Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Religion auszuüben verlangten und damit weder stören noch darin gestört sein wollten. Es wären in diesem Jahrhundert mancherlei Sekten unter den Christen entstanden, die sich einander bis aufs Blut haßten und verfolgten, unter andern eine, die sich Todesleugner nennten und glaubten, daß die Natur ein ewiger Quell von Leben und der Trieb alles Daseins Freude sei; deren Meinungen mit der Lehre Mahomeds in wesentlichen Punkten übereinkämen. Zu dieser hielten sich die edelsten und reichsten Jünglinge und Frauenzimmer und hofften am ersten unter seiner Herrschaft Schutz.

      Ein Held aus ihnen, einer von ihren Anführern, habe flüchten müssen, diene bei ihnen und verrichte seinen Grundsätzen gemäß die tapfersten Taten. Eine Menge würde diesem nachfolgen, wenn sie Sicherheit für ihre Personen und ihr Eigentum wüßten. Der große Vorteil für sein Reich dabei wäre augenscheinlich; außerdem dürften wohl wenige Muselmänner an Feuer im Gefecht gegen die sogenannten Orthodoxen ihnen gleichkommen.

      Amurath wollte den Ardinghello sehen.

      Dieser trat auf in männlicher Jugend und Schönheit, kühn, als ob er selbst ein Sultan wäre, und gefällig wie vor einer Semiramis. Sie sprachen Neugriechisch miteinander, und Amurath blieb von ihm bezaubert; sie waren schier von gleichem Alter, und Ardinghello schmeichelte lieblich und mächtig seiner geheimsten Denkungsart.

      Sie erhielten, was sie wollten.

      Kapitel 47

       Inhaltsverzeichnis

      Ardinghello schrieb gleich an Demetrin, den er bei seiner Schwäche faßte. Jeder Mensch, auch der festeste Charakter, hat seinen Grad von Schwärmerei; die reinste Vernunft so wie die geringste Insektenseele, ihre Ebbe und Flut unter dem Mond. Und sandte geheime sichre Werber aus nach Venedig, Genua, Florenz mit starken Summen zu Reisegeldern. Er kannte die vortrefflichste Jugend in allen diesen Städten, und sein Name schon allein war genug Verführung.

      Den neuen Frühling bewegte sich alles in den lustigen Inseln. Sie befestigten zuerst die Häfen von Paros und machten besonders den Hafen Nausa, wo die größten Flotten sicher liegen, ganz unüberwindlich. Demetri kam bald mit zwei Schiffen voll jungen tapfern Römern und blühenden Römerinnen in den zauberischen Gegenden seiner Geburt an, und Künstlern: Architekten, Bildhauern, Malern, äußerst mißvergnügt vorher über ihren Lebenswandel, und hatte seinen Abzug mit wunderbarer Klugheit bewerkstelligt.

      Sie brachen Marmor in den reichen Gängen des Bergs Kapresso zu Tempeln, öffentlichen Palästen und Versammlungshallen; das alte Athen unter dem Perikles schien wieder aufzuleben. Und es lebte wirklich und verklärt auf. Nach Vertrag und Übereinkunft mit dem Ardinghello und Diagoras predigte Demetri erst insgeheim Auserwählten seine neue Religion; die mehrsten andern fielen hernach diesen bald bei, und endlich alle. Tolomei tat Wunder mit seiner Schönheit und einschmeichelnden Zunge. Wir waren meistens lauter unbefangne Jugend.

      Ein neues Pantheon wurde der Natur aufgeführt, ein Tempel der Sonne und den Gestirnen, ein Tempel der Erde, ein Tempel der Luft und einer auf einem Vorgebirg in die See hin thronend dem Vater Neptun, und dann noch ein Labyrinth angelegt von Zedern und Eichen zur künftigen schauervollen Nacht für Zweifler dem unbekannten Gotte. Der Tempel der Erde, der Tempel der Luft und das Labyrinth kamen nach Naxos, der Tempel der Erde in ein entzückendes Tal.

      Während der Zeit hatte Fiordimona den größten Teil ihrer Güter zu Gelde gemacht und überraschte mit einem kleinen Kastor und einer kleinen Helena den glücklichen Ardinghello; sie ward von der Coimbra begleitet, die sich mit List und Gewalt zu Neapel mit ihr einschiffte, und einer auserlesnen Schar.

      Ich konnte Cäcilien nicht länger widerstehen, ihrem Gram und Kummer. Sie schien dieselbe nicht mehr, die sie bei den großen Szenen ihres Lebens war; aber eben dies machte sie mir immer liebenswürdiger. Nach dem Tode meiner Braut und unsrer Reise glaubte man in Venedig allgemein bei unserm vertrauten Umgange, und selbst ihre Brüder und Eltern, daß wir uns bald vermählen würden. Sie verkaufte unter allerlei Vorwand ihre reichsten Güter; wir segelten, wie zu einer Lustreise, aus der alten Residenz des heiligen Markus nach Ancona, schifften uns dort ein nach Smyrna und kamen auch an. Welch ein Auftritt, Ardinghello, sie und ich! So hat die Freude ihren Nektarrausch noch in wenig Herzen ergossen.

      Alles ging nach Wunsch, nur Fulvia war unglücklich. Sie flüchtete auf einem Schiffe Genueser, dem man nachsetzte. Es kam bei dem Golfo von Tarent zu einem mörderlichen Gefechte, wo sie die volle Ladung eines Mörsers traf und in Trümmern zerfleischte. Die jungen Helden schlugen sich jedoch durch und langten an, und brachten zugleich die Nachricht: Lucinde sei zu Lissabon, vermählt mit dem Florio Branca, welchen der König zum obersten Admiral seiner ganzen Schiffahrt gemacht habe.

      Gabriotto band dem Ardinghello nichts auf, als er ihm erzählte, ein portugiesischer Prinz sei der wahre Vater von Lucinden. Dieser war vor kurzem auf den Thron gestiegen und ließ nun die provenzalische Frucht seiner Liebe aufsuchen, weil er mit seiner Gemahlin ohne Kinder blieb. Und Lucinde kam schon vorher in der klösterlichen Einsamkeit wieder zu sich von ihrer Leidenschaft, wofür sie genug gebüßt hatte, und ließ ihren wohl größtenteils verstellten Wahnsinn. Sie ward wie im Triumph mit einem prächtigen Schiff unter Bedeckung von andern abgeholt. Die Großen des Reichs lagen der himmlischen Schönheit bald zu Füßen; aber das edle Herz wählte seine erste Liebe.

      Ihre Ehe war äußerst glücklich; sie zeugten viel Söhne und Töchter, von welchen jene der Vater zu Helden bildete und diese die Mutter durch ihr unvergleichliches Beispiel zu trefflichen Wirtschafterinnen und frommen, zärtlichen und keuschen Frauen.

      Ardinghellon war ein ander Los beschieden, eine andre Glückseligkeit, von mancherlei Stürmen und Gefahren durchwütet.

      Mazzuolo brachte mit einem starken Trupp Florentinern Emilien noch in seine Arme, und er schien für jetzt Mahomed im Paradiese bei lebendigem Leibe.

      Demetri ward zum Hohenpriester der Natur von allen einmütig erwählt. Ardinghello zum Priester der Sonne und der Gestirne, Diagoras zum Priester des Meers. Fiordimona zur Priesterin der Erde und Cäcilia zur Priesterin der Luft. Coimbra und ich pflegten und warteten das Labyrinth.

      Demetri und Ardinghello und Fiordimona setzten Gesänge auf aus dem Moses, Hiob, den Psalmen, dem Hohenlied und dem göttlichen Prediger; und aus dem Homer, dem Plato und den Chören der tragischen Dichter und ihrer eignen Begeisterung im Italienischen für sich und die andern Priester und Priesterinnen und die Gemeinde, und erfanden heilige Gewänder in echter alter ionischer Grazie und Schönheit. Und die Feierlichkeiten ergriffen bei dem Reize für Aug und Ohr noch mit den starken Bildern aus wirklicher Natur den ganzen Menschen, daß alle Nerven harmonisch dröhnten wie Saiten, von Meistern gespielt, auf wohlklingenden Instrumenten. Alles leere Pöbelblendwerk ward verworfen, und wir wandelten in lauter Leben.

      Darauf richteten wir unsre Staatsverfassung ein nach Rom und Griechenland und studierten fleißig dabei die Republik des Lykurg, des Plato, die Politik des Aristoteles, und den Fürsten vom Machiavell, um uns vor diesem zu bewahren. Platons doppelten Bürgerstand, wo die eine Klasse die Ehrenstellen haben und die andre den Ackerbau treiben soll, vermieden wir weislich, behielten aber die Gemeinschaft der Güter gegen den Aristoteles. Der Haufen Übel, den wir dadurch verbannten, war allzu groß, und der scharfsinnige Prüfer aller zu seiner Zeit bekannten Republiken schien uns hierin die Vorurteile der Erziehung nicht genug abgelegt zu haben. Inzwischen fand noch immer Eigentum statt, nämlich öffentliche Belohnungen; und jedem blieb, was er mit sich brachte, bis ans Ende seiner Tage.

      Ferner waren die Weiber nach dem erhabnen Schüler des Sokrates, jedoch auch nur gewissermaßen, gemeinschaftlich, und so die Männer; das ist: jedes hatte völlige Freiheit

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