Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов

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Kultur- und Literaturwissenschaften - Группа авторов Kompendium DaF/DaZ

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meist weder expliziert noch bewusst wahrgenommen werden, sondern einem Text, der auch die Problematik der sprachlichen Codierung und Variation auf mehreren Ebenen artikuliert und illustriert. Es handelt sich hier gattungsmäßig um eine (Kanadiern sehr vertraute) Bierwerbung im Fernsehen. Sie nutzt die in Kanada ständig präsente Abneigung und Zurückhaltung gegenüber dem großen Nachbarn im Süden als Mittel der Identitätskonstitution der anvisierten Kundschaft. Die kurze Präsentation fasst exemplarisch und in äußerst subtiler Protestform den Nationalcharakter englischsprachiger Kanadier zusammen, wie er sich im Kontrast zu den Bewohnern der USA definiert.

      Kanadische Bierwerbung „I Am Canadian

      [Online unter https://www.youtube.com/watch?v=WMxGVfk09IU. 07. Dezember 2017].

      Zur Situation: ein schüchtern wirkender junger Mann tritt auf die Bühne, fast zufällig, wie es scheint. Er geht zum Mikrofon, das in der Mitte einer weiten Bühne steht, und beginnt zu sprechen. Auf der Leinwand hinter ihm werden jeweils Bilder eingeblendet. Er redet mit zunehmender Emphase und Ekstase.

       Hey ... I'm not a lumberjack, or a fur trader ...

       and I don't live in an igloo or eat blubber,

       or own a dogsled ...

       and I don't know Jimmy, Sally or Suzy from Canada,

       although I'm certain they're really, really nice.

       I have a Prime Minister, not a President.

       I speak English and French, NOT American.

       and I pronounce it ‘about’, NOT ‘a boot’.

       I can proudly sew my country’s flag on my backpack.

       I believe in peace keeping, NOT policing, diversity, NOT assimilation,

       AND THAT THE BEAVER IS A TRULY PROUD AND NOBLE ANIMAL.

       A TOQUE IS A HAT,

       A CHESTERFIELD IS A COUCH,

       AND IT IS PRONOUNCED ‘ZED’ NOT ‘ZEE’, ‘ZED’!!

       CANADA IS THE SECOND LARGEST LANDMASS!

       THE FIRST NATION OF HOCKEY!

       AND THE BEST PART OF NORTH AMERICA!

       MY NAME IS JOE!! AND I AM CANADIAN!!!

      Je nachdem, wie gut Sie die kanadischen Verhältnisse kennen, werden Sie in diesem Text beziehungsweise Film einige Überraschungen erleben: zum Beispiel Widersprüche zu eigenen StereotypeStereotypen (HeterostereotypHeterostereotypen über eine andere Kultur) und gelegentlich auch Unverständnis wegen mangelnden landeskundlichen Wissens. Schließlich sind nicht alle Kanadier Holzhacker, Pelzhändler oder Iglubesitzer. Auch die Schüchternheit des Sprechers einerseits und seine Ekstase und Aggression andererseits haben Sie vielleicht irritiert. Das zurückhaltende, oft entschuldigende Verhalten der Kanadier gilt aber unter Kanadiern selbst als prototypisches Merkmal kanadischer Kultur, als AutostereotypAutostereotyp. Um dieses zu durchbrechen, bedarf es eines massiven Anlasses, zum Beispiel der langfristigen Akkumulation von Frustrationen.

      Die Art der sprachlichen Variation im Englischen, die hier in symbolischer Weise erkennbar wird, findet sich aber ähnlich in unzähligen Begriffen und sprachlichen Strukturen der Alltagssprache. Diese Beobachtung aber lässt Zweifel daran entstehen, dass es sich bei dem Englischen um eine einheitliche oder monolithische Varietät handeln könnte, wie sie sowohl in den Positionen der Befürworter und der Gegner der Lingua Franca Englisch verbreitet postuliert wird. Erst die jüngere Diskussion der Begrifflichkeit für die Lingua Franca Englisch reflektiert das wachsende Bewusstsein um das breitere Variationsspektrum der Lingua FrancaLingua Franca Englisch (vergleiche Erling 2005). Das Verhältnis des core English, und was dazu gehört, zu den internationalen Varietäten drückt sich unter anderem in den Bezeichnungen international, global, general oder literate English aus. Kritische Aspekte der Bezeichnung sind dabei neben der Varianz in der Regionalität der englischen Sprache (US-, Britisches, Kanadisches, Australisches Englisch etc.) die ownership der internationalen Nutzer, die ihrerseits stark von dem politischen Status des Englischen in einer Gesellschaft mit Englisch als zweiter offizieller Landessprache, der Medialität (literate English, Wallace 2002), dem Fachgebiet sowie dem Spezialisierungsgrad und damit auch den Korrektheitsnormen abhängig ist.

      Hier findet man alles: vom Grammatikfehler (auf meinem backpack) über ungewöhnliche Orthografie (zum Beispiel Kleinschreibung), die Nicht-Erkennung von Konstituenten (Wichtigsten Ministeren), fehlgeleitete Inferenzen (Sally = Sales = ‚Verkauf‘), innovative Konnotationen (Frieden Behalten) und lexikalische Begriffe, direkte Übertragungen von Kategorien (Landmass, Erste Nation) bis hin zur Übersetzungsverweigerung zahlreicher Begriffe (chesterfield, dogsled, lumberjack etc.). Man braucht dabei gar nicht auf alle Einzelheiten einzugehen. In diesem Text gibt es insgesamt vielleicht mehr falsche als korrekte Elemente. Von effizienter Kommunikation kann dabei kaum die Rede sein, es sei denn der Zweck der Übersetzung wäre die Erzeugung von Komik oder die Illustration einer linguistischen Fragestellung. Auch wenn dieses Beispiel übertrieben erscheinen mag, so kann man angesichts vieler Aufbauanleitungen, Fehlübersetzungen und schlechter Vorträge davon ausgehen, dass das hier illustrierte, authentische (wenn auch maschinell unterstützte) Verfahren weder in der Alltagskommunikation noch in der Wissenschaftskommunikation gänzlich ungewöhnlich ist. So wie in dieser rudimentären maschinellen Übersetzung bedeutet auch Lingua Franca häufig schlechte Übersetzung, Rudimentärsprache oder Kauderwelsch.

      Für eine Lingua Franca wie das Englische gibt es dennoch bekanntlich eine ganze Reihe quantitativer und qualitativer Gründe: Es besteht ein Bedarf an internationalen Kommunikationsmitteln, die Anzahl und geografische Verteilung der anglophonen Erst- und Zweitsprachensprecher ist signifikant (nach Ethnologue circa 372 Millionen L1-Sprecher und -Sprecherinnen, circa 611 Millionen L2-Sprecher und -Sprecherinnen [Online unter https://www.ethnologue.com/language/eng. 7. Dezember 2017]), anglophone Länder stellen eine enorme Wirtschaftsmacht dar und haben einen enormen politischen Einfluss und ein großes Innovationspotenzial. Aber Einiges lässt sich mit rationalen Mitteln weniger gut erfassen, ist daher eher dem Bereich der Emotionalität zuzuschreiben. So entstehen bei der Anlehnung an das Englische auch ganz bizarre Dinge, die mit Kommunikationseffizienz nicht unbedingt etwas zu tun haben. Die zahlreichen Verdrängungen etablierter und hinreichend scharfer Begriffe aus der deutschen Alltags- und Fachsprache durch gleichwertige oder gar weniger spezifische sind hier beispielhaft zu nennen (zum Beispiel by-pass statt ‚Umgehungsstraße‘, City Management statt ‚Stadtverwaltung‘ oder DB Cargo statt ‚Fracht‘ oder ‚Gütertransport‘). Immerhin lassen sich natürlich einige solcher mit der Exotik des Fremden behafteten Bezeichnungen durch politische oder wirtschaftliche Marketinginteressen motivieren, entbehren also nicht ganz einer gewissen Rationalität, und wieder andere, wie etwa Start beziehungsweise starten, erfahren im Deutschen eine deutliche Bedeutungserweiterung (hier etwa in einen Tag starten, ein Flugzeug startet, einen Wettkampf starten). Wie stark die Anziehungskraft des Englischen ist, zeigt sich vor allem auch an der Akzeptanz von Fehlübersetzungen (zum Beispiel Administration

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