Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов
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Einsprachigkeit, auch in Form einer Verkehrssprache (und ersten Fremdsprache) wie dem Englischen oder gar dem kulturfremden Esperanto, führt nicht automatisch zu Fortschritten oder internationalem Anschluss in Bildung, Wissenschaft und Alltag. Es gibt offensichtlich natürliche gesellschaftliche Gründe für die bereits existierende kulturelle und sprachliche Vielfalt. Also ist nicht Einsprachigkeit, sondern die Kultivierung der Kulturen zu fördern, und zwar gerade dadurch, dass Maßnahmen der Vermittlung zwischen Kulturen und die Entwicklung daraus entstehender weiterer (zweiter, dritter, vierter und fünfter) Perspektiven angestrebt werden. Darin eingeschlossen sind Dritte-Ort-Kulturen, die sich in interkulturellen Alltagssituationen manifestieren und im Wechselspiel mit den Ausgangskulturen ihrer Mitglieder stehen.
Eine Förderung derart verstandener Multikulturalität könnte folgendermaßen geschehen: Durch eine Sprachen-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik, die nicht Einsprachigkeit (oder einsprachige Fremdsprachigkeit) im Sinne eines naiven Verständnisses von Globalisierung propagiert, sondern den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und hermeneutischen Nutzen geistesgeschichtlicher Pluralität erkennt. Die also in Arbeits- und Lebenseinheiten wie etwa der Europäischen Union mehrere Verkehrssprachen fördert, mehrere Arbeitssprachen in die Lehrpläne aufnimmt und auch den Bestand an Regionalsprachen fördert (vergleiche hierzu auch die Vorschläge von Seidlhofer (2001) und die phonologischen Untersuchungen von Jenkins (2000)). Um dafür Ressourcen zu schaffen, könnte sich der Englisch-Fremdsprachenunterricht viel stärker als bisher auf die Vermittlung der Varianten der Lingua Franca Englisch konzentrieren, die ohnehin zunehmend Allgemeingut werden, und den Anteil der lingua culturae Englisch in den Lehrplänen ähnlich gewichten, wie den anderer Verkehrs- oder Regionalsprachen auch. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen und einige Lehrpläne europäischer Länder haben diese Intentionen in Richtung einer Mehrsprachigkeit zwar formell in der einen oder anderen Weise aufgenommen, aber bei der Umsetzung einer gelebten, brauchbaren Mehrsprachigkeit durch die Schulen – zum Beispiel durch eine Mehrsprachendidaktik oder qualitativ hochwertigen Output – fehlt es noch weit.
2.3.5 Zusammenfassung
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergeben sich also die folgenden Schlussfolgerungen:
Eine Lingua Franca kann, zumal im Wissenschaftsbereich, ein effizientes Mittel zur Abbildung einer Fachkultur sein. Diese Fachkultur ist aber tatsächlich eine Kultur, die in der Regel sehr weit (von außen) standardisiert ist und eine Einflussnahme der Ausgangskulturen der Sprecher und Sprecherinnen im Sinne eines Dritten Ortes kaum zulässt.
Sprachvariation. Die Frage nach der Norm ist zu beantworten. Welche Varietät einer Lingua Franca ist eigentlich für welche Zwecke die Normgebende? Welchen Aushandlungsprozessen unterliegt sie, welche lässt sie zu?
Lingua Franca ist im internationalen Gebrauch oft Rudimentärsprache und wird damit wissenschaftlichen Differenzierungsnormen nur bedingt gerecht.
Eine Lingua Franca kann auch eine Gefahr der Verarmung der eigenen Sprache bewirken, wenn die lebensnotwendige Rückkoppelung an die Allgemeinkultur und -sprache (zum Beispiel über die Schulbildung) nicht gegeben ist.
In der Alltagskommunikation bietet die internationale Lingua Franca jedoch enormen Spielraum sowohl für die Schaffung einer gemeinsamen Basis als auch für kulturspezifische Differenzierungen. Sie hat das Potenzial, die innere Mehrsprachigkeit des Menschen (Wandruszka 1979) auf Fremdsprachen auszudehnen und dabei als internationales Register eine Brückenfunktion zu erfüllen.
Wissenschaftsstrukturen drücken sich in verschiedenen Sprachstrukturen (linguistischen Bereichen) aus, die sich oft nur schwer in fremde Sprachen übertragen lassen oder eine Einheitlichkeit vorgeben, die in Wirklichkeit nicht gewährleistet ist. Das spricht für funktionale Mehrsprachigkeit, auch wenn diese nur in partiellen Bereichen erzielt wird. Das spricht auch für kulturspezifische Differenzierungen, im Sinne einer kreativen (nicht nur passiv übernommenen und erzwungenen) global ownership, auch in den stärker normierten Bereichen der wissenschaftlichen Lingua Franca. Hier könnten die dargestellten dynamischen Prinzipien der internationalen allgemeinsprachlichen Lingua Franca Impulse und Vorbilder für die fachsprachliche Kommunikation liefern.
Wissenschaft ohne Versprachlichung ist keine Wissenschaft. Es muss also darauf geachtet werden, dass Wissenschaft auch allen an ihr Beteiligten sprachlich zugänglich ist, bis hin in die Lehre an den Schulen.
Die Variationsvielfalt in der Lingua Franca Englisch und neuere Mehrsprachigkeitskonzepte verlangen nach curricularen Konsequenzen.
2.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle
1 Welche Formen des Englischen gibt es?
2 Welche vier forschungsmethodischen Ansätze werden in der vergleichenden Politikwissenschaft unterschieden?
3 Was versteht man unter den Begriffen lingua culturae und lingua converta?
3 Critical Incidents und Tabus, Vermittlungswege interkultureller Kompetenz
Bei der Vermittlung von fremden Sprachen und Kulturen kann es immer wieder zu schwierigen Situationen kommen, wenn Lehrkräfte und Schülerinnen beziehungsweise Schüler oder auch Schülerinnen und Schüler untereinander unterschiedliche Werte, Ziele, Verhaltensregeln oder Anschauungen haben und diese verhandeln müssen. Neben den je individuellen Differenzen von Menschen, auch innerhalb der gleichen Kultur, beeinflussen in der Regel auch kulturspezifische Präferenzen (Konventionen) bewusst oder unbewusst die Kommunikation. In jeder Gesellschaft gelten schließlich andere Regeln, gibt es andere Vorstellungen von Höflichkeit, von den Geschlechterrollen, von Distanz und Nähe, von dem was gut, schön und richtig oder aber schlecht, schmutzig und verboten ist, und wie man mit differenten Einstellungen umgeht. Solche Unterschiede prallen in der Lehr-Lernsituation oft unvorbereitet und unreflektiert aufeinander und können zu Missverständnissen, zu Ablehnung oder gar zu offenen Konflikten führen, gerade weil die ihnen zugrundeliegenden Praktiken so alltäglich sind und jedem so selbstverständlich erscheinen. Es geht dann nicht so sehr darum, ob die Präpositionen mit Akkusativ gelernt werden müssen, sondern vielleicht um die Frage, wann und mit welchen (Hand-)Zeichen man sich im Unterricht meldet, wie man sich kleidet, welche Themen angesprochen werden dürfen und welche nicht, welche Hygienestandards man pflegt oder wie man widerspricht, korrigiert, lobt oder mahnt. Und es geht auch um (als selbstverständlich angenommene) Tabus, die Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie Lerner – meist ohne es zu bemerken – verletzen können.
Mit solchen Situationen, mit Sensibilisierungen für die Thematik und mit Lösungswegen und Methoden dafür beschäftigen sich die folgenden drei Lerneinheiten. In zwei Lerneinheiten gegliedert finden Sie hier eine Einführung in eine Systematik für den Umgang mit kritischen Situationen: die Behandlung von critical incidents, den sogenannten kritischen Interaktionssituationen. Das entsprechende Verfahren gibt es schon seit 75 Jahren, und es ist in der Didaktik und im Sprachunterricht schon vielfach empfohlen worden. Allerdings verlangt es auch Fingerspitzengefühl, weil niemand frei von Emotionen mit Tabus umgehen kann. Gerade im Unterricht sollten Tabus, ihre Entstehung und ihre Wirkung behandelt werden, man muss dabei aber auch viel Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler oder andere Kursteilnehmerinnen und ‑teilnehmer und sonstige Beteiligte nehmen. Der schwierigste Fall unter allen schwierigen Situationen besteht darin, dass man selber (oder jemand anderes) etwas getan hat, das allgemein als absolut verboten gilt: ein Tabu zu brechen. Auch das passiert aus Versehen immer wieder im Unterricht. Unvermittelt und unbehandelt kann es aber zu einem GAU (im Sinne von ‚Unfall‘) im Unterricht führen: Spannungen erzeugen, Hürden aufbauen, statt sie zu bewältigen, Vertrauen