Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов
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Dass die Kritik an derartigen modischen Übernahmen und pseudo-englischen Kreationen nicht nur in Bezug auf die fehlende Korrektheit, sondern auch in Bezug auf die vermeintliche Wirksamkeit dieser Begriffe berechtigt ist, hat unter anderem eine im Jahre 2005 durchgeführte Befragung deutscher Kunden zu einschlägigen Werbeslogans ergeben, über die die überregionale Presse berichtete. Dabei stellte sich heraus, dass die überwältigende Mehrheit der potenziellen deutschen Kunden englische Werbeslogans, die nach hypothetisierten Attraktivitätskriterien gebildet oder aus dem Englischen entliehen wurden, in Wirklichkeit völlig falsch verstand. So meinte die Mehrheit der Befragten, die Einladung einer deutschen Drogeriekette come in and find out bedeute, die Kunden sollten den Weg hinein und dann wieder aus dem Geschäft herausfinden, ähnlich der in Deutschland populären Labyrinthe in Maisfeldern. Der Slogan einer deutschen Autofirma powered by emotion wurde gar als Kraft durch Freude interpretiert, was technisch gesehen auch gar nicht so falsch wäre, wenn der Begriff nicht historisch so stark belastet wäre, und zwar zur Bezeichnung eines Propaganda-Instruments der Nationalsozialisten (Freizeitwerk im Dritten Reich). In vielen Fällen, bedeutet Lingua Franca möglicherweise eine Veränderung der eigenen Sprache, von der Diversifizierung und Mehrsprachigkeit bis hin zu Reduktion, Ersatz, Verarmung und Fehlverstehen.
2.3.2 Wissensstrukturen – Denkstrukturen – Sprachstrukturen
Spätestens seit Wilhelm von Humboldt sind die kulturelle Bedingtheit von Sprache und die sprachliche Bedingtheit von Kultur Fixpunkte geisteswissenschaftlichen Arbeitens (vergleiche dazu auch die Lerneinheit 1.1 in diesem Band). Häufig wird jedoch verkannt, wie weit diese dialektische Interdependenz reicht. Man kann sie an dem Bereich der Jurisprudenz gut illustrieren. Angesichts der zunehmenden Anzahl internationaler Organisationen und angesichts internationaler Einrichtungen der Rechtsprechung (zum Beispiel der Internationale Gerichtshof in Den Haag) könnte man ja geneigt sein, anzunehmen, dass sich der Bereich des Rechts international gut normieren ließe. Dennoch trifft diese leichtfertige Annahme so nicht zu. Da das Recht eine formalisierte Erfassung von Beziehungen darstellt, Beziehungen der Menschen untereinander, Beziehungen der Menschen zu Sachen und Beziehungen der Menschen zum Staat, ergibt sich ein entsprechend großes individualistisches und kulturspezifisches Potenzial der Rechtsregelung und -auslegung. Demnach lassen sich allein in Westeuropa oder im föderalen Kanada signifikante Unterschiede in der Rechtskonzeption beobachten: auf der einen Seite der auf der römischen Rechtsauffassung basierende Typ der prozessualen Dominanz, wie er sich etwa im Common Law Großbritanniens und Irlands wiederfindet, auf der anderen Seite der Typ subjektiv-rechtlicher Dominanz, wie er im zeitgenössischen deutschen oder französischen Recht realisiert ist. Auf diesen konzeptuellen Grundlagen basiert konsequenterweise das gesamte Denken des Rechts und seine Sprache. Hierzu gehören ebenfalls gänzlich unterschiedliche Auffassungen zur Ausbildung der Juristen. Während die Ausbildung in Systemen des zweiten Typs detailliert geregelt ist, etwa durch die französischen Écoles nationales de la Magistrature oder durch deutsche Ausbildungsverfahren mit Studium, Referendariat und zwei juristischen Staatsprüfungen, fehlt es in Common Law Systemen an einer fachspezifischen Juristenausbildung (Autexier 2000: 120; und weitere Literatur zur Rechtsvergleichung, übrigens auch der deutschsprachigen Varianten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, vergleiche Nussbaumer 1997).
Natürlich bedingen die Unterschiede im Konzeptualisieren der Welt auch unterschiedliche Arbeits- und Forschungsmethoden. So unterscheidet man etwa in der vergleichenden Politikforschung zwischen vier methodischen Hauptströmungen: einem pluralistischen Forschungsansatz, der vor allem auf Ungleichgewichte in der Interessenaggregation und -artikulation abhebt, einem behaviouristischen Ansatz, dessen Interesse den Differenzen im Beteiligungsverhalten der unterschiedlichen politischen Systeme und Subsysteme gilt, einem systemtheoretischen Ansatz, der die funktionale Betrachtungsweise und damit ein systemneutrales Analyseraster eingeführt hat, und einem Korporatismusansatz, der das Entscheidungsverhalten zwischen politischen Akteuren analysiert (Nassmacher 2000: 88f). Die differenzierte Methodik erlaubt somit eine akkuratere Beschreibung von gesellschaftlichen Strukturen, die ja immer von der Weltsicht geprägt sind, statt der Verwendung einer international nivellierten Politik-Matrix. Durch die Koexistenz des Methodenmixes entstehen in der Folge innerhalb der Politikwissenschaft verschiedene Subsprachen, deren Variablen und Ergebnisse jeweils ausführlich begründet werden müssen, wenn sich die verschiedenen Richtungen verstehen sollen. Nicht jedes Forschungsergebnis führt demnach automatisch zu einer allgemein verständlichen und allgemein akzeptierten Aussage. Mit anderen Worten, erst durch die jeweilige Explizierung der Ansätze, ihrer Hintergründe, Verfahren und Ergebnisse könnte man versuchen, eine der Fachsprachen als verbindliche Norm einzuführen.
Was hier unter Rückgriff auf die Politikwissenschaft illustriert wurde, gilt in ähnlicher Weise für jede Wissenschaft. Es gilt auch für die Sprachwissenschaften mit ihren einzelnen Fachsprachen zu Strukturalismus, generativer Grammatik, funktionalen und pragmatischen Ansätzen, Kategorialgrammatik, Textlinguistik und anderen. Dennoch könnte niemand ernsthaft behaupten, die Linguistik allgemein müsse die Sprache eines ihrer Subsysteme zur Lingua Franca der gesamten Sprachwissenschaft erklären.
Zima (2000) fasst die Problematik der Codefindung in den Wissenschaften in dem Einleitungsbeitrag zu dem von ihm herausgegebenen Buch Vergleichende Wissenschaften treffend zusammen:
Vergleichende Konstruktionen sind – wie alle Objektkonstruktionen in den Sozialwissenschaften – kulturell und politisch bedingt, weil jede Kultur, jede Ideologie bestimmte Relevanzkriterien, Klassifikationen und Begriffsbestimmungen begünstigt, andere hingegen ausblendet oder gar tabuisiert. Deshalb erscheint es wichtig, die eigene Objektkonstruktion nicht für neutral oder gar objektiv zu halten, sondern in ihr das eigene kulturell und ideologisch bedingte Erkenntnisinteresse zu erkennen, um dieses mit anderen Erkenntnisinteressen und Konstruktionen dialogisch vergleichen zu können. (Zima 2000: 27)
Die wissenschaftsspezifischen Objektivationen, ihre Verfahren und Ergebnisse schlagen sich nicht nur in begrifflichen, sondern auch in textuellen Strukturen nieder. Damit beschäftigt sich vor allem die vergleichsweise junge Disziplin der kontrastive Textologiekontrastiven Textologie (zu kontrastiv-textologischen Perspektiven in Fachsprachen ausführlich und detailliert in Kapitel 3 im Band »Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen«).
Die Darstellung von Eigenheiten verschiedener Wissenschaftskulturen impliziert nicht, dass eine Übertragung von einer Kultur in eine andere nicht möglich oder wünschenswert wäre. Im Gegenteil, es können sich dadurch – wie ja auch bei lexikalischen Entlehnungen – wesentliche Bereicherungen für eine Kultur ergeben. So hat die deutsche Wissenschaftskultur und -sprache viel aus anderen Kulturen und Sprachen entlehnt und selbst anderen (Wissenschafts-)Kulturen massiv Hilfestellung geleistet, etwa im Bereich der Rechtssprache, der Medizinersprache, der Archäologiesprache und der Chemikersprache, die noch heute als internationale Verkehrssprache gebraucht wird. Fremde Fachsprachen wie etwa die japanische Medizinersprache, die chilenische Rechtssprache oder die ungarische Wissenschaftssprache orientieren sich stark an den Mustern der deutschen Fachsprachen, da sie auf die wissenschaftlichen Grundlagen deutscher Lehre und die Konzepte deutscher Standardwerke (wie etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches) zurückgreifen.
2.3.3 Lingua Franca als Ausdruck des Dritten Ortes
Das Englische ist im Kontext der Lingua-Franca-Diskussion als hegemonistische oder imperialistische Sprache viel kritisiert worden, weil es die Kulturspezifika einer bestimmten Sprachkultur (oder Gruppe von Sprachkulturen) auf eine kulturübergreifende Ebene transportiert, damit die kulturspezifischen