Gesammelte Werke. Sinclair Lewis

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Sinclair Lewis страница 32

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke - Sinclair Lewis

Скачать книгу

      Freilich. Wahrscheinlich war's ekelhaft und dumm. Aber ich hab' mir gedacht, es soll doch wenigstens einen Mann in der Stadt geben, der unabhängig genug ist, den Bankier aufzuziehen!«

      Er kroch aus seinem Stuhl heraus, kochte Kaffee, gab Carola eine Tasse und sprach weiter, in halb trotzigem und halb entschuldigendem Ton, teils voll Sehnsucht nach Freundlichkeit, und teils belustigt von ihrer Überraschung, daß sie da einen Proletarierphilosophen entdeckt hatte. An der Tür fragte sie noch: »Herr Bjornstam, wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie sich drüber ärgern, daß die Leute Sie für affektiert halten?«

      »Was? 'nen Tritt ins Gesicht! Hören Sie, wenn ich 'ne Möwe wär', und ganz aus Silber, glauben Sie, ich würd' mich drum scheren, was 'n Haufen dreckiger Seehunde über mein Fliegen denkt?«

      Nicht der Wind in ihrem Rücken, die Kraft von Bjornstams Verachtung war es, die sie durch die Stadt trug. Sie sah Juanita Haydock ins Gesicht, warf bei Maud Dyers kurz genicktem Gruß den Kopf zurück und kam strahlend zu Bea nach Hause. Sie rief Vida Sherwin an und bat sie, »heute abend zu ihr zu schauen«. In glänzender Laune spielte sie Tschaikowsky – die machtvollen Akkorde waren ein Echo des roten lachenden Philosophen in der Dachpapphütte.

      (Als sie Vida nebenbei fragte: »Ist nicht ein Mann hier, der sich damit amüsiert, den Stadtgöttern keine Ehrfurcht zu bezeugen, Bjornstam, oder so irgendwie heißt er?« erwiderte die Reformführerin: »Bjornstam? Ach ja. Der repariert alles mögliche. Das ist ein schrecklich impertinenter Kerl.«)

      Um Mitternacht kam Kennicott zurück. Am nächsten Morgen sagte er beim Frühstück viermal, daß sie ihm alle Augenblicke gefehlt hätte.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      Sie war oft zu den wöchentlichen Zusammenkünften des Frauenstudierklubs Thanatopsis eingeladen worden, hatte es aber immer verschoben, hinzugehen. Vida Sherwin hatte immer wieder gesagt: »Der Thanatopsis ist eine so gemütliche Gesellschaft, und doch bringt er einen in Berührung mit allen intellektuellen Gedanken, die es gibt.«

      An einem der ersten Märztage kam Frau Westlake, die Frau des alten Arztes, wie ein liebenswürdiges altes Kätzchen zu Carola ins Zimmer und meinte: »Meine Liebe, heute nachmittag müssen Sie wirklich in den Thanatopsis kommen. Frau Dawson hat den Vorsitz, und die arme Haut ist in Todesangst. Sie wollte durchaus, daß ich Sie überrede, hinzukommen. Sie sagt, sie ist überzeugt davon, daß Sie uns allen mit Ihrer Bücherkenntnis recht viel zu sagen haben. Englische Poesie ist heute unser Thema. Also vorwärts! Ziehen Sie Ihren Mantel an!«

      »Englische Poesie? Wirklich? Ich würde gern kommen. Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie Gedichte lesen.«

      »Oh, wir sind nicht so dumm!«

      Frau Luke Dawson, die Frau des reichsten Mannes in der Stadt, starrte sie erbärmlich an, als sie zu ihr kamen. Ihr teures biberfarbenes Satinkleid mit dem Behang prächtiger brauner Perlen schien für eine zweimal so starke Frau gearbeitet zu sein. Sie stand händeringend vor neunzehn Klappstühlen in ihrem Vordersalon mit der verblaßten, aus dem Jahre 1890 stammenden Photographie der Minnehaha-Fälle, mit der »kolorierten Vergrößerung« von Herrn Dawson und der zwiebelförmigen Lampe, die mit sepiabraunen Kühen und Bergen bemalt war und auf einer marmornen Grabsäule stand.

      Sie krächzte: »O Frau Kennicott, ich sitz' ja so in der Tinte. Ich soll den Vorsitz in der Diskussion haben, und ich hab' mir immer den Kopf zerbrochen, ob Sie kommen und mir helfen werden?«

      »Welchen Dichter nehmen Sie heute durch?« fragte Carola in ihrem Bibliothekston, in dem sie früher gefragt hatte: »Welches Buch wollen Sie haben?«

      »Nanu, die englischen.«

      »Doch nicht alle?«

      »Wieso, ja. Wir lernen in diesem Jahr die ganze europäische Literatur. Der Klub ist auf ein so nettes Magazin abonniert, ›Bildung in tausend Worten‹, und wir halten uns an die Programme, die darin aufgestellt werden. Im vorigen Jahr war unser Thema ›Biblische Männer und Frauen‹, und im nächsten Jahr werden wir wahrscheinlich ›lnnendekoration und Porzellan‹ durchnehmen. Ja, ja, es gibt schon allerhand Arbeit, wenn man sich mit diesen ganzen neuen Bildungssachen auf dem Laufenden halten will. Aber es ist so veredelnd. Also, Sie wollen mir heute bei der Diskussion helfen?«

      Auf dem Weg hatte Carola beschlossen, den Thanatopsisklub zum Werkzeug zu machen, mit dem sie die Stadt liberalisieren würde. Sie hatte sich sofort in eine ungeheure Begeisterung gestürzt; sie hatte gejubelt: »Das sind die richtigen Leute. Wenn die Hausfrauen, die die ganze Last zu tragen haben, sich für Lyrik interessieren, dann hat das etwas zu bedeuten. Ich werde mit ihnen arbeiten – für sie – alles!«

      Ihre Begeisterung war schon sehr klein geworden, noch bevor dreizehn Frauen sich entschlossen ihrer Überschuhe entledigten, sich wuchtig niedersetzten, Pfefferminztabletten aßen, sich die Hände rieben, die Hände falteten, ihre armseligen Gedanken versammelten und die nackte Muse der Dichtkunst aufforderten, ihnen ihre höchst veredelnde Botschaft zu überbringen. Sie hatten Carola zärtlich begrüßt, und sie versuchte, töchterlich zu ihnen zu sein. Doch sie fühlte sich unsicher. Ihr Stuhl stand ganz frei, allen Blicken ausgesetzt; es war ein harter, wackliger, unsicherer Blechstuhl, bei dem man darauf gefaßt sein mußte, daß er ohne jede vorhergehende Warnung plötzlich in aller Öffentlichkeit zusammenbrach. Es war unmöglich, anders auf ihm zu sitzen, als mit verschränkten Händen und ergeben lauschend.

      Am liebsten hätte sie den Stuhl umgeworfen und wäre davongelaufen. Das hätte einen großartigen Lärm gemacht.

      Sie sah, daß Vida Sherwin sie beobachtete. Sie packte sich am Handgelenk, wie ein unruhiges Kind in der Kirche, und als sie ihre Sicherheit wieder hatte und sittsam war, hörte sie zu.

      Frau Dawson eröffnete die Versammlung, indem sie seufzte: »Ich freue mich sehr, daß ich Sie alle heute hier sehe, und man hat mir gesagt, daß die Damen eine Anzahl sehr interessanter Vorträge vorbereitet haben, das ist ein so interessanter Gegenstand, die Dichter, sie haben zu höheren Gedanken inspiriert, ja, hat nicht Reverend Benlick gesagt, daß einige von den Dichtern uns ebenso inspiriert haben wie eine große Anzahl der Geistlichen, und wir werden also mit Vergnügen hören –«

      Die arme Dame lächelte wie unter Nervenschmerzen, keuchte vor Angst, tappte auf dem Eichentischchen herum, um ihr Augenglas zu suchen, und fuhr fort: »Zunächst werden wir das Vergnügen haben, Frau Jenson über ›Shakespeare und Milton‹ zu hören.«

      Frau Ole Jenson sagte, Shakespeare sei 1564 geboren und 1616 gestorben. Er habe in London, England, und in Stratford-on-Avon gelebt, einem lieblichen Städtchen mit vielen Kuriositäten und sehenswerten alten Häusern, das viele amerikanische Touristen gerne besuchen. Viele Leute seien der Ansicht, Shakespeare sei der größte Theaterschriftsteller, der gelebt habe, und auch ein ausgezeichneter Dichter. Von seinem Leben sei nicht viel bekannt, aber schließlich mache das nicht sehr viel, weil man seine zahlreichen Stücke gern lese, deren bekannteste sie jetzt besprechen werde.

      Das am besten bekannte seiner Stücke sei wohl »Der Kaufmann von Venedig«, der eine schöne Liebesgeschichte und eine prächtige Würdigung des weiblichen Verstandes enthalte, die ein Frauenklub, auch wenn er sich nicht der Frauenrechtfrage widme, würdigen solle. (Lachen.) Frau Jenson war überzeugt, sie für ihre Person

Скачать книгу