Das Wunder der Heilung. Patric Pedrazzoli

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Das Wunder der Heilung - Patric Pedrazzoli

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so auf diese Reise gefreut hatte, erklärte mein Bruder Marco, er käme mit, wenn ich das möchte. Da ich das erste Mal geplant hatte, längere Zeit ins Ausland zu gehen und Angst hatte, allein diese Reise anzutreten, nahm ich sein Angebot gern an. Langsam aber spürte ich immer stärker, nachdem wir bereits unsere Impfungen gemacht hatten und nun die Flüge buchen wollten, dass mein Bruder nur wegen mir mitkommen würde, aber eigentlich überhaupt kein Interesse an Goa, geschweige denn an Indien hatte.

      Da nahm ich all meinen Mut zusammen und meinte: »Marco, ich danke dir für deine große Hilfe, aber bitte bleibe hier. Wenn ich allein nicht klarkomme in Indien, kannst du ja sofort nachkommen und mit mir reisen.« Er zögerte ein wenig und fand schließlich, dass diese Idee eine gute Lösung für uns beide wäre. Indien rief mich zu sich, ich kann das nicht beschreiben, doch es wurde immer lauter in mir.

      Fünf Dinge wollte ich auf dieser Reise finden und umsetzen. Erstens, ich wollte mich finden. Mein Vater meinte zwar: »Was willst du finden, du stehst doch vor mir?« Ich jedoch fühlte mich schon lange nicht mehr als das, was ich vorgab zu sein. Zweitens wollte ich bei einem indischen Guru, einem Heiler, einem Meister, eine Medizin finden für alle Krankheiten. Meine Großmutter war ein Museum an Krankheiten und musste jeden Tag viele verschiedene Medikamente nehmen (eines für Diabetes, eines gegen Rheuma, eines für den Magen, weil sie die Medikamente nicht so vertragen hat, eines zur Blutverdünnung usw.). Ich wollte ihr einfach helfen, wieder gesund zu werden. Drittens wollte ich Vegetarier werden, denn kurz vor meiner Abreise sah ich zwei, drei Dokumentationen über die katastrophalen Tiertransporte und die setzten mir arg zu. Ich war damals noch ein Fleischkannibale, ein Essen ohne Fleisch war für mich kein Essen. So konnte ich zum Beispiel schon um sieben Uhr morgens zu McDonalds gehen und einen Hamburger essen, das war für mich kein Problem. Ich dachte damals noch, wenn man kein Fleisch isst, wird man verhungern. Viertens wollte ich mich versöhnen mit all meinen schlechten Taten und Handlungen, und zwar sowohl mit denen, die ich je begangen hatte, als auch mit denen, die mir angetan worden waren. (Es klingt schlimmer als es war, jedoch ist es etwas sehr Wirkungsvolles.)

      Die Erzählungen meines Flugnachbarn über diesen Meister in Indien klangen noch lange in mir nach. Schon in meiner Kindheit im Religionsunterricht haben mich alle Geschichten mit und über Jesus, vor allem die Heilungen – Blinde sehend gemacht, gelähmte Leute zum Laufen gebracht und Tote erweckt – sehr fasziniert. Aber auch die Auferstehung und die Geschichten, bei denen er übers Wasser lief, Fische, Brot und sonstige Dinge materialisiert hat, sowie Geschichten über die Propheten und Engel haben mich sehr berührt, obwohl ich nicht religiös aufgewachsen bin und wir auch nicht zur Kirche gingen oder sonst etwas mit der Bibel zu tun hatten.

      Kaum in Bombay gelandet, flog ich gleich weiter nach Goa und nahm dort mit einem Pärchen aus Frankreich ein Taxi zu meinem Hotel. Dort angekommen, wusste ich nichts mit mir anzufangen. Da ich damals kaum Englisch sprach, konnte ich auch nicht so einfach Kontakt zu anderen Touristen knüpfen. Also ging ich ins Bett und schlief bald ein. In der Nacht erwachte ich und stellte plötzlich für mich fest, dass ich allein in Goa/​Indien war. Bei dem Gedanken stiegen massive Ängste in mir hoch wie noch selten in meinem Leben. Was mache ich hier, was will ich hier, wem muss ich etwas beweisen? Ich hatte solche Ängste, dass ich beschloss, gleich am nächsten Morgen ein Taxi zum Flughafen zu nehmen, um von dort zurück in die Schweiz zu Mami und Papi zu fliegen, zurück in mein geborgenes Zuhause.

      Am nächsten Morgen beim Frühstücken, es war ein sehr schöner strahlender Morgen, saß neben mir ein Slowake mit Namen Roland, der zu meinem Glück Deutsch sprach. Er erzählte mir sogleich, wie hier alles so läuft, was wie wo ist, und nahm mich auch gleich mit auf seinem Motorrad, einer Enfield, und zeigte mir ein wenig Goa. So verlor ich meine Angst und gewann einen guten Freund. Danke, Roland, an dieser Stelle, dank dir bin ich nicht gleich wieder nach Hause gereist.

      In den nächsten fünf Wochen in Goa feierte ich ausgiebig meine bestandene Lehrabschlussprüfung. Während der ganzen Zeit dort hörte ich immer wieder sehr viele Leute über die Kumbh Mela reden, dem größten spirituellen Festival der Welt, das unmittelbar im Norden Indiens, in Haridwar (dem Tor zum Himmel), demnächst beginnen würde. Ich dachte mir, da fahren so viele hin, dann mache ich das doch auch. Doch ich fuhr nicht wegen dem Spirituellen dorthin, sondern weil bei den Zeremonien auch oft Gras konsumiert werden konnte. Damals hatte ich noch eher Angst vor allem Spirituellen und den Esoterikern. Obendrein hatten mich viele Leute vor meiner Indienreise gewarnt vor den dortigen Sekten, den Ashrams (klosterähnliche Institutionen, in denen oft ein Guru oder Meister lebt und dort seine Schüler unterrichtet), vor dem Meditieren und vor dem Yoga, das sei alles spiritueller Humbug. Ich kannte ja nur die üblichen Räubergeschichten über die Hare Krishnas, die Jugendliche verschleppen sollten (was eher Geschichten sind, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben, wie ich später herausfand).

      Nun gut, ich reiste mit dem Flugzeug weiter in den Norden, nach Delhi und danach mit dem Zug nach Haridwar und Rishikesh, an den Fuß des Himalayas.

      In Rishikesh angekommen, schaute ich sofort nach einer Unterkunft. Leider war das Swiss Cottage schon ausgebucht, das wäre eine gute Adresse als Übernachtungsmöglichkeit gewesen. Ich suchte noch ein wenig weiter, jedoch war wegen der Kumbh Mela überall alles ausgebucht. Zur Kumbh Mela kamen in diesem Jahr (1998) etwa 25 bis 35 Millionen Pilger, verteilt auf circa drei Monate, aus allen Ländern dieser Welt sowie aus verschiedenen Kulturen und Religionen nach Haridwar, um während eines Bades an gewissen, astrologisch bestimmten Tagen im Heiligen Fluss Ganges die Seelen reinzuwaschen.

      Ich entschloss mich daher, die nächsten Tage auf dem Dach des Swiss Cottage zu übernachten, bis ein Zimmer frei würde. Dort traf ich einen Spanier, der mir erzählte, dass er nicht weit weg seinen Schlafplatz hätte, in einem kleinen Ashram, und dort wäre noch ein Zimmer frei. Meine Alarmglocke bimmelte und ich dachte, dort haust bestimmt eine Sekte. Nun gut, auf dem Dach zu übernachten, bei einer Wetterlage, die nach Regen aussah, schien mir auch nicht gerade rosig zu sein. Der Spanier schien sehr freundlich und liebenswürdig, daher sagte ich ihm, dass ich mir gern das freie Zimmer bei ihm im Ashram unverbindlich anschauen möchte.

      Vor dem Tor des kleinen Ashrams spürte ich in und um mich herum eine gewaltige Energie, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Eigenartig, dachte ich. Am Tor begrüßte mich freundlich ein kleiner Mann, er war der Hüter des Ashrams. Er gefiel mir auf Anhieb, er war mir sehr sympathisch und hatte ein schelmisches Lachen. Ja, er kam mir vor wie Yoda (er sah auch wirklich ein wenig so aus), der Jedi-Meister aus den Filmen Krieg der Sterne. Als ich diese Filme zum ersten Mal sah, wollte ich immer so einen Meister haben wie Yoda, den Meister von Luke. Der lehrte ihn die Kontrolle der Energie der Macht zu benutzen, z. B. um mit den Gedanken große Felsen vom Boden zu heben. Da ich den Namen des Ashram-Hüters nicht aussprechen konnte, sagte ich einfach Yogi zu ihm. Er zeigte mir das letzte freie Zimmer im Ashram, zufälligerweise war es ein Zimmer, das man nur durch den Yogaraum erreichen konnte. Als er mir dann sagte, dass das Zimmer ungefähr 50 Rappen pro Nacht kostete, sagte ich sofort zu, na, das war ja wohl ein Schnäppchen. Da ich immer noch etwas Angst vor dem ganzen Sektenzeugs hatte, nahm ich mir vor, dort nur zu schlafen und tagsüber mit den Leuten im Swiss Cottage herumzuhängen. Daher verließ ich in den ersten Tagen jeden Morgen, nachdem die Gruppe mit dem Yoga fertig war, mein Zimmer, ich wollte sie ja nicht stören und wusste eigentlich auch nicht, was die Sektenbrüder da im Yogaraum machten.

      Tagsüber bis spät in die Nacht war ich dann bei den Leuten im Swiss Cottage. Dort wohnte ein Schweizer mit Namen Pati und ein Deutscher, dem ich den Namen Hanuman gab. Wir kochten oft zusammen indisches Essen, aßen gemeinsam und philosophierten den ganzen Tag über Gott und die Welt. Abends saßen wir bis spät in die Nacht hinein am Lagerfeuer und philosophierten weiter. Irgendetwas in diesen Gesprächen muss mich geweckt haben. Plötzlich euphorisch geworden, nahm ich alles auf wie ein völlig ausgetrockneter Schwamm. Immer tiefer gingen unsere Gespräche, immer mehr Themen kamen auf. Was ist der Sinn des Lebens? Was machen wir hier? Was kommt nach dem Tod? Und so weiter und so fort.

      Eines

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