Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Portici, Junius.

      Die Freude läuft mir durch alle Glieder, daß Du mich besuchen willst; o ein Götterjahr, dies Jahr in meinem Leben! Ich habe meiner Tante schon geschrieben, Quartier für Dich bereitzuhalten; bei meiner Ankunft hoff ich Dich zu Florenz zu treffen. Die nächsten Tage werden wir von hier abreisen.

      Von unsern Abenteuern hätt ich Dir so viel zu erzählen, daß ich jetzt nicht wüßte, wo ich anfangen sollte; ich verspar es, bis wir Herzen und Seelen mündlich gegeneinander ausschütten. O welch ein Jubel, mit Dir noch durch die bezaubernden Plätze von Umbrien zu streichen! Fiordimona und ich sind nun völlig ein Wesen, so zusammengeschmolzen von tausendfachem Entzücken; alles Hohe und Schöne, Kühne und heroisch Erduldende der menschlichen Natur ist in ihr vereinbart. Endlich werden wir denn doch noch in das Band der Ehe der bürgerlichen Ordnung wegen tragen; aber wahrlich nicht deswegen, daß es uns zusammenhalten soll. O sie ist der glückliche Hafen aller meiner stürmischen Wünsche! Wir kennen uns nun von innen und außen bis auf unsre geheimsten Regungen.

      Unsre Reise war eine immerwährende Augenlust. Wir haben den Weg über Monte Cassino genommen. Hier fühlt man erst recht die Schönheit von Italien und hat sinnlich vor sich, wie sich der Apennin in seiner ganzen Majestät durch dessen Mitte lagert, zur Erfrischung mit seinen luftigen und waldichten Gipfeln für den Sommer und reizenden Tälern und Ebnen an beiden Meeren für den Winter. In weiten Kreisen türmt sich immer ein Gebirg über das andre, und das Farbenspiel geht in unendlichen Höhen und Tiefen durch alle Töne in süßen und fruchtbaren Harmonien.

      Der heilige Benedikt hat trefflich für seine Schar gesorgt, und die Mönche zu Monte Cassino leben wie die Fürsten. Jeder hat seine drei Bedienten, das Kostbarste vom Lande zu essen und zu trinken und schläft in weichen Betten auf Stahlfedern. Das übrige versteht sich von selbst; aus Vorsorge bereitete ich meiner Fiordimona eine Krankheitsschminke und gab sie für meinen Bruder, einen Sänger, aus, der seiner Gesundheit wegen in die Bäder von Bajä zöge. Und kaum so sind wir durchgekommen; denn die schelmischen Faune witterten doch die blühende Gesundheit und das Fleisch wie Mandelkern unter dem angestrichnen Gelb.

      Ihr prächtiges Kloster liegt auf einem steilen Absatze von einem der höchsten Berge, von unten wie eine Burg des Zeus, nur daß umgekehrt von oben das Wetter des Jahrs wenigstens ein paarmal da einschlägt, und wird in kurzer Ferne von einem stolzen Amphitheater von Gebirgen umgeben, wo die Sonne bei ihrem Untergang immer neue zauberische Schauspiele hervorbringt.

      Wir haben uns nur einen Tag zu Neapel selbst aufgehalten und sind gleich aufs Land hieher gezogen, wenn man es Land nennen kann, denn Portici ist gleichsam nur Vorstadt; bewohnen den Garten einer jungen Witwe, von Tarent gebürtig, die mit Recht den lieblichen Namen Candida Graziosa führt, im besten Punkt, dies wirkliche Paradies zu beschauen; denn von Neapel aus ist das göttliche Meer zu eingeschlossen.

      Die Stadt selbst sieht man hier am wahrsten und besten; sie ist so recht ein Sitz des Vergnügens, voll Adel, voll der lebhaftesten Menschen, rundum in Schönheit und Fruchtbarkeit! zu strenger und erhabner Weisheit ist's fast nicht möglich, hier zu gelangen. Zur Linken die reizende Küste von Sorrent; dann die Fahrt nach Elysium Sizilien; dann die Insel der Freuden des Tiberius, Capri; dann die unendlichen Gewässer breit und offen, wo sich das Auge verliert; und daneben und darüberhin die alten Feuerauswürfe der Insel Ischia, und Procida, und den entzückenden Strich Hügel des Pausilipp, und das Gebirg der Kamaldolenser; welche bezaubernde Mannigfaltigkeit! Darunter wieder das Gemisch von unzählbaren Felsenhütten von Neapel, wo eine halbe Million Menschen sich gütlich tun; und bei uns, hinter dem schüchternen Portici, in schrecklicher Majestät Vesuv. Ein echter wonneschäumender Becher rundum, dieser große Meerbusen!

      Hier schwimmt alles und schwebt in Lust, im Wasser, am Ufer und auf den Straßen. Die Feuermassen scheinen dies Land der Sonne näherzurücken; es sieht ganz anders als die übrige Welt aus. Gewiß waren alle Planeten ehemals selbst Sonnen und sind nun ausgebrannt, und Neapel ist noch ein Rest jener stolzen Zeiten. Man glaubt in der Venus, im Merkur, einem höhern Planeten zu wohnen. Immerwährender Frühling, Schönheit und Fruchtbarkeit von Meer und Land, und Gesundheit von Wasser und Luft.

      Gleich die erste Woche haben wir uns mit der ganzen Gegend und der besondern Art Menschen bekannt gemacht; und den dritten Tag schon waren wir oben auf dem Vulkan und genossen den Anblick der höchsten Gewalt in seinem Krater, die man auf Erdboden schauen kann. Die Risse von unten heraus, trichterförmig, gehen über alle Macht von Wetterschlägen, auffliegenden Pulvertürmen und Einbrüchen stürmenden Meeres. Erdbeben, die Länder bewegen wie Winde Wasserflächen, sind dagegen nur schwache Vorboten. Man glaubt in die Wohnung der Donnerkeile wie ein Schlangennest hineinzusehen, so blitzschnell ist alles aus unergründlicher Tiefe gerissen, von Metall bespritzt und Schwefel beleckt: ein entzückend schaurig Bild allerhöchster Wut.

      Sein Gipfel besteht aus lauter Schlacken; dies gibt ihm von fern eine haarichte Riesengestalt. Dann wächst lauter Heide; und dann in der Mitte fangen Gärten und Bäume an.

      Der Vesuv ist augenscheinlich ein uralter Berg, dessen Krater einst zusammenstürzte, wovon die Risse noch an der Somma zu sehen sind. Alsdenn hat er sich vom neuen durch viele Ausbrüche wieder aufgetürmt. Vorher war es ein einziger Berg; jetzt mag er nicht so schön mehr sein, aber desto furchtbarer.

      Wir sind mehr als einmal oben gewesen, so hat uns dies Schauspiel und die Aussicht ergötzt.

      Kapitel 45

       Inhaltsverzeichnis

      Unser Aufenthalt im Garten der Candida hat uns großes Vergnügen gewährt, aber auch viel von unsrer Freiheit benommen und ist Ursach, daß wir früher zurückreisen, als wir wollten. Nebenan bewohnt einen andern die Geliebte des Sohns vom Vizekönig, eine reizende Spanierin, kaum sechszehn bis siebzehn Jahre alt, sogenannte Gräfin von Coimbra. Diese brennt vor Leidenschaft gegen Fiordimonen; und Candida hat sich mit weniger Geschmack, aber besserm Instinkt in mich und meinen jungen Bart vergafft. Beide sind wir so belagert. Coimbra ist eifersüchtig auf mich und Candida auf Fiordimonen, und der Sohn vom Vizekönig ward es endlich auf uns beide und schöpfte Verdacht gegen alle. Die Komödie fing sich damit an.

      Wir kauften gleich bei unsrer Ankunft in Neapel eine Laute und Zithar zum Zeitvertreib; und die erste Nacht in Portici hielten wir einen Wechselgesang. Coimbra ward entzückt schon von der Stimme Fiordimonens, die, möcht ich sagen, wie ein Arm so stark aus ihrer Kehle strömt mit aller Geschmeidigkeit und Mannigfaltigkeit, vom leisen Lispel bis zum Sturm und in Läufen von erstaunlichem Umfang, jeder Ton perlenrein und herzig.

      Den andern Abend hörten wir ein Lied von unsrer Nachbarin, wozu sie sich auf einem Psalter begleitete. Ihre Stimme ist nur schwach, einfach und von wenig vollen Tönen, aber silbern und süß von Empfindung; was sie sang, war ein Meisterstück spanischer Poesie, und wir haben davon nur die ersten Strophen behalten.

      Quando contemplo el cielo

       de innumerables luces adornado;

       y miro hazia el suelo

       de noche rodeado

       en sueño y en olvido sepultado:

       El amor y la pena

       despiertan en mi pecho un ansia ardiente,

       despide larga vena

       los ojos hechos fuente,

       Oloarte, y digo al fin con voz doliente:

       »Morada de grandeza

       templo de claridad

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