Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Gemälde. Das Höchste in der Malerei, Gestalt, wobei sich andre, zuweilen die scharfsinnigsten Köpfe, vergebens abmartern, war sein Leichtestes, ging von ihm aus wie Quelle. Aber doch sieht man bei seinen Kompositionen deutlich allemal die Figuren, wo er sich angestrengt und die wirkliche Natur nachgeahmt hat. Er besaß einen gar guten Volksverstand und dachte und empfand bei jeder Geschichte gleich das Natürlichste; und seine Gestaltenphantasie und sein kernhafter Stil, wo alles bestimmt ist, machte das Ganze gleich lebendig.

      Nach diesem allen seh ich mich doch genötigt, ein Gegenlied von dem Lob anzustimmen, was ich dem Papst Julius gab. Es war ein Glück für Raffaelen, daß dieser seiner Kunst Arbeit verschaffte, und vielleicht auch keins und das Gegenteil; denn dadurch ist er fast zum bloßen Kirchenmaler geworden. Das einzige große Werk außer seinen theologischen Gemälden und Porträten ist die Geschichte der Psyche in der Farnesina; und diese gehört, einzelne vortreffliche Figuren ausgenommen, nicht unter sein Bestes. Die Götter und Göttinnen darin machen einen großen Abstand gegen die Antiken.13 Jedoch muß man zu seiner Entschuldigung sagen, daß er das vom Apulejus so kostbar erzählte Märchen schier lukianisch behandelte; das Ganze ist ein Malerscherz und stellt ein kokettes Weib vor, welches keine reizende Schwiegertochter haben will und sie endlich haben muß.

      Er und seine Schüler scheinen überdies sich auf Kosten des reichen Kaufmanns Chigi von Siena, der aus verschwenderischer Pracht bei einer Mahlzeit für Kardinäle und Prälaten die silbernen Gefäße, sowie sie abgetragen wurden, in den vorbeifließenden Tiberstrom werfen ließ, sich mehr nur einen Zeitvertreib gemacht zu haben, als daß ihnen, von der vatikanischen Strenge her, die Arbeit Ernst gewesen wäre; und der welsche Amsterdamer mußte ihm dabei noch ein Zimmer für seine Geliebte einräumen, damit er sie allemal gleich bei der Hand hätte, sooft ihm die Lust unter den wollüstigen Zeichnungen der nackenden weiblichen Gestalten zu ihr ankäme.

      Die Allegorie mit den Liebesgöttern ist das Sinnreichste, Venus und Psyche übrigens einigemal bezaubernd, Zeus und Amor beisammen griechisch empfunden, Merkur und die Grazie vom Rücken Meisterwerk. Und Johann von Udine hat bei seinen Blumen einen himmlischen Frühling genossen.

Raffael: Die Nymphe Galatea

      In seiner Galatee neben diesem Saal ist die Zärtlichkeit und Empfindung der ersten Liebe ausgedrückt; sie hat viel Unschuld im Blick, aber noch etwas Unreifes in der Gestalt, und ihr Gesicht ist noch nicht so klar und rein wie zum Exempel die Köpfe in der Verklärung. Die drei fliegenden Bübchen schweben reizend in schönen Umrissen.

      In den Stanzen sind zwar einige Gemälde, die nicht zur Kirchengeschichte gehören, allein er mußte die Personen darin doch dem Orte nach so fromm behandeln, daß sogar Vasari seinen Plato und Aristoteles in der Schule von Athen für die Apostel Petrus und Paulus ansah und ein andrer Unwissender dieselben mit dem heiligen Schein in Kupfer stach. Sein Parnaß würde vermutlich in einem Saale von Ariosts Gartenhause ein ander und besser Werk geworden sein.

      Und wie sind die Zimmer alle an und für sich schon schlecht beleuchtet und angeordnet, mit Malerei überladen! Man sollte fast denken, der Halbgott habe den größten Teil seines Lebens mit seinen Schülern hier gefangen gesessen und einem theologischen Tyrannen zu gefallen alle Wände vollgepinselt, um ihn zur Erlösung zu bewegen.

      Raffael hat durch diesen Druck äußerst wenig und vielleicht nichts gemacht, wo sein ganzes Wesen mit allen seinen Gefühlen und Neigungen und Erfahrungen ins Spiel gekommen wäre, wo die Sonne seines himmlischen Genius ganz auf einen Brennpunkt gezündet hätte.

      Es ist zwar wahr, aus der freisten oder schlüpfrigsten Szene der Welt kann der Künstler eine Gestalt in das frömmste Gemälde übertragen; allein es geschieht doch allemal mit Zwang, der, anstatt daß eine Begebenheit aus der profanen Geschichte oder Fabel die Phantasie erhöbe und begeisterte, die eigentlich lebendigen Züge verwirrt und verunstaltet, so daß sie ihre beste Kraft verlieren. Wie würden Raffaels Weiber, zum Exempel, dieselben Gestalten zu seinem Kindermorde, zu seinen vortrefflichen Sibyllen in der Kirche alla Pace, zu verschiednen seiner Madonnen noch andre Wirkung in den Vorstellungen aus dem Leben einer Sophonisbe, Kleopatra, Cornelia, der Geschichte des Coriolan hervorbringen?

      Es bleibt ausgemacht: Das Element der großen Geister ist die Freiheit; und wer sie unterstützen will, muß diese ihnen erst gewähren. Aller Zwang hemmt und drückt die Natur, und sie kann ihre Schönheit nicht in vollem Reize zeigen. Deswegen die Athenienser unter ihrer Demokratie und Anarchie der höchste Gipfel der Menschheit.

       Rom, November.

      Ich freue mich, daß Du mit mir auf gleichen Lebenspfaden gehst und also leichter an meinen Schicksalen teilnehmen kannst; nur ist Deine Chiara von ganz andrer Art als meine Fiordimona; sie hat mich nicht so lange schmachten lassen, ihrer Macht und Herrlichkeit bewußt. Das hab ich noch nicht erfahren, in der Liebe so von einem Weibe überflogen zu werden. Ich habe Nebenbuhler, und vielleicht glückliche Nebenbuhler: nur schein ich der glücklichste zu sein; und dies fesselt mich an ihren Triumphwagen, worauf die stolze junge Römerin einherzieht wie ein alter Sylla nach den Siegen über die größten Könige der Erden und die ersten Helden seines Vaterlandes. Und ich fühl es, ach ich fühl es, daß sie mich so ganz unaussprechlich liebt! Was das für eine Empfindung ist und wie es mein Wesen in vollen Schlägen durchkreuzt, kann niemand fassen, als wer selbst in Feuer und Flammen unter einem solchen schrecklichen Gewitter gestanden hat.

      Das erste Mal, als wir unsre Seelen vereinigten, geschah in der Nacht auf den Raub, zwischen Gebüsch und Gesträuch, unter den ewigen Lichtern des Himmels, auf dem Gipfel des Monte Mario. O Gott, wie war ich da in Reiz versunken und verloren! Ach, wenn es ein Leben gibt, das so unaufhörlich fortdauert, in welcher Tiefe von Elend winden wir uns herum! Sie riß sich allzubald mit heißen Küssen los, damit ihre Abwesenheit vom Ball, den ein Prinz ihretwegen auf der Villa Melini gab, nicht bemerkt würde; und ich wandelte außer mir, nicht mehr derselbe, noch lange zwischen den Bäumen herum, tat Freudensprünge wie ein Knabe und jauchzte vor unfaßbarem Entzücken hinab in die Täler des Tiberstroms, daß alle Hügel widerhallten.

      Du solltest sie sehen! Eine erhabne Gestalt, die das Auslesen hat; bei Lüsternheit sprödes Wesen. Ein froh und edel wollüstiger Gesicht gibt's nicht. Mit Adleraugen schaut sie umher und bezauberndem, doch nicht lockendem Munde. Das stolze Gewächs ihres schlanken Leibes schwillt unterm Gewand so reizend hinab, daß man dieses vor Wut gleich wegreißen möchte; und die Brüste drängen sich heiß und üppig hervor wie aufgehende Frühlingssonnen. Wangen und Kinn sind in frischer Blüte und bilden das entzückendste Oval, woraus das Licht der Liebe glänzt. O wie die braunen Locken im Tanze bacchantisch wallten, der himmlische Blick nach der Musik und Bewegung in Süßigkeit schwamm, die netten Beine in jugendlicher Kraft sich hoben, wie schnelle Blitze verschwanden und wiederkamen! Doch warum beginn ich ein unmögliches Unternehmen! Der genießt das höchste Los des Daseins, den ihre zarten Arme wie Reben umflechten; mehr hat kein König und kein Gott.

      Ach, und sie ist mehr Wunder der Natur noch am Geiste! eine Kreatur, worüber ich zum ersten Mal mit geheimen Ingrimm rase, daß sie so vortrefflich ist. »O laß mich!« ruf ich zuweilen für mich in Verzweiflung aus; doch muß ich dem unbändigen Zuge folgen und unterliegen. Ich habe nie geglaubt, daß eine Dirne derart mich in Ketten und Banden legen würde, und tobe über mich selbst; aber niemand weiß, was ihm bevorsteht.

      Ich will Dir gleich den falschen Wahn benehmen, der bei Dir aufsteigen wird. Sie ist reich, besitzt ein unmäßiges Vermögen und hat weder Vater, Mutter noch Geschwister. Ihr Vater war der Sohn eines päpstlichen Neffen, und sie ist nun allein geblieben. Wie um sie geworben wird, kannst Du Dir leicht vorstellen; aber sie will ihre Freiheit behaupten und sich platterdings nicht vermählen.

      Kurz darauf bracht ich bequemer und freier eine ganze Nacht mit ihr zu in ihrem Schlafgemach, bis Morgenrot und Sonne die Blumen ihrer Schönheit bestrahlten und ich so ganz in ungestörtem Genusse mein Dasein mit

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