Eros und Logos. Группа авторов
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Insgesamt bietet also der Dichter Ruprecht hier eine beißende Kritik am fehlgeleiteten kapitalistischen Denken, das beinah dazu geführt hätte, dass Bertram sowohl sein Vermögen als auch seine Ehre, von seiner Ehefrau ganz zu schweigen, verloren hätte. Ruprecht lehnt allerdings nicht die Kaufmannswelt an sich ab, sondern warnt ihre Repräsentanten davor, mittels ethischer Transgression schnell einen Gewinn erzielen zu wollen, eine Form des Denkens, die freilich am Ende zum Fiasko geführt hätte, wenn nicht Irmengart jegliches ihr zur Verfügung stehendes Mittel eingesetzt hätte, um ihre Tugend und ihre Ehe zu bewahren. Innerhalb eines narrativen Rahmens, in dem primär merkantilistische Kriterien ins Spiel gelangen, wird dennoch die Frage ausdiskutiert, wie das erotische Verhältnis zwischen Mann und Frau gestaltet sein soll, ganz gleich, wie die ökonomische Situation aussehen mag. Wir erkennen deutlich, dass der Erzähler primär die Kaufmannsfamilie attackiert, d.h. die gesamte urbane Gesellschaft, die nur vordergründig die ökonomischen Kriterien wahrzunehmen vermag, das globale Bild jedoch gänzlich ignoriert und dazu auch die Bedeutung der erotischen Beziehung innerhalb der Ehe missachtet. So sehr auch Bertram seine Frau zu lieben scheint, versagt er doch kläglich angesichts der globalen Situation, in der er Irmengart als die treueste Person der Welt hinstellt und dies von sich aus unter Einsatz all seines Geldes zu beweisen versucht.
Er gibt mit ihr in der Öffentlichkeit an und macht sie damit zu einem Verhandlungsobjekt, ohne dass sie jeglichen Einfluss darauf hätte und so zum Spielball im Wettstreit der zwei Männer wird. Der Erzähler stellt aber deutlich dar, dass all diese ökonomischen Strategien fürchterlich gescheitert wären, wenn nicht Irmengart höchste ethische Ideale verfolgt hätte und unter Einsatz größter Bemühungen bewiesen hätte, dass sie nicht korrumpierbar ist. Sie vermag sich jedoch am Ende erfolgreich durchzusetzen, weil sie eine parallele Gegenstrategie einsetzt, bei der sie Hogier mit seinen eigenen Mitteln schlägt – der Betrüger wird von ihr raffiniert betrogen.
Das Ehepaar pflegt offensichtlich eine enge Liebesbeziehung, wie es vielfache Bemerkungen des Erzählers nahelegen, aber dies verhindert nicht, dass Bertram trotz allem die Existenz Irmengarts und sogar seine Ehe aufs Spiel setzt, um sich gegen den misogynen und besitzgierigen Wirt Hogier durchzusetzen. Der kritische Anklagepunkt ruht jedoch letztlich auf dem Phänomen, dass die Familie hemmungslos Irmengart dazu drängt, das Angebot des Wirtes anzunehmen, weil sie nur an den Besitzerwerb denkt und nicht an ethisches Verhalten. Für sie ist die Ehe praktisch disponibel, während Irmengard verzweifelt nach Wegen sucht, um sich gegen die Verführungsversuche Bertrams zu verteidigen. Ironischerweise vermag gerade ihr Insistieren darauf, ihre Ehre zu bewahren, Bertram großes Vermögen zuzuspielen, womit merkantilistische mit ethischen Kriterien eng zusammengeführt werden. Ruprecht zeigt mithin auf, wie schwierig es für Eheleute sein kann, ihre erotische Beziehung von sozialen, ökonomischen oder gar politischen Bedingungen fernzuhalten.
IV
Durchaus vergleichbar dazu verfolgt auch Heinrich Kaufringer in seinem mære u.d.T. Die Suche nach dem glücklichen Ehepaar (ca. 1400) diese Thematik, wo ein Ehemann mit seiner Frau in einen Konflikt gerät, weil er sie als zu geizig beurteilt, während sie ihn für seine übermäßige Freizügigkeit und Interesse, Freunde einzuladen und mit ihnen zu feiern, kritisiert. Als ihm schließlich der sprichwörtliche Kragen platzt, begibt er sich auf die Suche nach einem Ehepaar irgendwo in der Welt, das tatsächlich glücklich miteinander lebt. Wenn er nicht erfolgreich sein würde, hat er nicht vor, zu seiner Frau zurückzukehren.
Obwohl er zweimal glaubt, bei dieser Suche erfolgreich geworden zu sein, stellt sich jedes Mal heraus, dass diese vermeintlich glückliche Ehe durch die Strategie erkauft worden ist, dass der Mann mittels einer Illusion der Welt vorgaukelt, vollkommen zufrieden zu sein. Unterdrückung, psychische Misshandlung, Impotenz, Bestrafung und klägliche Hilflosigkeit machen sich sofort bemerkbar, als der Protagonist auf die wahren Verhältnisse aufmerksam gemacht wird. Am Ende wird ihm sogar deutlich vor Augen geführt, dass seine eigenen Probleme kaum wert sind, erwähnt zu werden im Vergleich zu denen, unter denen die vermeintlich glücklichen Ehemänner zu leiden haben. Sobald er diese Erkenntnis erworben hat, kehrt er sofort zu seiner Ehefrau zurück und akzeptiert von da an ihre persönliche Schwäche, während er nachgibt und seine Feierfreude zum Teil zurücknimmt. Sie besitzt, wie der Suchende lernen muss, Ehre und öffentliches Ansehen, und ihre Sparsamkeit sei im Grunde kaum ein Charakterfehler im Vergleich zu den Schwächen anderer Frauen. Im Laufe der Zeit erweist sich, dass sich die Spannungen zwischen ihnen aufzulösen beginnen, weil sich die Gegensätze abmildern und sich so am Ende doch eheliche Freude einstellt. Es geht also grundsätzlich um die Suche nach individuellem und sozialem Glück, das eigentlich viel näher liegt, als der Protagonist meint, denn auch wenn er selbst am Ende nicht vollkommen mit der Sparsamkeit seiner Frau zufrieden ist, weiß er sie doch nach seinen Erfahrungen in der Fremde viel mehr zu schätzen und kann so ein zufriedenes und freudenreiches Eheleben mit ihr führen.1
V
Insgesamt liegt uns mit der Analyse dieser drei mæren interessantes Belegmaterial vor, das uns gut vor Augen führt, wie stark sich gerade der Themenkomplex von Liebe, Ehe und Sexualität im Spätmittelalter als ein Objekt kritischen Diskurses herausstellte.1 Eindeutige Negativurteile fallen aus, wenngleich viel gelacht und kritisiert wird. Wenngleich das Augenmerk oftmals auf dem Körperlichen ruht, besteht doch das zentrale Anliegen darin, die konstruktive Beziehung zwischen Frau und Mann als das Ergebnis von vielen kommunikativen Bemühungen zu identifizieren, wobei es meistens gar nicht so sehr um Sex geht, sondern um Ehre, gegenseitige Anerkennung und Unterstützung und darum, die Schwächen und Stärken des jeweils anderen wahrzunehmen und möglichst durch den Einsatz eigener Methoden zu kompensieren, ohne übermäßig zu kritisieren oder sogar den anderen rundherum zu verurteilen.
Wenn wir noch andere Beispiele heranziehen würden, könnten wir gut feststellen, dass in dieser Gattung viel gelacht wird, insoweit als die erotische Paarbeziehung in ihrer Konstruktion bloßgestellt und doch als eine wesentliche Plattform für das gesellschaftliche Zusammenleben der zwei Geschlechter akzeptiert wird.2 Deutlich kommt immer wieder zum Ausdruck, mit welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten das Individuum innerhalb der Gesellschaft zu kämpfen hat, in der oftmals ökonomische oder politische Interessen mehr überwiegen als ethische und moralische Ideale, ohne die aber das wahre Glück innerhalb der Ehe nicht zu erzielen zu sein scheint.
Auf den ersten Blick könnte die Gefahr bestehen, die Fülle an mæren bloß als Puzzlestücke eines sich ausfächernden literarischen Diskurses zu identifizieren.3 Nimmt man aber noch mehr Beispiele in Augenschein, als es hier möglich gewesen wäre, stellt man hinter der Maske des Komischen deutlich fest, wie intensiv nach persönlicher Erfüllung und Freude sowohl alleine als auch insbesondere innerhalb einer Ehebeziehung gestrebt wird. Diese Einsicht hilft uns, nicht nur größeres Interesse an den Vertretern dieser Gattung zu gewinnen, sondern außerdem auch eine Brücke zwischen dem Spätmittelalter und der Moderne zu schlagen, denn die Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern setzt sich ja fort und verlangt immerfort neue kritische Ansätze, um auch die tiefsten Feinheiten in dieser konfliktuösen, aber produktiven Konstellation wahrzunehmen, diese zu akzeptieren und dann zu lernen, mit den unterschiedlichsten Aspekten konstruktiv umzugehen.
Auf diese Weise lernt auch der moderne Leser, diese literarischen Werke des Spätmittelalters in ihren zeitlosen Qualitäten wahrzunehmen, in denen dieser alte Diskurs selbstverständlich