Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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δ' ουκ των λυχνων πλειν η ταλαντα πολλα

       Ειληφε δια πονηριαν, αλλ' ου μα Δι' ου μαχαιραν.

       Aristoph. Nubes.

      alles zu entbehren weiß, ist nicht geschickt zum Dienst der Wahrheit; Der werde frühe! ein vernünftiger, brauchbarer, artiger Mann in der Welt, oder lerne Bücklinge machen und Teller lecken: so ist er für Hunger und Durst, für Galgen und Rad sein Lebenlang sicher.

      Ist es wahr, daß GOtt Selbst, wie es in dem guten Bekenntnisse lautet, das er vor Pilatus ablegte; ist es wahr, sage ich, daß Gott Selbst, dazu ein Mensch wurde und dazu in die Welt kam, daß er die Wahrheit zeugen möchte: so brauchte es keine Allwissenheit vorher zu sehen, daß er nicht so gut wie ein Sokrates von der Welt kommen, sondern eines schmählichern und grausameren Todes sterben würde, als der Vatermörder des allerchristlichsten Königes, Ludwich des Vielgeliebten, der ein Urenkel Ludwich des Grossen ist.

      Aesthetica in nuce

       Inhaltsverzeichnis

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Apostille.

      Buch der Richt. V, 30.

       שלל צבעיס רקמה צבע רקמתים לצוארי שלל׃

      Elihu im Buch Hiob XXXII, 19-22.

       הנה בטני כיין לא־יפתח כאבות חדשים יבקע׃ אדברה וירוה לי אפתח שפתי ואענה׃ אל־נא אשא פני־איש ואל־אדם לא אכנה׃ כי לא ידעתי אכנה כמעט ישאני עשני׃

      Kapitel 1

       Inhaltsverzeichnis

      HORATIVS.

      Odi profanum vulgus & arceo.

       Fauete linguis! carmina non prius

       Audita, Musarum sacerdos,

       Virginibus puerisque canto.

       Regum timendorum in proprios greges;

       Reges in ipsos imperium est Iouis,

       Clari giganteo triumpho,

       Cuncta supercilio mouentis.

      Nicht Leyer! – noch Pinsel! – eine Wurfschaufel für meine Muse, die Tenne heiliger Litteratur zu fegen! – – Heil dem Erzengel über die Reliquien der Sprache Kanaans! – auf schönen Eselinnen1 siegt er im Wettlauf; – aber der weise Idiot Griechenlands borgt Euthyphrons2 stolze Hengste zum philologischen Wortwechsel.

      Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts; wie der Gartenbau, älter als der Acker: Malerey, – als Schrift: Gesang, – als Deklamation: Gleichnisse, – als Schlüsse3: Tausch, – als Handel. Ein tieferer Schlaf war die Ruhe unserer Urahnen; und ihre Bewegung, ein taumelnder Tanz. Sieben Tage im Stillschweigen des Nachsinns oder Erstaunens saßen sie; – – und thaten ihren Mund auf – zu geflügelten Sprüchen.

      Sinne und Leidenschaften reden und verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz menschlicher Erkenntniß und Glückseeligkeit. Der erste Ausbruch der Schöpfung, und der erste Eindruck ihres Geschichtschreibers; – – die erste Erscheinung und der erste Genuß der Natur vereinigen sich in dem Worte: Es werde Licht! hiemit fängt sich die Empfindung von der Gegenwart der Dinge an4.

      Endlich krönte GOTT die sinnliche Offenbarung seiner Herrlichkeit durch das Meisterstück des Menschen. Er schuf den Menschen in Göttlicher Gestalt; – – zum Bilde GOttes schuf er ihn. Dieser Rathschluß des Urhebers löst die verwickeltesten Knoten der menschlichen Natur und ihrer Bestimmung auf. Blinde Heyden haben die Unsichtbarkeit erkannt, die der Mensch mit GOTT gemein hat. Die verhüllte Figur des Leibes, das Antlitz des Hauptes, und das Äußerste der Arme sind das sichtbare Schema, in dem wir einher gehn; doch eigentlich nichts als ein Zeigefinger des verborgenen Menschen in uns; –

      Exemplumque DEI quisque est in imagine parua5.

      Die erste Nahrung war aus dem Pflanzenreiche; die Milch der Alten, der Wein; die älteste Dichtkunst nennt ihr gelehrter Scholiast (der Fabel des Jothams und Joas zu folge6 botanisch7; auch die erste Kleidung des Menschen war eine Rhapsodie von Feigenblättern. – –

      Aber GOTT der HERR machte Röcke von Fellen, und zog sie an – unsern Stammeltern, welche die Erkenntniß des Guten und Bösen Schaam gelehrt hatte. – Wenn die Nothdurft eine Erfinderin der Bequemlichkeiten und Künste ist: so hat man Ursach sich mit Goguet zweymal zu wundern, wie in den Morgenländern die Mode sich zu kleiden, und zwar in Thierhäuten, hat entstehen können. Darf ich eine Vermuthung wagen, die ich wenigstens für sinnreich halte? – – Ich setze das Herkommen dieser Tracht, in der dem Adam durch den Umgang mit dem alten Dichter, (der in der Sprache Kanaans Abaddon, auf hellenistisch aber Apollyon heist,) bekannt gewordenen allgemeinen Bestandheit thierischer Charaktere, – die den ersten Menschen bewog unter dem gelehnten Balg eine anschauende Erkenntnis vergangener und künftiger Begebenheiten auf die Nachwelt fortzupflanzen – – –

      Rede, daß ich Dich sehe! Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt, die eine Rede an die Kreatur durch die Kreatur ist; denn ein Tag sagts dem andern, und eine Nacht thuts kund der andern. Ihre Losung läuft über jedes Klima bis an der Welt Ende und in jeder Mundart hört man ihre Stimme. – – Die Schuld mag aber liegen, woran sie will, (außer oder in uns): wir haben an der Natur nichts als Turbatverse und disiecti membra poetae zu unserm Gebrauch übrig. Diese zu sammeln ist des Gelehrten; sie auszulegen, des Philosophen; sie nachzuahmen8 – oder noch kühner! – – sie in Geschick zu bringen, des Poeten bescheiden Theil.

      Reden ist übersetzen – aus einer Engelsprache in eine Menschensprache, das heist, Gedanken in Worte, – Sachen in Namen, – Bilder in Zeichen; die poetisch oder kyriologisch9, historisch, oder symbolisch oder hieroglyphisch – – und philosophisch oder charakteristisch10 seyn können. Diese Art der Übersetzung (verstehe Reden) kommt mehr, als irgend eine andere, mit der verkehrten Seite von Tapeten überein,

      And shews the stuff, but not the workman's skill;

      oder mit einer Sonnenfinsternis, die in einem Gefäße voll

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