Eros und Logos. Группа авторов
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So, wie Hymen bei Claudian vor der erwachenden Venus dafür Rechenschaft ablegen muss, dass er sie nicht früher über die bevorstehende Hochzeit informiert hat, muss sich Celadon für die an Chloris vorgenommene sexuelle Handlung rechtfertigen. Damit übernimmt Besser den rhetorischen Kunstgriff Claudians, der mit dem eingeleiteten Dialog den Gottheiten den Austausch über die Brautleute und damit den Einstieg in die Laudatio auf das Hochzeitspaar ermöglicht.7 Während bei Claudian jedoch dem Brautpaar und den Eltern der Brautleute gehuldigt wird, nutzt Besser den Dialog, um in Cedalons apologetischer Rede den Sexualakt zu ästhetisieren. In einer dreistufigen Argumentation hält Celadon zunächst eine „laudatio“ auf die weibliche Scham (V. 97–124), führt dann Beispiele aus der Natur und der Mythologie an, die sein Handeln begründen und rechtfertigen (V. 125–208), bevor er Chloris selbst für seinen forschen Vorstoß verantwortlich macht (V. 209–240) und sie schlussendlich besänftigt:
104 | Durch jene Demmerung die um dein auge tagt/ Durch deine tulpen-schooß/ durch deine nelcken-brüste/ Durch die von beyden mir noch unbekandten lüste/ Durch deine schöne hand die mich jetzt von sich stößt? Was hab ich denn verwürckt/ das zephyr dich entblößt? Daß ich es mit beschaut/ was dessen hauch verübet/ |
110 | Daß ich es angerührt/ was erd und himmel liebet/ Was selbst der Götter mund begierig hat geküst/ Und was der inbegriff von deiner schönheit ist. Es ist ja deine schooß der auszug aller zierde/ Der enge sammel-platz der schmeichelnden begierde/ |
115 | Das rund/ wo die Natur zusammen hat gedrängt/ Was sich nur reitzendes den gliedern eingemengt. Hier ist der kleine schatz der deinen reichthum zeiget/ Der lebendige thron der alle scepter beuget/ Der süsse zauber-kreyß/ der unsern geist bestrickt/ Und deß beschwehrungs-wort die felsen auch entzückt (V. 104–120) |
In anaphorisch verklammerten Parallelismen und anspielungsreicher, bildlicher Sprache überformt Besser die weibliche Scham ästhetisch. Mit der Zentrierung auf die weibliche Scham travestiert er jedoch gleichzeitig das so häufig in barocken Epithalamien vorgebrachte Schönheitslob. Vor allem die Metaphern, die das weibliche Geschlechtsteil mit Herrschaftsakzidenzien vergleichen, wirken komisierend, weil sie das Herrscher- und Frauenlob vulgär auf die weiblichen Geschlechtsteile bündelt.
Gleichsam wirkt Celadons Anschuldigung, Chloris sei selbst für den Übergriff verantwortlich, grotesk, weil sie das Opfer zum Täter verkehrt. Während mit der ‚insistierenden Nennung‘ die Schuldzuweisung jedoch ironisch gebrochen wird (das lyrische Ich erklärt: „Er fuhr voll eyffers auff/ um dieses unrechts willen“ (V. 229), variiert Besser die petrarkistische Liebeskonzeption, für die die Ablehnung des Liebhabers und die Unerfüllbarkeit seiner erotischen Wünsche konstitutiv sind, überraschend. Die erzürnte Chloris kommt selbst zu Wort und willigt zur Liebesvereinigung ein: „Sie zog/ nunmehr erweicht/ nach dem bezeugten haß/ Den ausgesöhnten feind mitleidig in das graß“ (V. 231–232).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bessers Ruhestatt der Liebe als aemulatio in zwei Diskursbereichen eingebunden ist. Einerseits ist die Ruhestatt der Liebe als Claudian-Rezeption zu lesen und damit im Kontext der kulturpatriotischen Nationalliteratur zu verorten, die seit Martin Opitz versucht, antike Vorbilder imitierend zu überbieten. Andererseits bricht Besser mit der streng imaginativen Tradition der erotischen Lyrik und damit auch ein eingängiges Tabu. Obwohl er mit den Preziosen-Metaphern das petrarkistische Liebesideal alludiert, sprengt seine Schilderung des sexuellen Übergriffs klar die Grenzen dieses Liebesideals, das die erfüllte Körperlichkeit höchstens imaginiert oder hypothetisch topisch (carpe diem) zulässt.
5. Benjamin Neukirchs Parodie: Auff die Perlitz-Mühlendorffische Hochzeit
Mit Bessers Großgedicht nimmt die Claudian-Rezeption jedoch eine eigene Dynamik an. Benjamin Neukirch nämlich veröffentlichte ebenfalls in dem ersten Band der Neukirchschen Sammlung sein Epithalamium Auff die Perlitz-Mühlendorffische Hochzeit.1 In 100 kreuzgereimten Alexandrinern invertiert Neukirch die Handlung des Epithalamiums für Palladius und Celerina, indem er nicht mehr eine schlafende Dame, sondern einen schlafenden Mann beschreibt. Besonders pikant ist diese Inversion deshalb, weil sie vorgeblich eine biblische Geschichte neu erzählt: Der betrachtete Mann ist Adam und die betrachtende Frau Eva.
Dass Neukirch die erotisierende Adaption Bessers parodiert, lässt sich zunächst durch inhaltliche Ähnlichkeiten hinreichend zeigen: Der Beschreibung des nackten Adams, der hier die Rolle der Venus bzw. der Chloris einnimmt, folgt Evas sexueller Übergriff, durch den Adam erwacht. Eine Rechtfertigung nötigt Adam seiner Eva nicht ab, stattdessen vollzieht er mit ihr den Beischlaf. Die Begründung für die Natürlichkeit der Sexualität, die bei Besser Celadon zu seiner Verteidigung liefert, ist der Beischlafszene nachgestellt und fungiert als Aufforderung an das Brautpaar, sich ebenfalls zu vereinigen.
Die intertextuelle Abhängigkeit zu Bessers Großgedicht und zu Claudians Epithalamium lässt sich neben der analogen Handlungsführung auch textuell nachweisen. Die den Schoß der Venus bedeckenden Weinreben (Claudian) transformiert Neukirch in „[d]as grüne feigenblatt/ das Adam vor sich nahm“ (V. 1), bevor Eva ihren Adam in einem Feld liegend findet. Während Venus bei Claudian „ihre strahlenden Glieder über den dichten Rasen ausgebreitet“ (V. 3) hatte und Bessers Chloris ihre „perlen-volle[n] glieder/ in das noch frische gras“ (V. 6) streckt, heißt es bei Neukirch:
[…] sie zu felde gieng Und ihren Adam fand im grünen grase liegen. | |
25 | Sein leib war mehrenteils von kleidern unbedeckt/ Die glieder streckten sich/ wie silberne Colossen/ Nur diß/ was die natur zum zunder ausgesteckt/ War noch zu mehrer lust in rauches fell verschlossen. (V. 23–28) |
Die Beschreibung des im Grase liegenden Adams lässt sich nach Stocker trotz der getauschten Geschlechterrollen als Zitat ausweisen, das Neukirch eindeutig den Versen Claudians und Bessers nachgebildet hat.2 Wirkungsvoll innoviert er das Motiv der nackten Venus, indem er das Bild der paganen Liebesgöttin in das des biblischen Stammvaters verkehrt und damit das erotisch-antike Motiv christlich verzerrt – die umgekehrten Geschlechterrollen potenzieren das Wagnis. Verstärkt wird das komische Moment dadurch, dass Eva der männlichen Anatomie offensichtlich nicht gewahr ist. So folgert sie:
Ey/ warum haben wir uns beyde doch verbunden? | |
5 |
Ist Adam so wie ich an gliedern auch bestellt/
So dürffen wir uns ja nicht vor einander schämen?
Und führt er sonsten was/ das etwan mir gefällt/
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