Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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greift ein ins Ganze. Man kömmt bei ihm einmal wieder zu einem verständigen Menschen.

      Damit Du aber siehst, daß ich doch nicht schwärme, so meld ich Dir daneben, daß der bewunderte Attila gegenüber auf mich wenig Wirkung macht. Ich finde darin kein recht zusammenhängend Ganzes in der wirklichen Malerei und den Charaktern, obgleich die Anlage trefflich ist, und zuviel Kompliment auf Leo den Zehnten, dessen Kopf sich wahrlich zu keiner solchen Szene schickt. Attila sieht viel zu gütig aus für einen Hunnenkönig, ohnerachtet der ungefühlten Worte von Griechenheit darüber, und Leo zu feist für einen Heiligen. Die Apostel sind zu schwer, zu groß und zu nah in der Luft für schwebende Figuren, haben wenig Gestalt, bitten eher, als daß sie drohen sollten, und halten ihre Schwerter wie die Weiber.

      Nichtsdestoweniger bleibt das Gemälde mit den Porträten, Pferden und verschiednen Gewändern eine reizende Wandverzierung für einen geistlichen Fürsten, und es ist darin immer mehr natürliche Gestalt für Verstand und Auge als vielleicht in hundert neuern.

      Kapitel 27

       Inhaltsverzeichnis

      Das Wunder bei der Messe ergötzt besonders wegen Einheit und Mannigfaltigkeit des Ausdrucks durch alle die verschiednen Gesichter, die meistens Porträte sind, und zeigt so recht Raffaels wunderbare Einbildungskraft. Es ist der lebendige Glaube. Der überführte Priester, mit den Augen kaum blinzend und voll Beschämung und Erstaunen in den Lippen, und Julius der Papst sind hohe Meisterstücke. Das Ganze ist am besten gemalt unter allen.

      Petrus, befreit aus dem Gefängnisse, ist ein angenehmes Spiel von Licht und Schatten, wozu jedoch kein Raffael gehörte, und das Ganze gut entworfen, der erschrockne Soldat auf der Treppe meisterlich.

      In diesem Zimmer merkt man schon, daß Raffael seine Schüler bei seinen Arbeiten brauchte; aber noch weit mehr in dem dritten, hintersten, wo das meiste von diesen ist.

      Der Burgbrand ist hier das Vorzüglichste. Viele Gestalten sind darin vortrefflich, nur war die Szene selbst eher ein Vorwurf für den Tizian oder Correggio. Überhaupt aber sind Wunder eher für Poesie als bildende Kunst; sie täuschen das Auge selten, weil man natürlicherweise nichts so gesehn hat.

      Die Dirne mit dem Krug auf dem Kopfe ist eine göttliche Figur, eine Amazone unter den modernen Weibern, voll Leben und Frischheit in ihren Formen und reizend in dem vom Wind angewehten Gewande. Die knienden Frauen sind gleichfalls trefflich und die Gruppe des Sohns, des Äneas, der seinen Vater rettet, mit dem Buben daneben Meisterwerk. Der Tumult der Weiber und Kinder, weinend und schreiend, flehend und erschrocken, ergreift die Phantasie, und es gibt da schöne Gestalten. Jedoch ist er am Nackenden gescheitert; dies muß gut koloriert sein, wenn es Wirkung hervorbringen soll. Der nackende Kerl, welcher herabspringt, ist ziegelfärbig und sieht aus wie geschunden.

      Leo der Vierte, welcher auf das Evangelium schwört. Die Hauptfigur ist das Beste im Ganzen; man kann gutes Gewissen nicht trefflicher ausdrücken im großen, kräftigen, freien Charakter. Herrlicher Blick gen Himmel! Außerdem sind noch einige meisterhafte Köpfe darin; scharfer Verstand, Getrostheit, und Verwunderung und Aufmerksamkeit darum her, und die Menge mit verschiednen Empfindungen. Es ist reizend, überall den tiefen Seelenklang zu finden. Er war in der Tat ein klares stilles tiefes Wasser, worin sich die beste Natur rein abspiegelte.

      In der Schlacht bei Ostia ist das Beste der geharnischte Soldat mit den grünen Hosen; ein christlicher Held. Das übrige in diesem Stücke ist unbedeutend; der Papst selbst hat eine fromme Schafsgestalt.

      In der Krönung Karls des Großen macht Karl selbst eine einfältige Figur und paßt so gut zu dieser Szene, die mit viel Empfindung und Feinheit ausgeführt ist; er sieht wie ein alter Schweizerkorporal aus und kniet mit abgestutztem Haare vor dem Papst.

      Es sind in diesem Gemälde ganz vortreffliche Köpfe, besonders unter den Bischöfen und geharnischten Schweizern. Die Gescheitesten sind am entferntesten von ihm und um die Handlung her, und zum Teil mit ernsthaftem und heiterm Nachdenken. Die Bischofsmützen sind sehr fatal für die Malerei; und ihr Weiß in doppelter gerader Reihe besonders im Vordergrunde grell. Die Einheit des Ganzen verbreitet sich bis auf die Sänger in der Ecke oben. Die Kerl, welche Geschenke tragen, silbernen Tisch und Gefäße, bringen Mannigfaltigkeit hinein. Es ist viel zusammengedrängte Pracht darin.

      Im vierten und letzten Zimmer, beim Eingang das erste und größte, ist alles bloß nach Raffaels Zeichnungen und Anlage, bis auf zwei Figuren, die er selbst in Öl ganz ausgemalt hat, nämlich die Gerechtigkeit und Gütigkeit, welche, obgleich nur allegorisch und wenig bedeutend, doch mit ihrer Wahrheit und Wirklichkeit alles von Julio Romano und Fattore niederschlagen. Es kömmt einem vor, als ob Raffaels warmes Leben kalt geworden wäre; er ist's, und ist's nicht mehr. Er selbst ist ganz lebendig: hier sind's nur seine Masken. Es fehlt die Bestimmtheit in allen Teilen, fehlen die feinen entscheidenden Züge, die nur von der schöpferischen Phantasie allein unmittelbar in die Hand quellen. Man muß sich zwingen, die Personen wirklich zu sehen; bei ihm kann man nicht anders.

      Die Schlacht Konstantins gehört mit der Verklärung unter Raffaels größte Kompositionen; sie macht ein schönes Ganzes und ist vortrefflich angeordnet. Die Hauptfiguren gehen gut hervor. Konstantin drückt noch Zorn aus, und die Freude regt sich bei ihm über den Sieg; die Gruppe mit dem Reiter vor sich, dessen Pferd er verwundet, ist wohl ausgedacht. Der Kopf des Maxentius stellt einen schlechten, grausamen und elenden Tyrannen dar überhaupt, wohl meistens von Julio erfunden, und jetzt in Verzweiflung und gänzlicher Ohnmacht und der Gefahr, überall umzukommen. Sein Pferd und wie er sich beim Untersinken im Wasser daran hält, der Strom und die darin schwimmen, in die Barke steigen wollen und sie umwerfen, ist trefflich. Sonst sind die Haufen vielleicht zu voll, der Feind zu flüchtig, ohne allen Widerstand; es bleibt aber doch die erste Schlacht wegen Wahrheit der Gestalten. Die Gruppe, wo einer vom Pferde heruntergebohrt wird, und die des gefallnen Sohns mit der Fahne bei seinem Vater tun große Wirkung.

      Die drei übrigen Gemälde in diesem Saale kommen nach den andern wenig in Betrachtung. Die Anrede Konstantins mit dem erscheinenden Kreuz in der Luft ist noch das beste; sie ist nach den Anreden Trajans auf Konstantins Triumphbogen. Einige Porträte nur ziehen das Auge an sich, als die zwei Jünglinge unter Konstantin.

      In der Schenkung Konstantins sind im Vordergrunde auf beiden Seiten ein paar schöne Gruppen von Weibern, samt denen, die sich durch die Säulen drängen.

      Vor den Stanzen sind die Logen, mit lauter kleinen Gemälden aus dem Alten Testamente und am Ende mit einigen wenigen aus dem Neuen verziert. Raffael selbst hat nur ein paar Erker etwa selbst flüchtig ausgemalt und hier und da Hand angelegt, alles andre ist von seinen Schülern nach seinen Zeichnungen. Und so die Arabesken. Alles voll schöner reizender Ideen. Ich betrachte diesen Gang als die Schule Raffaels im eigentlichen Verstande, den trefflichen Meister unter seinen großen und kleinen Schülern, und es freut mich zu sehen, wie sie die Schwingen versuchen.

      Man kann nicht wohl umhin, unter den großen Meistern der neuern Zeit den Michelangelo und Raffael obenan zu stellen; jenen wegen Richtigkeit im Nackenden und Erhabenheit seiner Denkungsart; doch hat er wenig Gefühl für schöne Form gehabt und ein elendes Auge für Farbe, und war arm an Gestalt.

      Raffael ist lauter Herz und Empfindung, und eine Quelle von Leben und Schönheit, wie je wenig Sterbliche. Edel und liebenswürdig, und bereit, von seiner Fülle mitzuteilen für jedermann, hat er die Gunst und Bewunderung von dem Kerne der Menschheit erhalten. Alles Nackende, was zu unsern Zeiten am Menschen sichtbar ist, besitzt er in seiner Gewalt. An Gestalt ist keiner reicher als er, und darin fühlt er einige Gattungen von Seelenschönheit aufs lebendigste. Die Farbe war ihm zu sehr Oberfläche; im

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