Sittes Welt. Группа авторов
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Insbesondere die Hängung im Hauptteil, einer Rotunde, empörte Künstler, Fachwelt und Feuilleton: Sie erfolgte in „Petersburger Hängung“ ohne Kennzeichnung der Sammlungstypen und ohne erkennbares Gestaltungsprinzip. Schlecht beleuchtet, vor dunkle Baustellenplanen gehängt, boten die Werke ein jammervolles Bild.
Es war kein Wunder, dass sich die Ausstellung sofort nach Beginn einer heftigen Kritik ausgesetzt sah, deren inhaltlicher Schwerpunkt vor allem die als Herabwürdigung empfundene Ausstellungsinszenierung war, die als Produkt einer „infamen Regie“ oder als Ausdruck einer offenkundigen Konzeptlosigkeit wahrgenommen wurde. Neben spektakulären Abhängeaktionen durch einzelne Künstler kam es zu Offenen Briefen von Künstlern, Leihgebern und verschiedenen Institutionen sowie am 23. Juni 1999 zu einer Protestaktion der PDS in Anwesenheit der Parteispitze und Willi Sittes. Rolf Bothe (* 1939), Direktor der Kunstsammlungen zu Weimar, ordnete daraufhin eine „Überarbeitung“ der Hängung an, welche die zuweilen vierreihige Hängung durch eine maximal zweireihige ersetzte. Der Skandal führte zu einer vorzeitigen Schließung der eigentlich bis zum 9. November 1999 geplanten Ausstellung bereits am 26. September 1999.17 Der sich in der Weimarer Ausstellung ausdrückende Totalitarismus-Verdacht, welcher aus den strukturellen Gemeinsamkeiten beider deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert eine tendenzielle Gleichsetzung beider Regime abzuleiten versuchte, blieb kein Einzelfall: Noch 2009 ließ der einflussreiche Kurator der im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigten Ausstellung 60 Jahre, 60 Werke, Siegfried Gohr (* 1949), Sympathie für solch eine inkriminierende Einordnung erkennen, indem er seinem inneren Wunsch öffentlich Ausdruck verlieh, dass die „DDR-Kunst“ wie „ein hässlicher Regentropfen der Geschichte rasch verdunsten“18 solle.
Nimmt man alles in allem, dann lautet die bündelnde These gegenüber den ostdeutschen Künstlern, sie seien aus der Zeit gefallen und hätten somit ihre kreativen Energien anstatt auf dem Terrain der Nachkriegsavantgarden in einer Sackgasse des rückwärtsgewandten Historismus vergeudet. In dieser oft verdeckt geäußerten, aber weit verbreiteten Einschätzung wird zugleich deutlich, dass bei der Rückschau auf das Ensemble der Künste in der DDR kurioserweise nur den bildenden Künstlern der Schwarze Peter zugeschoben wird. Was für Literatur, Musik, Theater und Tanz keinesfalls bestritten wird, dass es sich nämlich bei avancierten Kunstwerken um einen Neben- oder Sonderweg der zeitgenössischen Moderne handelt, die sich parallel zur Westkunst positionieren konnte, unterliegt im Bereich der bildenden Kunst bis heute oftmals einem Denkverbot. Seit dem Mauerfall sahen sich Künstler in der Folge mit Einschätzungen konfrontiert, die zumeist unwidersprochen behaupten konnten, dass im Bereich der bildenden Künste in der DDR generell keine „autonome“ und „freie“ Kunst möglich gewesen sei.
Völlig unverständlich erscheint diese Ungleichbehandlung, wenn man als Parallelvorgang auf der einen Seite die mittlerweile fast schon euphorische Akzeptanz einer architektonischen „Ost-Moderne“19 in einer breiten Öffentlichkeit registriert und auf der anderen Seite die weiterhin praktizierte Abwertung der ostdeutschen Bildkunst betrachtet. Im Fall mancher Außen-Wandbilder, die in zentralen Stadtlagen von ostdeutschen Künstlern geschaffen und inzwischen mit Staats- und Stiftungsgeldern auf honorige Weise restauriert wurden, entsteht dabei die paradoxe Situation, dass deren Rettung vor dem Verfall nicht mit dem künstlerischen Eigenwert, sondern durch deren Verbindung mit dem Baukörper begründet wird. Als ein exemplarisches Beispiel dafür ist der Fall des zwischen 1969 und 1974 von Willi Neubert (1920–2011) geschaffene Emaillefrieses Die Presse als Organisator unweit des Alexanderplatzes am Gebäude des Berliner Verlags zu nennen. Neuberts Wandbild wurde Anfang der 1990er Jahre, ohne größere mediale Erregung zu entfachen, mit einer trivialen Steakhouse-Werbung auf Holzpaneelen überplankt, bis es 2021, im Zuge der Generalsanierung des Gesamtgebäudes durch das Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner, restauriert und wieder sichtbar gemacht wurde. Wenn ein heute der „Ost-Moderne“ zugeordneter Baukörper in den 1990er Jahren Investorenplänen oder dem „Abbau Ost“ zu weichen hatte, dann konnte das im besten Fall „überlebende“ Kunstwerk keineswegs auf die Akzeptanz der Kunstrichter hoffen. So erging es zum Beispiel Willi Sittes 1977 fertiggestelltem Wandbild Kampf und Sieg der Arbeiterklasse in Suhl. Es lagert seit der 1992 erfolgten Demontage vom ehemaligen Gaststättenkomplex „Stadt Kaluga“ an der Stadthalle – klimatisch ungeschützt, verpackt in über hundert Munitionskisten
Der Bilderstreit beschränkte sich aber keinesfalls nur auf eine konfliktsteigernde Moderne-Evaluierung der aus der DDR stammenden Kunstwerke. Noch stärker wirkten in ihm Urteilsbildungen, welche die politische Dimension der „künstlerischen Hinterlassenschaften“ als Zielpunkt nahmen. Die enorme Bedeutung der Parteien und politischen Massenorganisationen als Auftraggeber von Kunst – die in einem Land ohne tragfähigen Kunstmarkt ein notwendiges Äquivalent darstellten20 – trat dabei in den Vordergrund, etwa in der Ausstellung Auftrag: Kunst 1995 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Und in zahlreichen Studien kam es zur Kristallisierung eines oftmals von den Zwischenständen der Zeit- und Politikgeschichte inspirierten Kanons der offiziellen „DDR-Kunst“. Diese wurde von einer kulturliberaleren „Kunst in der DDR“ unterschieden. Sie fand ihre Hauptvertreter bei Walter Womacka (1925–2010), Gerhard Bondzin (1930–2014) oder Willi Sitte (vorrangig mit seinem Werk ab Mitte der 1970er Jahre). Wegen der generell oder auch nur phasenweise nachweisbaren Integration einer propagandistischen Emblematik in den Werken dieser Maler, wurde diese kurzschlüssig zum Markenzeichen der „DDR-Kunst“ erklärt – das führte zur Verdammung dieser Kunst in die Depots
Willi Sitte und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg
Es blieb aber nicht beim sezierenden Blick auf Werke und Personalstile. Der Bilderstreit beleuchtete ebenso die persönlichen Haltungsmodelle und Lebensformen der Künstler – Umstände, die anderswo kaum an die Öffentlichkeit gelangen. Hier waren es vor allem die Haltung zur SED und die Frage nach einer möglichen Kollaboration mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die im Fokus des Interesses standen. In vielen DDR-Städten kursierten in den Kunstszenen privat erstellte Listen Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Das dadurch nun sichtbare Maß von Denunziation führte anfangs zu eruptiven Täter-Opfer-Konstellationen, auch zu Fehlverdächtigungen, bis in den 2000er Jahren eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten entstand, die sich in abschließender Gründlichkeit, leider aber oft monokausal diesem Thema zuwandten.21 Einen angemessenen Weg beschritt dabei der hallesche Kunsthistoriker und Wegbegleiter Willi Sittes, Wolfgang Hütt (1925–2019), der in jahrelanger Hinwendung zum überlieferten Aktenmaterial des MfS die Verstrickungen von Kunst und Macht im Bezirk Halle (Saale) akribisch untersuchte.22 Die erhobenen Tatbestände wurden einerseits als Belege für eine erwiesene „Staatsnähe“ oder „Staatsferne“ der Künstler genommen, andererseits beeinflussten diese Diskussionen die künstlerische Wertschätzung und veränderte das Wissen um privates Geschehen den Blick