Sittes Welt. Группа авторов
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Die Begegnung mit dem Expressionismus und vor allem mit Picasso (1881–1973), von dem Henning seit November 1950 bis Oktober 1961 immer wieder Grafik zeigte, „führte zu einem Erdrutsch in meinen Kunstvorstellungen, zu einem großen Bruch. Ich versuchte, alles zu vergessen, was ich mir an akademischem Vokabular angeeignet hatte […].“22
Immer wieder betonte Sitte in Interviews, dass er von der Zeichnung herkomme.23 In Halle (Saale) waren z. B. von Pablo Picasso bei Henning ausschließlich Grafiken zu sehen. Seine Gemälde und die von Georges Braque (1882–1963), Fernand Léger (1881–1955) sowie Max Ernst (1891–1976) kannte Sitte nur von schwarz-weißen Reproduktionen in Katalogen, die er sich in der Buchhandlung Herder in West-Berlin besorgt hatte.24 Daher hatte er „keine Ahnung, wie sie farbig aussahen. So kam die sogenannte graue Periode in meinem frühen Werk zustande. […] Ich nahm an, daß die Bilder von Max Ernst und Picasso ziemlich grau sein müßten.
Um so verblüffter war ich – und teilweise enttäuscht – als ich sie dann im Original sah.“25 Die Grau-Malerei war Anfang der 1950er Jahre ein Kennzeichen der Halleschen Schule, so wie Ende der 1950er Jahre die Berliner Schule Schwarz zu ihrer Lieblingsfarbe erkor. Sicher spielte dabei auch der Widerstand gegen den staatlich verordneten Optimismus eine Rolle. „Da ich von dem Umgang mit Farbe keine Ahnung hatte, kam mir die Grau-in-Grau-Malerei, die damals in Halle fast Mode war, sehr entgegen. Mich interessierte vor allem die Lösung formaler Probleme, und so habe ich nur grau-in-grau gemalt, mal mit Ocker und mal ein bißchen Braun, mal wärmer oder kälter, aber doch alles in Grauwerten, wie es die Formalisten in Halle alle machten.“26
Umso überraschender entstand, inmitten der grauen Bilder, eine Reihe von kleinformatigen Bildern in leuchtenden Farben mit tiefschwarzen Konturen, wie Ziegelputzmaschine, Mädchen mit Liegestuhl27 oder die beiden Bilder Gruß zum Weltjugendtreffen S. 237, nach Sittes Begegnung mit den Originalen von Léger-Gemälden in West-Berlin 1950.28 Sie gehörten zu den ersten Ölbildern, die Sitte „mit den neu erworbenen Mitteln malte.”29 Allerdings wirken die wattigen Arme und Beine wie angenähte Fremdkörper im Vergleich zu Légers konstruktiver Präzision und Modellierung der Figuren.
Bei Picasso imponierte Sitte vor allem, dass er auch die akademische Zeichenkunst beherrschte. „Das war für mich eigentlich der Einstieg. Das kann ich doch auch. So habe ich auf dieser Strecke das für mich, mit meinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen, ähnlich nachvollzogen wie Picasso es gemacht hat. Deswegen gibt es eine geistige Verwandtschaft für mich. Ich bin mit ihm eine Strecke gegangen und bin ihm sehr dankbar gewesen.“30 Dazu kam, „daß Picasso 1948 an dem ‚Weltkongreß der Intellektuellen für den Frieden‘ in Breslau teilgenommen hatte und sich als Künstler mit seinem neuartigen Vokabular in die Politik einmischte“ und dass er, zusammen mit Léger, Mitglied der kommunistischen Partei Frankreichs war.31
Lernen von den Malerkollegen und Freunden in Halle (Saale)
Entscheidend für Sitte war aber in diesen frühen Jahren der Einfluss der älteren und jüngeren Maler in Halle (Saale). Auf die Frage, wo er das Malen gelernt habe, antwortete er ohne zu zögern: „Vor allen Dingen von meinen Kollegen Zeitgenossen in Halle und um Halle herum.“32 An anderer Stelle wird er konkreter: „Meine Lehrmeister und Freunde damals, die mich das Malen lehrten, waren Hermann Bachmann, Fritz Rübbert und Kurt Bunge.“33 Tatsächlich griff er ziemlich unvermittelt ab 1949 die Bildsprachen seiner jungen und älteren Malerkollegen in Halle (Saale) auf. Neben dem fast gleichaltrigen Hermann Bachmann (1922–1995), der ein vertrauter Freund wurde, den er später auf seinen Westreisen immer wieder besuchte, spielten Kurt Bunge (1911–1998) und Fritz Rübbert (1915–1975)34 sowie Ulrich Knispel (1911–1978), Jochen Seidel (1924–1971) und der sieben Jahre jüngere Herbert Kitzel (1928–1978) eine wichtige Rolle. Dazu kamen die in der NS-Zeit entlassenen und wieder eingestellten Lehrer Erwin Hahs (1887–1970) und Charles Crodel (1894–1973).35 „Wie viele Nächte habe ich mit den Freunden Bachmann, Rübbert und Seidel durchgemalt! Von ihnen lernte ich eine Menge. Während ich der bessere Zeichner war, hatten sie mir auf dem Gebiet der Malerei viel voraus. Ich begriff, daß Malerei ein eigenständiges Medium ist mit eigener Qualität […].“36 Selbstkritisch räumt er ein: „Meinen eigenen Stil habe ich natürlich erst nach und nach gefunden.“37
In den Katalogen Verfemte Formalisten. Kunst aus Halle (Saale)38 und Im Spannungsfeld der Moderne. Zehn Maler aus Halle39 werden die verblüffenden Parallelen zwischen den Themen und der Bildsprache der genannten Maler zu Sittes Bildern in diesem Zeitraum deutlich, 2021 parallel zur Sitte-Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zu erleben in der Ausstellung und dem Katalog Grenzerfahrungen. Hommage zum Hundertsten in der Kunsthalle “Talstrasse“ in Halle (Saale). Sittes von Paul Klee (1879–1940) und Yves Tanguy (1900–1955) beeinflusste Strandspielerei und Formen auf fünf Ebenen (beide 1949, S. 228, 227) finden ein Echo in Ulrich Knispels Strand (1950,
Übereinstimmend sind in den Gemälden der locker verbundenen Künstlergruppierung die stark reduzierte Farbigkeit und die düstere, aggressive Stimmung. Mit dem Bild Mörder von Koje S. 269 reagierte Sitte auf die Erschießung nordkoreanischer Gefangener durch die amerikanische Armee.40 Sittes an Seilen hängende Marionetten Die Fremden (1951,