurs basiert auf Strukturen und Ausdrucksweisen, die dieser Objektivität verpflichtet sind. Auf der sprachlichen Ebene wird die Objektivität und Neutralität in jedem Text wieder neu hergestellt, indem Passivkonstruktionen und Substantivierungen verwendet werden. Die Denkmuster einer Fachkultur sind in der Regel implizit und werden von einer Gemeinschaft unreflektiert verwendet, sie können aber auch zum Gegenstand der Reflexion gemacht werden.

      Im deutschen Wissenschaftsdiskurs ist der fachwissenschaftliche Text in der Regel prozesshaft und jeder Schritt wird nacheinander beschrieben. Dies beginnt mit der Problemstellung, dem Erkenntnisinteresse und der Fragestellung. Dem folgen in der Regel die Theorie und der Forschungsstand. Wenn es sich um empirische Arbeit handelt, werden dann die Methoden vorgestellt und gegebenenfalls diskutiert. Die Ergebnisse werden anschließen zuerst dargestellt und dann diskutiert. Abgeschlossen werden Arbeiten in vielen Fächern durch ein Fazit und einen Forschungsausblick, in dem Fragen besprochen werden, die im Rahmen der Ergebnisse aufgetaucht sind. Damit wird die Arbeit mehrfach im eigenen fachlichen Feld verortet: Theorie, Forschungsstand und weiterführende Fragen binden sie in das Feld ein, in dem sie entstanden ist.

      Selbstverständlich finden sich hier von Fach zu Fach Unterschiede, doch die Tendenz zur Nachzeichnung des Forschungsprozesses bleibt erhalten. Dabei sorgen einerseits die fachspezifischen Unterschiede im Konzeptualisieren der Welt für unterschiedliche Arbeits- und Forschungsmethoden. Andererseits sind kulturspezifische Präferenzen für die eine oder andere Darstellungsweise bedeutsam (vergleiche Roche 2012: 43). Zum Beispiel werden in Arbeiten, die im deutschen Wissenschaftssystem geschrieben werden, häufig auch zusätzliche Informationen gegeben, die für einen umfassenden Blick auf das Thema dienlich sind. Dies können beispielsweise Informationen zu grundlegenden methodischen Entscheidungen und Alternativen sein, die im Vorfeld des Experiments getroffen worden sind oder alternative theoretische Positionen. Ein anglo-amerikanisch geprägter Wissenschaftstext setzt diese Inhalte voraus, und bietet sie daher nicht an. Auch methodische Entscheidungen können ausgelassen werden, sofern verständlich bleibt, wie die Studie durchgeführt wurde. Der anglo-amerikanische Text wirkt damit aber aus deutscher Sicht unvollständig. Umgekehrt erscheint der deutsche Text als umständlich und lang. An diesen Beispielen sehen wir, dass sich einerseits in der Sprache die Sicht auf Wissenschaft spiegelt und andererseits Sprache und Kultur die Wissenschaft abbilden, sie strukturieren und Maßstäbe setzen. Daher sind Diskurse und die Interpretation von Genres und Textmustern nicht nur fachbezogen, sondern auch interkulturell geprägt und müssen von Lernern als solche verstanden werden: „Die Interpretation der Kategorien sagt […] mehr über den [fachkulturellen Hintergrund des] Interpreten als über den Produzenten aus“ (Roche 2012: 34).

      Lerner sollten sich, besonders im Kontext des fremdsprachlichen Fachunterrichts, darüber klar werden, dass sie Texte, Äußerungen, Abbildungen und andere Kommunikationsmittel aus der Sicht der Fachlichen und kulturellen Prägung, die sie bis dato erfahren haben, betrachten. Irritationen und Verwirrungen wie an den gezeigten Märchenbeispielen auffällig geworden, können die Folge sein. Daher müssen fachliche Varietäten, Register und Genres im Unterricht ebenso thematisiert werden wie fachsprachliche Mittel und Strukturen. Dabei besteht die Hauptaufgabe des fachsprachlichen Unterrichts in der Sensibilisierung für solche Unterschiede und Denkmuster. Die Lerner sollen zur eigenständigen Erarbeitung der betreffenden Phänomene und Besonderheiten angeleitet werden. Ziel ist es, dieses Wissen als Instrument der selbstgesteuerten Aneignung neuen fachlichen Wissens zu betrachten (vergleiche

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