Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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style="font-size:15px;">      Sie hat ein Grübchen im Kinn: Zeichen von Fülle und Kraft zugleich und Reifheit der göttlichen Frucht, und nur halb eröffnete oder zugehaltne Augen, die das Innre nicht erkennen lassen wollen, sprödiglich.

      Kurz, es ist Erscheinung eines überirdischen Wesens, von dem man nicht begreift, wo es herkömmt; denn es hat hienieden keine Leiden ausgestanden, alles ist zur Vollkommenheit ungestört an ihm geworden. Selbst der schönste und edelste Jüngling unter den Sterblichen muß sich vor ihm niederwerfen; und das Höchste, was er verlangen kann, ist ein Moment, nicht Huldigung auf ein ganzes Leben.

      Schönheit, zur Reife gediehen und gedeihend, noch ungenossen. Das sich regendste Leben wölbt sich sanft hervor in unendlichen Formen und macht eine entzückende ganze. Adel, für sich bestehend, blickt aus den süßen lustseligen Augen, ein sonnenheißer Blick von Liebesfülle; flammt die Stirn herab, schwebt auf dem Munde, wo Stolz und Zärtlichkeit zusammenschmelzen.

      Die Mitte des Oberleibs ist kräftig und gar nicht dünn; die Schultern sind völlig so breit wie die Hüften und gehen noch darüber hinaus, sanft vom Halse herabgesenkt. Der Unterleib hat zwei zarte Einwölbungen, bis wo die Höhen der Freuden sich heben. Die Schenkel steigen wie Säulen hernieder und verbergen den Eingang der Lust mit einem gelinden Druck.

      Die Waden sind straff und voll bis an die Kniekehlen, ohne auszuschweifen.

      Sie erscheint von den Seiten her schmal und von dem Rücken breit; alles Fleisch lebt, und nichts ist leer und müßig.

      Aus dem Ganzen spricht jungfräulicher Ernst und Stolz, nichts Lockendes; es ist Inbegriff höchster weiblicher Liebesstärke. Sie blickt auf wie eine Jugendgöttin, von den Edelsten angebetet.

      Sie erhält den ersten Preis unter den weiblichen antiken Schönheiten. Ihr Gesicht schon für sich, das glücklich ganz unversehrt blieb, ergreift unaussprechlich reizend, mehr als irgendein andres, ist gewiß ursprünglich in der Natur selbst voll Geist und hohem eigentümlichen Wesen aufgeblüht und stammt wahrscheinlich von einer Lais oder Phryne. Bei der Niobe und ihrer schönsten Tochter, bei der Juno und einer kolossalischen Muse in Rom mag man mehr Erhabenheit finden; aber sie haben den lautern Quell von Leben nicht, der den Durst nach aller Art von Glückseligkeit im Menschen erquickend stillt. Hier ist alles beisammen, Körperreiz und Seelenreiz, Feuer und Schnelligkeit der Empfindung und heller ausgebildeter Verstand bei jedem Vorfall in der Welt.

      Doch was verschwend ich Worte darüber; komm und sieh! und fühle! und traure herzinniglich, daß sie nicht den Mantel von Dir sich umwirft, Dich zu begleiten.

      Tizians Venus wird eine schlimme Nachbarin an ihr erhalten.

      Diese ist eine reizende junge Venezianerin von siebzehn bis achtzehn Jahren, mit schmachtendem Blick, aufs weiße widerstrebende Sommerbett, im frischen Morgenlichte, faselnackend vor innrer Glut von aller Decke und Hülle, bereit und kampflüstern hingelagert, Wollust zu geben und zu nehmen; die, anstatt die Hand vorzuhalten, schon damit die stechende und brennende Süßigkeit der Begierde wie abkühlt und mit den Fingerkoppen die regsamsten gefühligsten Nerven ihres höchsten Lebens berührt.

      Bezaubernde Beischläferin und nicht Griechenvenus, Wollust und nicht Liebe, Körper bloß für augenblicklichen Genuß.

      Ihre Formen machen einen starken Kontrast mit der griechischen. Wie das Leben sich an dieser in allen Muskeln regt und sanft hervorquillt und hervortritt: und bei der Venezianerin der ganze Leib nur eine ausgedehnte Masse macht! Aber es ist schier nicht möglich, ein schmeichelnder und sich ergebender und süß verlangender Gesicht zu sehen.

      Sie neigt den Kopf auf die rechte Seite, sonst liegt sie ganz auf dem Rücken. Das linke Bein in schöner Form ist reizend gestreckt, und das erhobne rechte Knie läßt unten die süße Fülle der Schenkel sehen. Der Kopf hat die Gestalt nach der Natur, ist aber, hingelassen nachdenkend mit dem zerfloßnen Körper, matt und wenig gebildet gegen die Griechin.

      Die Blumen in der Rechten geben Hand und Arm durch den Widerschein bezaubernde Farbe und drücken den Leib zurück. Ihr Haar ist kastanienbräunlich und lieblich verstreut über die rechte Schulter mit einem Streif auf den linken Arm. Der Schatten an der Scham und die emporschwellenden Schenkel davor im Lichte sind äußerst wollüstig, so wie die jungen Brüste. Die großen gräulichtbraunen Augen mit den breiten Augenbrauen blicken in Feuchtigkeit. Sie ist lauter Huld, es recht zu machen in reizender sömmerlicher Lage, und gibt sich ganz preis, und wartet mit gierigem Verlangen furchtsamlich auf den Kommenden. Man sieht's ihr deutlich an, daß das Jungfräuliche schon einige Zeit gewichen ist, und sie scheint nur Besorgnis vor mehrern zugleich zu haben wegen der Eifersucht.

      Tizian wollte keine Venus malen, sondern nur eine Buhlerin; was konnt er dafür, daß man diese hernach Göttin der Liebe taufte? Sein Fleisch hat allen Farbenzauber, ist mit wahrem jugendlichen Blut durchflossen; was er darstellen wollte, hat er besser als irgendein andrer geleistet.

      Unter den Antiken aber, die ich mitgebracht habe, ist ein himmlischer Bube, ein junger Apollo, welcher stark mit der Göttin wetteifern wird. Er lehnt sich mit der Linken an einen Stamm mit über den Kopf geschlagner Rechten; die ganze Stellung ist voll Reiz, besonders der schlanke Zug der rechten Seite. Das Gesicht blüht wonniglich selig und edel in seiner Gottheit auf. Das Leibchen ist äußerst zart gehalten, und doch regt und bildet sich alles. Es ist eine wahre Wollust, Venus und ihn zugleich von hinten zu sehen, das Weibliche und üppig Bübliche des Gewächses; Venus ist ein Schwall von hinten, etwas speckicht: Apollo lauter süßer Kern. Ebenso kernfleischig spaltet sich sein Rücken; die Schenkel sind am vollsten und schier zirkelrund. Die zwei Hände muß ich ergänzen lassen und noch die Nase.

      Der Ausdruck ist bezaubernd; er empfindet in sich und sinnt in Stille. Erste Ahndung von Verlangen in Ungewißheit, und doch mit dem entzückendsten Blick der Liebe.

      Zwei junge Ringer aus einem Block Marmor gehören unter die gelehrtesten Arbeiten, die uns aus dem Altertume übrig sind. Sie sind im schönsten Moment eines Ringspiels verflochten, und es kann dazu keine auserlesenere Stellung geben. Die angestrengten Sehnen zeigen ihre Kraft in höchster Stärke und doch nicht schroff, und nichts erscheint gekünstelt, wie unsre Meister schon bei Körpern in Ruhe prahlen.

      Noch hab ich Bruchstücke von einem Merkur, wo zum Ganzen nur die Hände fehlen. Das Gewächs ist zart und schlank, der Kopf voll Schönheit und Kraft und stellt einen klugen sinnreichen Jüngling dar. Er trägt einen Helm, wie einen Teller, mit Flügeln; die Haare waren abgeschnitten, und es sind kleine Löckchen wieder daraus geworden.

      Von Gemälden, deren viel sind, will ich Dir nur ein Paar von Raffael anführen:

      Papst Julius den Zweiten. Man kann nichts Wahrers von Gestalt sehen; und wie gemalt! Es hält sich neben dem besten Tizian. Erhabenheit und Scharfsinn im Nachdenken bilden ein Ideal von Heiligem Vater. Welch ein gediegnes festes Feuer in der ganzen Arbeit! Der schöne herabfließende Bart wie herrlich aufgesetzt! Hände, Stellung im Stuhl mit beiden aufgestützt, alles vortrefflich. Es ist die Natur. Die Stirn ist stark beleuchtet und geht hervor, und so fällt noch Licht auf den Bart; ein Meisterstück auch hierin.

      Das zweite ist ganz klein, wenig über einen Fuß lang und breit und von ihm die größte Seltenheit, jedoch mit aller Liebe in seiner besten Zeit vollendet.

      Gottvater sitzt auf einem Adler in den Lüften, von zwei Engeln, wovon besonders der rechter Hand wunderschön ist, an den Armen leicht gehalten; und unter ihm sind die vier Evangelisten mit ihren Tieren; dann Wolken, dann Erde mit Bäumen. Um den Ewigen vergeht eine Glorie andrer geflügelter Buben im Glanze.

      Der Kopf ist lauter Erhabenheit, ganz derselbe des Michelangelo in der Capella Sixtina, welcher die Sonne schafft. Das Nackende

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