Das Wunder der Heilung. Patric Pedrazzoli
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Das erste, was alle Freunde, Verwandten und Bekannten zu mir sagten, war: »Bist du krank? Du siehst krank aus.« Nachdem ich das bereits fast tausend Mal gehört hatte, sagte ich zur tausendundeinten Person: »Nein, ich bin nicht krank, doch du und die anderen machen mich krank!« So fühlte es sich für mich auch an. Diese ganzen Worte und Gedanken der anderen saugten mir Energie ab. Heute muss ich dazu sagen, ich ließ es selbst zu. Ich schenkte diesen Worten Glauben, obwohl es für mich nicht so war, und je öfter ich es hörte, umso weniger hörte ich in mich hinein.
Bald wollten nicht nur meine besten Freunde, mit denen ich in den letzten Jahren sehr viel Zeit verbracht hatte, nichts mehr von mir wissen, auch mein erweiterter Freundeskreis zog sich von mir zurück. Überall galt ich als verrückt gewordener spiritueller Freak, der durch alle hindurchschaute, und das machte den Leuten Angst. Das war kein Hellsehen, ich fand mich nur in allen wieder, mit ihren Problemen und Knörzen, ich sah keinen Unterschied mehr zwischen mir und ihnen. Also wechselte ich meinen Freundeskreis und hing mit anderen Leuten ab, die mich ein bisschen verstanden oder zumindest so taten. Meine Eltern jedoch, vor allem mein Vater, hatten sehr große Mühe mit meinem neuen Verhalten und meinen Lebensphilosophien. Heute kann ich diese Mühe verstehen, an ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich ähnlich reagiert. Es ist alles menschlich und normal.
Kurz nachdem ich wieder zu Hause war, verliebte ich mich in eine Frau, die ich bereits aus Goa kannte und die eine ähnliche spirituelle Erfahrung gemacht hatte, wir konnten uns gut austauschen. Sie hatte eigentlich vorgehabt, mit ihrem langjährigen Freund zusammenzuziehen, sie hatten auch schon eine Wohnung, die sie in einigen Tagen beziehen wollten. Plötzlich kam alles anders, denn auf einmal wollte sie mit mir zusammen sein, machte Schluss mit ihrem Freund, und statt ihm zog ich mit ihr in die neue Wohnung. Das war damals alles sehr viel für meine Mutter, kaum war ich wieder zu Hause und schon wollte ich von einem Tag auf den anderen ausziehen. Gesagt, getan, ich packte meine sieben Sachen und zog zu Hause aus.
Als ich eines Tages mit einem Freund auf dem Weg zu einer Party war, schaute ich zum Himmel und sah plötzlich einen funkelnden Stern, es war die Venus, die wie eine rote Lampe leuchtete. Ich sagte zu meinem Kumpel: »Sieh doch mal da oben, da leuchtet ein roter Stern.« Er aber schaute mich ganz komisch an und meinte: »Welchen denn? Ich sehe keinen.« Ich versuchte, ihm zu beschreiben, welchen Stern ich meinte, bis ich merkte, für ihn war der Stern nicht rot. Ich möchte hier anmerken, dass ich vollkommen nüchtern war. Für mich leuchtete der Stern mehrere Tage in Rot, warum weiß ich nicht, danach verging das wieder und heute sehe ich ihn auch wieder weiß. Es sieht eben nicht immer alles so aus, wie es scheint. Und nicht jeder muss alles so sehen wie du. Es leben acht Milliarden Menschen auf dieser Erde und jeder hat das Gefühl, wir leben in derselben Welt. Doch ich glaube, wir wohnen in acht Milliarden verschiedenen Welten – manche sind sich sehr ähnlich und manche andere meilenweit voneinander entfernt.
Irgendwann musste ich wieder arbeiten und versuchte es bei meinem alten Lehrmeister nochmals als Maler. Als er nicht mehr genügend Arbeit hatte, lieh er mich an einen anderen Malerbetrieb aus. Eines Nachts träumte ich von einem Israeli, den ich in Goa flüchtig kennengelernt hatte. Der kam zu uns in die Wohnung und schlief vor meinen Augen mit meiner Freundin, besser gesagt, ich stand vor der gläsernen Schlafzimmertür und sah und hörte alles. Ich ging mit meinen Gefühlen durch die Hölle. Selbst am Morgen danach waren die Gefühle noch da und ich guckte meine Freundin etwas schräg an. Eigentlich eine ganz natürliche Reaktion, wenn deine Freundin gerade vor deinen Augen fremdging. Tagsüber konnte ich mich ein wenig fangen, es war ja nur ein Traum.
Nach einigen Tagen läutete eines Abends das Telefon. Ich ging ran, und ratet mal, wer auf der anderen Seite war? Ja es war Izik, der Israeli, den wir aus Goa kannten, der aus meinem (Alb-)Traum. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, den ich flüchtig kennengelernt hatte, weit weg von mir zu Hause in Indien, der weder meine Adresse noch meine Telefonnummer hatte, plötzlich anruft, nachdem ich ein paar Tage vorher diesen Traum hatte, war schon sehr, sehr gering. Doch es geschah, er sagte, er sei in der Schweiz und komme uns besuchen. Ich wollte das nicht, doch meine Freundin freute sich auf ihn. Nun, so kam er und wohnte zwei bis drei Wochen bei uns. Für mich war das vom Gefühl und den Emotionen her eine meiner schlimmsten Zeiten. Eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause und merkte sofort, dass meine Traumvision eingetroffen war. Meine Freundin schlief mit dem Israeli!
Eine sehr schwierige Zeit
Das war der letzte Tropfen, der meine Psyche zum Überlaufen brachte. Obwohl ich es erst viele Monate später bemerkte, rutschte ich in eine stark depressive Phase. Ich konnte nicht mehr schlafen, wollte aber auch nicht wach sein. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, ich hatte keine Freunde mehr, meine Eltern wollten zu dem Zeitpunkt auch nichts mit mir zu tun haben, mit diesem Verrückten, der rote Sterne sah, und meine letzte Kontaktperson, meine Freundin, schlief mit dem Gast, den wir zu Hause beherbergten. Insofern war mein Zimmer der letzte Zufluchtsort, jedoch in dergleichen Wohnung wie meine Freundin und Izik.
Als ich das realisierte, konnte ich nicht mehr zur Arbeit gehen. Mein Arbeitgeber drohte mir irgendwann mit dem Arbeitsgericht, aber ich konnte mich zum Glück mit ihm darauf einigen, dass ich eine Woche noch fertig arbeitete, bevor unser Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde. Meine positive und sonnige Aura, die ich aus Indien mitgebracht hatte, wich einer nebligen dunklen Aura. Über Wochen hatte ich Albträume mit Dämonen und Geistern, wurde dabei immer verfolgt, ohne zu wissen, vor wem ich weglief. Ich lief einfach immer weiter und weiter und war nach jeder Nacht völlig durchnässt. Fast wollte ich mich schon selbst in die geschlossene psychiatrische Klinik einweisen lassen, damit ich mit Medikamenten vollgepumpt werde, um alles zu vergessen und um endlich wieder Ruhe in meine düsteren Gedanken zu bekommen. Heute bin ich froh, dass ich das nie gemacht habe.
Tagsüber ging ich oft zu meiner Großmutter, Schäschi, die wegen ihrer Krankheiten ans Sofa beziehungsweise ans Bett gefesselt war. Sie war überglücklich, dass ich ihr Gesellschaft leistete, und ich wiederum war froh, dass jemand bei mir war. Sie war auch die Einzige, die mich immer bei meinen spirituellen Ansichten unterstützte, auch sie war hellsichtig, sah oft Verstorbene und hatte Vorahnungen. Mir ging in dieser Zeit immer wieder durch den Kopf, ob alles das, was ich in Indien erlebt und gesehen hatte, auch wirklich stimmte, oder ob meine Freunde und Verwandten mit der Annahme recht hätten, dass ich vollkommen verrückt aus Indien wiedergekommen sei.
Die depressive Phase dauerte bereits ein paar Monate an, da rief mich eines Tages mein alter Freund Rene an, mit dem ich damals ursprünglich nach Indien reisen wollte und erzählte mir, das er nun vorhabe, in einem Monat nach Indien zu reisen. Während des Telefonats fragte er, ob ich nicht mitkommen möchte. In meiner derzeitigen labilen psychischen Verfassung war ich jedoch nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, ich konnte weder zu- noch absagen. Glücklicherweise ließ er nicht nach. Eines Tages holte er mich einfach ab, wir fuhren gemeinsam ins Reisebüro und buchten eine erneute Reise nach Indien für mich. Mein Bruder, der immer zu mir gehalten und an mich geglaubt hat, gab mir das Geld für die Reise. Ich hatte ja keines mehr, da ich nicht mehr arbeiten konnte. Meinem Bruder Marco und auch Rene danke ich sehr, dank ihrer Hilfe konnte ich die Hölle verlassen und kam zurück ins Leben.
Reise zu den Meistern Indiens
Fast genau ein Jahr nach meiner ersten Reise saß ich wieder im Flieger nach Indien, nun aber – wie beim ersten Mal eigentlich geplant – mit Rene. Er wollte etwas von Indien sehen und einige Zeit in Goa Party machen. Ich bat Rene, mich zu dem Meister zu begleiten, von dem mir damals im Flugzeug mein Sitznachbar erzählt hatte, und der so wunderbare Wunder vollbringen konnte. Rene zögerte etwas, sagte dann aber zu und wir flogen direkt nach Bangalore in die Nähe des Ashrams dieses Meisters. Als ich aus dem Flugzeug stieg und einen tiefen Atemzug nahm, erwachte sofort die Energie Indiens in mir, ich spürte mich wieder in meiner Kraft, wenn auch noch nicht so ganz wie bei meinem Abflug, jedoch