Sittes Welt. Группа авторов
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Im Konflikt um eine seit Mitte der 1990er Jahre im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg vorbereitete, dann vom Museum verschobene und schließlich durch den Künstler abgesagte Ausstellung stand vor allem die Karriere des „Staatskünstlers“ Willi Sitte im Vordergrund. Wie bereits in der heftigen Debatte um die Einbeziehung von Bernhard Heisig in die künstlerische Gestaltung des Reichstagsgebäudes 1997/9823 ging es dabei um die Frage, wie das Agieren der Großkünstler in der DDR – insbesondere ihr enges Verhältnis zur SED sowie die aktive Übernahme politischer Ämter und Funktionen – hinsichtlich ihrer Akzeptanz im öffentlichen Kunstbetrieb des wiedervereinigten Deutschlands zu bewerten sei. In exemplarischer (und in einer für den gesamten deutsch-deutschen Bilderstreit wohl auch einzigartigen) Schärfe wurde dabei die Biografie Willi Sittes zum Gegenstand einer mitunter hitzig geführten Auseinandersetzung über die Verstrickung des Künstlers in die Machtstrukturen des untergegangenen Staats.24
Vordergründig ging es bei dem Streit um Willi Sitte um eine vom Oberkonservator Claus Pese (* 1947) im renommierten Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums vorbereitete Willi-Sitte-Ausstellung. Diese sollte in der Reihe „Werke und Dokumente“ gezeigt werden. Ihr Zustandekommen war Vertragsgegenstand bei der Überlassung des archivarischen Vorlasses des Künstlers, des Fonds Willi Sitte (der heute seinen schriftlichen Nachlass bildet), an das Archiv des Hauses gewesen und dem Künstler für das Jahr seines 80. Geburtstags, 2001, formlos zugesagt worden. Der Verwaltungsrat des Museums verschob jedoch das Projekt und mahnte zunächst eine Klärung der gegen Willi Sitte in verschiedenen Publikationen erhobenen Vorwürfe an. Angesichts dieser Entscheidung sagte der brüskierte Künstler eine Ausstellung mit seinen Werken endgültig ab. Im Juni 2001 fand schließlich die vom Verwaltungsrat angeregte Tagung zur Person des Künstlers und Funktionärs statt. Das Symposium selbst konnte in sachlicher Atmosphäre durch die Analyse des Einzelfalls sowie die Kontextualisierung der Handlungsspielräume des Künstlerfunktionärs zur Erhellung der Rolle von Willi Sitte beitragen.25 Im Anschluss sorgte 2003 die Tagung „Bilderstreit“ auf Schloss Neuhardenberg für eine erste Entschärfung des Konfliktes.26
Der eingangs erwähnte Dresdner Bilderstreit 2017/18 kann gewissermaßen als das Satyrspiel in der langlebigen Tragödie des Umgangs mit der ostdeutschen Kunst verstanden werden. Hier wurde verdeutlicht, dass der seit der Wiedervereinigung schwelende Bilderstreit um die Akzeptanz jener Kunst aus dem Osten im wiedervereinigten Deutschland eben nicht nur Schmähungen und bittere Kränkungen erzeugt hatte; in seinem Prozess war es ebenso zu einer unter Schmerzen erlangten Diagnose gekommen, nämlich der, dass jene beiden oft als verfeindet und unvereinbar dargestellten deutschen Kunstentwicklungen in Ost und West integrative Teile einer gemeinsamen, noch zu entwerfenden Kunstgeschichte sind. Es wird aber viel davon abhängen, ob die überfällige Neubewertung der ostdeutschen Kunst im Prozess eines notwendigen Dialogs auf Augenhöhe unter dem Label eines untergegangenen Staats oder aus der Perspektive auf eine produktive Kunstlandschaft erfolgt.27
1 — Gerhard Charles Rump: Arbeiterhelden am Maschendrahtzaun, in: Die Welt, 11.01.2000.
2 — Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale): Wege der Moderne. Kunst in der SBZ/DDR, Faltblatt zur Sammlungspräsentation, Halle (Saale) 2021.
3 — Zit. n. Dorit Litt: Im Sog der Moderne. Hallesche Malerei zwischen 1945 und 1949, in: Im Spannungsfeld der Moderne. Zehn Maler aus Halle, hrsg. v. Dorit Litt und Katja Schneider, Ausst.-Kat. Stiftung Moritzburg, Halle (Saale) 2004, S. 15–23, hier S. 15.
4 — Pointierte Beispiele dafür finden sich im Beitrag des Verfassers in dieser Publikation S. 129 sowie von Thomas Bauer-Friedrich S. 481.
5 — Vgl. Siegfried Gohr: Die DDR-Kunst war nur ein Nebenkriegsschauplatz. Gegenrede an die Kritiker der Berliner Ausstellung „60 Jahre, 60 Werke“, in: Die Welt, 02.06.2009.
6 — Werkstattgespräch mit Georg Baselitz, geführt von Axel Hecht und Alfred Welti, in: art. Das Kunstmagazin 12 (1990) H. 6, S. 54–72.
7 — Die Bestandspräsentation fand unter dem Titel Ostdeutsche Malerei und Skulptur vom 15.06.2018 bis 06.01.2019 im Dresdner Albertinum statt. Vgl. zur Einordnung Paul Kaiser: Tunnelblick aus der Sackgasse. Nach dem Dresdner Bilderstreit ändert das Albertinum seinen Kurs im Umgang mit Kunst aus der DDR. Ein Rundgang, in: Sächsische Zeitung, 16./17.06.2018.
8 — Ebd.
9 — Karl-Siegbert Rehberg/Paul Kaiser (Hrsg.): Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch. Die Debatten um die Kunst aus der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung, Kassel/Berlin 2013, S. 17.
10 — Anja Tack: Riss im Bild. Kunst und Künstler aus der DDR und die deutsche Vereinigung, Göttingen 2021, S. 375.
11 — Beispielhaft dafür war die vom Dresdner Institut für Kulturstudien vom 03. bis 05.04.2019 in Dresden veranstaltete Tagung „Kolonie Ost? Aspekte von ‚Kolonialisierung‘ in Ostdeutschland seit 1990“.
12 — Hier sind vor allem die Aktivitäten von Prof. Dr. Sigrid Hofer (Philipps-Universität Marburg) und Prof. Dr. Frank Zöllner (Universität Leipzig) zu nennen.
13 — Eine der wenigen Ausnahmen war das vom BMBF finanzierte Verbundvorhaben „Bildatlas: Kunst in der DDR“ (2009–12), an dem die Technische Universität Dresden, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Kunstarchiv Beeskow sowie das Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam beteiligt waren (vgl. auch die Webdomain www.bildatlas-ddr-kunst.de).
14 — So verwaltet die 1990 neu gegründete Leuna-Werke GmbH 650 Kunstwerke, die sich seit 1998 im Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt befinden, und die Wismut GmbH in Chemnitz übernahm aus dem Bestand der einstigen SDAG Wismut 4 200 Kunstwerke.
15 — Wolfgang Engler: Die ostdeutsche Moderne. Aufbruch und Abbruch eines partizipatorischen Gesellschaftsprojektes, in: Karl-Siegbert Rehberg/Wolfgang Holler/Paul Kaiser (Hrsg.): Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen, Ausst.-Kat. Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2012, S. 29–40, hier S. 37.