Das Wunder der Heilung. Patric Pedrazzoli
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Am nächsten Morgen war es ziemlich neblig und noch sehr kalt, obwohl wir bereits April hatten. Die Wege hinauf in den Himalaya waren erst vor einigen Tagen wieder begehbar geworden. Pati und ich waren die Einzigen, die die Wanderung hinauf zur Quelle in Angriff nahmen, die anderen blieben zurück und warteten auf uns. Nach fast sechs Stunden Fußmarsch kamen wir oben in einem kleinen Ashram an, wo wir übernachteten, um am nächsten Morgen ganz in der Früh zum Gletscher weiterzulaufen. Ich war fast am Verhungern und der Hüter des Ashrams gab mir einen kleinen Teller mit kaltem Reis mit Wasser und etwas Ungesalzenem darin, es schmeckte widerlich, doch was isst man nicht alles, wenn man Hunger hat. Übrigens aß ich seit ungefähr zwei Monaten kein Fleisch mehr. Da es in Rishikes und Umgebung kaum Fleisch gab, wurde ich Zwangsvegetarier und behielt das dann gleich bei. In Indien gibt es sowieso fast 700 000 Vegetarier, nun sind es halt 700 000 und einer.
Am nächsten Morgen liefen Pati und ich los. Der Weg wurde immer schmaler, steil im Felsen überquerten wir oft Reste von Lawinen oder es kamen Steinschläge herunter. Ganz achtsam und aufmerksam nahmen wir Schritt für Schritt. Unglaublich, aber wahr, manchmal begegneten wir Pilgern, Babas, Sadhus und Yogis, die kaum bekleidet und barfuss durch Schnee, Eis und Felsen liefen. Plötzlich kam über uns ein Felsen ins Rutschen und schob eine Steinlawine mit, die direkt auf uns zu rollte. Pati schrie auf und ich sah schon unser Leben an uns vorbeirauschen. Plötzlich stand ein Yogi neben uns, nahm Pati und mich bei der Hand und wie durch ein Wunder standen wir plötzlich ein paar Hundert Meter weiter vorn in Sicherheit. Ohne mit der Wimper zu zucken, schaute uns der Yogi kurz an, nickte und ging seinen Pilgerweg weiter. Was war das nun? Pati und ich schauten uns an und konnten nicht begreifen, was gerade passiert war. Wie kamen wir hierhin? Vorhin standen wir noch weit weg von hier auf dem Weg, der gerade von einer Steinlawine überrollt wurde. Das ist doch nicht möglich! Doch, das ist es!
Nach einigen Minuten der Erholung und der Verarbeitung des unfassbaren Erlebnisses liefen wir weiter. Mein Leben war von diesem Moment an noch einmal umgekrempelt. Schon wieder war etwas geschehen, was nach meinem bisherigen Weltbild nicht möglich war und trotzdem passierte. Von nun an galt, dass alles möglich ist, und das Wort unmöglich habe ich aus meinem Verstand gestrichen. Wir liefen weiter bis zur Quelle des Ganges, die auf circa 4800 Metern über dem Meer liegt. Wir verweilten ein wenig an diesem heiligen Kraftplatz und liefen dann wieder zurück.
Unterwegs machten wir einen kleinen Abstecher zu einer Höhle, in der seit Jahrzehnten ein Yogi im Schnee sitzend meditiert, keiner weiß so genau, wie lange er da schon sitzt, es müssen aber sicherlich schon ein paar Jahrzehnte sein, da einige ihn als Kinder besuchten und später dann mit ihren Kinder wiederkamen. Schon verrückt, dass es so etwas gibt, und ich sage euch, es gibt in Indien Hunderte solcher Phänomene mit Yogis und Babas. (Übrigens gibt es sie auf der ganzen Welt, auch bei uns in der Schweiz.) Hier ist aber auch anzumerken, dass es auf diesem Gebiet viele Scharlatane gibt, die die Leute nur um ihr Geld bringen möchten und damit ihre Macht ausnützen. Es ist immer gut, auf seine Intuition zu hören und sich nicht von gewissen Äußerlichkeiten blenden zu lassen.
Zurück in Kedernath trafen wir unsere Freunde wieder. Wir übernachteten noch einmal im Hare Krishna Ashram und begaben uns am folgenden Morgen auf die Rückreise nach Rishikesh. Mittlerweile pilgerten von der Kumbh Mela Hunderttausende Leute durch den Himalaya zu vielen verschiedenen Kraftplätzen und heiligen Orten. Es war daher schwierig, eine Möglichkeit für die Rückfahrt zu finden, also entschlossen wir uns zu einem neuen großen Abenteuer: auf dem Dach eines Busses die schmalen Straßen hinunterzufahren. Wir mussten sehr aufpassen, da oft Leitungen oder sonstige Kabel quer über die Straße hingen. Zumeist legte ich mich einfach hin und genoss die frische Luft, die Aussicht und das gigantische Ambiente der kraftvollen und hohen Berge. Plötzlich flog ein riesiger Adler über unseren Bus und begleitete uns eine Weile. Seine Spannweite war sehr groß, es war ein prachtvolles Lebewesen, so etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen. Seit dem Bad im Ganges in Haridwar vor einigen Tagen war die Welt für mich nicht mehr so wie vorher. Ich sah alles mit den Augen eines Kindes im Körper eines jungen Mannes. Jeder Moment war neu und alles sah so wunderbar aus, jede Pflanze und jeder Baum leuchtete. Ich spürte auch bei allem – seien es Pflanzen, Tiere oder Steine und auch bei Menschen, dass sie ein Teil von mir waren, ich spürte sie tief in meinem Herzen.
Am späten Abend kamen wir dann am Fuße des Himalayas in Rishikesh an. In meinem Zimmer fand ich eine kleine Kugel. Auch diese spürte ich tief in mir, das war irgendwie ein komisches Gefühl. So, als fühlte ich die Kugel als Teil von mir. Ich nahm sie in die Hand, sie hing an einem Faden. Ich hielt sie am Faden in die Luft und rein durchs Atmen oder durch die Verbundenheit mit mir, begann die Kugel zu schwingen, ohne dass ich meine Hand bewegte. Immer schneller drehte sie sich im Kreis, dann ließ ich die Schnur los und die Kugel schwebte und drehte sich weiter. Die Physik und alles in der Schule Gelernte, was möglich sei – auch in Bezug auf die Schwerkraft – löste sich in einem Moment auf. Ich erschrak und die Kugel fiel zu Boden. Kurz darauf versuchte ich es gleich noch einmal, aber es funktionierte nicht mehr. Gut, ich brachte die Kugel am Faden zum Schwingen, konnte sie jedoch nicht loslassen, ohne dass sie zu Boden fiel. Daher stellte ich fest, dass ich sie nicht mit meinem Willen steuern kann, sondern dieses Phänomen in einem Moment der Gedankenfreiheit und Willenlosigkeit geschieht. Es geschieht, weil es ganz einfach geschieht. Mit dieser Erkenntnis ließ ich mich todmüde in mein Bett fallen und schlief bald ein.
Meine Heimreise, Kulturschock Schweiz
Nach nunmehr dreieinhalb Monaten innerer und äußerer Reise durch Indien und durch mich selbst begab ich mich auf die Heimreise in die Schweiz. Im Flugzeug durchlief ich in Gedanken noch einmal meine Reise und stellte erstaunt fest, dass sich, ohne es zu wollen, meine in der Zwischenzeit längst vergessenen fünf Vorsätze für die Reise alle erfüllt hatten: Erstens hatte ich mich wiedergefunden, denn ich und Gott wurden wieder eins. Er war immer bei mir, ich hatte ihn jedoch vergessen und verdrängt. Zudem hatte ich eine Medizin gefunden für alle Krankheiten (mehr dazu später in diesem Buch und an meinen Abenden und Seminaren). Ich wurde Vegetarier und aß nichts mehr, was Augen hatte und mich ansehen konnte. Und ich versöhnte mich mit meinem Leben und meinem Umfeld. Obendrein sah und fühlte ich meine Aura um mich herum, sie war wie eine große Sonne mit einer riesigen Leuchtkraft. Ich nahm mir vor, zu Hause jedem ein Stück von dieser Sonne abzugeben. Mein Wesen war egofrei geworden, jedenfalls für eine gewisse Zeit.
Ich spürte Lippen auf meinem Herzen. Wenn ich sprach, dachte ich nicht nach, ob ich dieses oder jenes sagen darf, sollte oder müsste, sondern sprach ohne im Kopf zu filtern direkt aus meinem Herzen. Das war sehr ungewöhnlich in meiner Umgebung. Man sagt oft, dass Kinder ehrlich und direkt sind und kein Blatt vor den Mund nehmen; bei Kindern ist das nicht so schlimm, aber stell dir einmal vor, das macht ein Erwachsener.
Jeder erzählt einem, wie groß der Kulturschock sei, wenn man nach Indien fährt. Einen noch viel größeren Kulturschock spürte ich jedoch, als ich zurück in mein Land kam, das ich doch eigentlich so gut kannte. Kannte ich es wirklich so gut oder hatte ich vorher einfach eine rosarote Brille aufgehabt? Ich hatte niemandem gesagt, dass ich nach Hause kommen würde. Ich wollte alle damit überraschen, vor allem meine Mutter, da sie sich sicherlich am meisten Sorgen um mich machte. Ich freute mich sehr, nach Hause zu kommen und meinen Eltern, meinem Bruder und meinen Freunden zu zeigen, wie sehr ich mich verändert hatte, und dass ich den Sinn des Lebens gefunden habe.
Allerdings fanden meine Eltern und meine Freunde mein neues Ich nicht so toll, alle wollten am liebsten den alten Patric zurück. Heute kann ich das verstehen, doch damals verstand ich sie nicht, ich war viel zu glücklich über die Veränderungen. Ich verstand nicht, dass sie mich und meine Philosophie über Gott und die Welt nicht mit mir teilen wollten. Nun gut, auch äußerlich hatte ich mich ziemlich verändert in diesen dreieinhalb Monaten. Ich hatte in Indien Probleme mit meinem Magen gehabt und brachte Salmonellen und anderes Gewürm mit, dadurch hatte ich sehr viel Gewicht verloren, sodass sich meine Mutter und auch die Nonna große