Eros und Logos. Группа авторов
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»O du giessender got an diner gabe,/ o du vliessender got an diner minne,/ o du brennender got an diner gerunge,/ o du smelzender got an der einunge mit dinem liebe,/ o du ruͦwender got an minen brústen!/ Ane dich ich nút wesen mag!« (I, 17, 36).
Ähnliche Schwierigkeiten entstehen im Zusammenhang mit dem häufigen Gebrauch der Brust-, Blut-, Milch- u.a. Metaphern
Trotz der klaren Ausrichtung auf das geistig-erotische Einswerden der Seele mit ihrem himmlischen Bräutigam erschöpfen sich die Funktionalisierungen des minnewegs nicht in seiner Beschaffenheit als der Weg zu Gott. Dass die Liebe auch den Modus des Zusammenseins der Seele mit Gott ausmacht, geht aus dem Ursprung der letzteren als der von Gott aus Liebe Geschaffenen hervor: „Ich bin in der selben stat gemachet von der minne. Darumbe mag mich enkein creature nach miner edelen nature getroͤsten noch entginnen denne allein die minne“ (I, 22, 40).
Von dieser Anschauung leitet Mechthild eine ganze Gedankenkette ab, die sie in ihrer Zeit an die Grenze zur Häresie brachte. Noch Gall Morel stellte fest, dass „[d]ie Ansichten und Ausdrücke in diesem Buche […] allerdings oft gewagt [seien], und wer den streng dogmatischen Maßstab anlegen wollte, könnte leicht Häretisches herausfinden.“24 Die gefährliche Anschauungsweise beginnt bei Mechthild noch relativ harmlos im ersten Buch mit der Funktionsbestimmung der Liebe als den eigentlichen Impuls zur Erschaffung der Seele: „In dem jubilus der heligen drivaltekeit, do got nit me mohte sich enthalten in sich selben, do mahte er die selen und gab sich ir ze eigen von grosser liebi“ (I, 22, 40).
Im ausführlichen neunten Kapitel des dritten Buches wird dann die pygmalionartige Erschaffung der Menschen durch die Heilige Dreifaltigkeit mit allen Details geschildert. Auch dort spielt die Liebe eine entscheidende Rolle, nur dass sie im Gegensatz zur früheren Vorstellung nicht nur als der innere Anstoß, sondern auch als der Modus und vor allem als die Substanz der Schöpfung fungiert.
Do sprach der vatter: »Sun, mich ruͤret oͮch ein kreftig lust in miner goͤtlichen brust und ich doͤnen al von minnen. Wir wellen fruhtber werden, uf das man úns wider minne und das man únser grossen ere ein wenig erkenne. Ich wil mir selben machen ein brut, dú sol mich mit irem munde gruͤssen und mit irem ansehen verwunden; denne erste gat es an ein minnen!«/[…] Do neigte sich du helige drivaltekeit nach der schoͤpfunge aller dingen und mahte úns lip und sele in unzellicher minne. (III, 9,176)
Besonders wegen des Wesens-Aspektes konnte Mechthild schmerzliche Konsequenzen zu spüren bekommen haben, weil er den Eindruck der Identität Gottes und der Materie der Seele entstehen lässt. Danach war die der Heiligen Dreifaltigkeit immanente Liebe nicht nur der Anlass der Schöpfung, sondern auch das in ihrem Verlauf Geteilte, wie es an einer anderen Stelle aus demselben Kapitel stärker herausgestellt wird: „Der himmelsche vatter teilte mit der sele sin goͤtlich minne“ (III, 9, 178). Noch eindeutiger wird die Aufhebung der Grenze zwischen Mensch und Gott in der wesensmystischen Aussage des Bräutigams an die Braut: „Froͮw sele, ir sint so sere genatúrt in mich, das zwúschent úch und mir nihtes nit mag sin“ (I, 44, 64). Ruh und Langer erinnern vor diesem Hintergrund an ein zeitgenössisches Gutachten (1270/73) von Albertus Magnus, das deutlich machte: „Zu sagen, daß die Seele aus der Substanz Gottes genommen sei, ist manichäische Häresie.“25
Abgesehen von der gefährlichen Gratwanderung Mechthilds zwischen der theologischen Korrektheit und Ketzerei erscheint die Liebe auch in anderen Kapiteln als das eigentliche Wesen bzw. die Substanz Gottes. So wird beispielsweise Gott im siebenfachen Lob Gottes durch die Seele als Liebe gepriesen: „Ich lobe dich mit dir selben in der minne“ (III, 2, 160). Dass sie auch der menschlichen Seele nicht einfach eigen ist, sondern sie ausmacht, lässt die Liebe aus der menschlichen Sicht als etwas mehr als bloßen Konvergenzpunkt der Schöpfung erscheinen. Dieser sich aus der Partizipation an der Essenz Gottes ergebende Unterschied wird bereits im ersten Buch verdeutlicht. Im allegorischen vierundvierzigsten Kapitel sucht die nach dem Verlobungstanz erhitzte Seele Kühlung bei ihrem Bräutigam. Die Sinne bemühen sich, sie davon mit dem Verweis auf die alles verbrennende glühende Hitze der Gottheit abzuhalten. Die Seele weist aber die Bedenken zurück, indem sie die Kongruenz der Naturen, Gottes und ihrer eigenen in den Mittelpunkt rückt:
Der visch mag in dem wasser nit ertrinken, der vogel in dem lufte nit versinken, das golt mag in dem fúre nit verderben; wand es enpfat da sin klarheit und sin lúhtende varwe. Got hat allen creaturen das gegeben, das si ir nature pflegen, wie moͤhte ich denne miner nature widerstan? Ich muͤste von allen dingen in got gan, der min vatter ist von nature, min bruͦder von siner moͤnscheit, min brútegoͮm von minnen und ich sin ane anegenge. (I, 22, 62)
Ihre prägnanteste und dichterisch ansprechendste Form fand die Idee in der süßen Sehnsuchtsklage („suͤsse[n] jamerclage“): „Wer von minnen stirbet, den sol man in gotte begraben“ (I, 3, 26).
Die Schilderung der Schöpfung legt ein beredtes Zeugnis davon ab, wie tief das Sezieren der Liebe durch Mechtild geht. Die Mystikerin begnügt sich nicht mit Oberflächlichkeiten und Allgemeinheiten; vielmehr unterzieht sie die Liebe einer Vivisektion, bis sie beruhigt sagen kann: „Herre, din bluͦt und min ist ein, unbewollen –/ din minne und minú ist ein, ungeteilet“ (II, 25, 134).
Mechthilds Vorliebe für Entdeckung und Beschreibung von immer neuen Funktionen, Modi und Aspekten der Minne, die letztlich auf eine eigenartige Systematik hinausläuft, hat ihren Grund im hier hervorgehobenen Zusammenhang zwischen Liebe und Erkenntnis: „Minne ane bekantnisse dunket die wisen sele ein vinsternisse, bekantnisse ane gebruchunge dunket si ein hellepin, gebruchunge ane mort kan si nit verklagen.“ (I, 21, 38) Die Überzeugung von ihrem sinnlichen Charakter durchzieht Mechthilds Werk vom ersten bis zum letzten, siebenten, Buch. Gleichgültig, ob die Liebe – wie im ersten Buch – der Erkenntnis die Tür öffnet,
Ich mag nit tanzen, herre, du enleitest mich. Wilt du, das ich sere springe, so muͦst du selber vor ansingen; so springe ich in die minne, von der minne in bekantnisse, von bekantnisse in gebruchunge, von gebruchunge úber alle moͤnschliche sinne. Da wil ich bliben und wil doch fúrbas crigen. (I, 44, 60)
oder – wie im siebten – deren Voraussetzung darstellt,
Sus sin wir aber mit gotte vereinet in annemmelichet liebin und demuͤtiger dankberkeit. […] So wirt únser herze minnenvol, so werdent únser sinne geoffenet und so wirt únser sele also clar, das wir sehen in die goͤtlichen bekantnisse als ein mensche sin antlize besihet in eime claren spiegel (VII, 7, 544, 546)
es bleibt der Weg der Liebe mit dem Weg der Erkenntnis aufs engste verknüpft. Dies betrifft alles, sogar Gott, der – auf welche Art auch immer – wahrnehmbar und sinnlich greifbar sein muss: „An einem gedachten Gott ist Mechthild nicht interessiert, sie sucht den in den Affekten und mit den verwandelten Sinnen unmittelbar erfahrbaren Gott.“26 „[D]ú wise minne hat bekantheit“ (II, 11, 98) stellt sie im zweiten Buch des Fließenden Lichts fest. Nur „die bekante minne git sich allen creaturen gemeine“ (III, XXIV, 222); nur die „erkennende Liebe“ ist fähig, die Fesseln des Irdischen zu sprengen, zu Gott hinaufzusteigen oder den himmlischen Bräutigam unwiderstehlich an sich zu ziehen, und ihn nach sich schmachten zu lassen.
Erst mit der Verwundung beginnt die wahre Liebe, sagt Gott im angeführten Zitat (III, 9). Die Erkenntnis der Unvermeidbarkeit des Leids ist bei Mechthild ein fester Bestandteil des Schreckens der Liebe (III, 24, 222), der eine notwendige Erfahrung jeder edlen, von „zergenglichen dingen“ (III, 24, 222) befreiten, Gott suchenden Seele ist. Dies ist auch die ultimative Rekapitulation des die Liebe und Erkenntnis einschließenden Programms, das zwei Engel der Seele im letzten Buch des Fließenden Lichts verraten: „Wir wellen dich bringen von pine ze pine, von tugenden