Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 175

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

Скачать книгу

mir aber nicht in die Hände gekommen waren, so daß ich nicht wußte, was für Wendungen er bei ihr brauchte und wie sie zusammen standen. Ich mochte mich nicht mehr dreinmischen und einem Tauben predigen, ließ aber nun doch, gewissermaßen dazu genötigt, der Sache ihren baldigen Ausgang.

      Cäcilia beredete gleich ihren Vater und ihre Mutter zu einer Wallfahrt nach Loretto. Von ihren Brüdern war einer zu Korfu, und der andre blieb zu Hause. Und so brachen wir denn in der Geschwindigkeit zusammen auf. Sie nahm ihr Söhnchen mit, einen kleinen Engel. Wie ein Vogel, der dem neuen Frühling zueilt, war alles an ihr.

      »O unsern Ardinghello muß ich doch auch gleich sehen!« hieß es zu Florenz. Das Gerücht war schon in der Stadt, daß er einen jungen Anverwandten des Papsts ermordet und sich darauf aus dem Staube gemacht habe. Ich sagt es ihr geradezu, damit sie bei keinem andern durch ihre Leidenschaft Verdacht erregte. »O Gott!« war ihr Wort; und blaß wie eine Lilie und verstummend begab sie sich beiseite. Ihre Eltern befürchteten darauf, sie habe die Krankheit. Sie litt Todesqualen, als sie ferner erfuhr, die Tat sei um Mitternacht vor dem Palaste der Fiordimona geschehen. Die Unglückliche liebte ihn wahrhaftig, und von Grund der Seele.

      Sonderbarerweise hielt sich in demselben Gasthofe Fulvia mit ihrem Gemahl auf; sie hatten Genua wegen der bürgerlichen Unruhen verlassen, worin schon verschiedne Edle dort ihr Leben einbüßten. Ein allgemeines Strafgericht schien wirklich über Italien nach dem Ausspruch der Gottesgelehrten wegen seiner Sünden und Bosheiten verhängt. Auch sie führte ihr Söhnchen, das sie aus voller mütterlichen Liebe selbst säugte, bei sich. Eine wahrhafte Bacchantinfigur, wie von einem griechischen Basrelief oder einer alten Gemme weg ins wirkliche Leben gezaubert! Die Glut schlug aus ihren schwarzen Augen, und ihre Lippen schienen berauscht zu dürsten. Auch sie mußte das Gerücht von Ardinghellon erfahren haben. Doch lief dabei noch ein andres herum: der Kardinal, Bruder des Großherzogs, habe den Anverwandten des Papsts ermordet, und nicht Ardinghello. Dieser sei entwichen, vermutlich, um nicht in Verhaft genommen zu werden und die Schuld für den mächtigen Kardinal zu büßen. So schwebten wir zwischen Furcht und Hoffnung.

      Fulvia machte sich nach Rom auf, obgleich vor kurzem erst aus dem Kindbette und von der von Genua nach Florenz gemachten Reise ermüdet, und wir bald ihr nach, um an die Quelle zu gelangen. Ich ging gleich zu Demetrin, welcher von nichts weiter etwas wissen wollte, als was jedermann sagte, ob ich ihm gleich meine Freundschaft mit Ardinghellon aus deutlichen Proben anzeigte. So schlau und sicher betrug er sich. Auch glaub ich, daß Ardinghellos Tante der ganzen Begebenheit kundig war; aber beide liebten ihn schier wie sich selbst, und bei solchen Gefahren kann man nicht genug behutsam sein.

      In Rom erfuhren wir noch, daß der Kardinal sich dieselbe Nacht, wo der Anverwandte des Papsts sei ermordet worden, die Hände und Arme von zwei der geschicktesten Chirurgen habe verbinden lassen, die ihm mit starken Wunden wären verhauen gewesen. Tags darauf hab er und Fiordimona Wache vor ihre Zimmer bekommen, seien aber bald wieder davon befreit worden; nur hätte der Papst ohne weitere Untersuchung Fiordimonen von Rom verbannt und auf ihre Güter verwiesen. Die Sache läge so vertuscht, und man laure Ardinghellon doch als dem Täter auf und habe Kundschafter allerorten nach ihm ausgesandt.

      Gewissere Nachricht konnten wir nicht erhalten. Wir reisten von Rom ab nach Loretto und hielten uns Sommer und Herbst in den Gebirgen des Apennin auf; Cäcilia und ich mit tiefer Trauer in der Seele, daß der Kardinal unsern Liebling heimlich möchte aus dem Wege geräumt haben. Nach und nach wurden wir vertrauter über diesen Punkt; sie gestand mir endlich von selbst ihre Leidenschaft und faßte Mut auf meine tiefe Treue, weinte wie ein Kind über ihre unseligen Schicksale und daß sie endlich hatte, wo sie ihr angeschwollnes Herz erleichtern konnte. So umschlang uns beide das Band einer vertrauten und innigen Freundschaft.

      Kapitel 46

       Inhaltsverzeichnis

      Endlich im November erst empfing ich einen Brief von diesem, der schon im August geschrieben, aber von Demetri oder seiner Tante, denn von der letztern kam er zu mir, verspätet worden war. Mir dünkte, als ob ich von einem fürchterlichen Traum erwachte und den Glanz der Morgenröte schaute, als ich die Züge seiner Hand erblickte.

       Brindisi, August.

      Meine widerwärtigen Schicksale erheben mich mehr, als daß sie mich niederschlagen sollten; je stärker der Widerstand, desto gedrungner und geschwellter regt sich alles in mir. Ich glaubte schon in Genuß und Ruhe zu sein, und jetzt erst beginnen meine Arbeiten. Ich seh in ein neues Leben hin, und das hohe Getümmel ergreift meine Sinnen. Gut, daß ich nicht wie ein Kind hineinkomme! Das Leben des Jünglings ist Liebe, das Leben des Mannes Verstand und Tat.

      Ach, daß ich Dich nicht noch einmal sprechen durfte! Wir kamen bei Nacht zu Rom an; ich schickte Hälen mit meinen Pferden voraus und wollte mit Fiordimonen auf ihr Gut alle Vene nachfahren, um uns dort zu vermählen. Sie hatte deswegen in der Stadt verschiednes zu besorgen und mitzunehmen; aber es ist alles nun zerstört und zerrissen. Ich versteckte mich auf die drei oder vier Tage bei Demetrin, damit mich der Kardinal nicht wittern möchte; sie hatte mir manches erzählt, wie er sie mit seiner Liebe verfolgte und daß sie ihn nicht leiden könnte.

      Die zweite Nacht kam ein fürchterliches Donnerwetter ohne Regen über Rom, und es schmetterte Schlag auf Schlag, als ob alles untergehen sollte. Statt daß ich sonst große Freude an diesen Naturbegebenheiten habe und mich daran nicht satt hören und sehen kann, wurde mir diesmal selbst bang im Herzen. Der Mensch ist ein sonderbares Wesen und voller dunkeln Gefühle, die kein Philosoph aufklärt; es war gewiß Ahndung dessen, was mir bevorstand. Ich warf meinen Mantel um mich und nahm den bloßen Degen auf alle Gefahr unter den Arm und ging fort, um Fiordimonen in der schrecklichen Nacht nicht allein zu lassen; in ihrem Palaste waren den Sommer über nur ein paar alte Bedienten und Frauen zurückgeblieben. Sie hatte mir den Schlüssel zu einer Seitentür gegeben.

      Ich eilte, und ging oft wieder langsam, und hielt im Schritt ein. Endlich kam ich in das kleine Gäßchen an den Garten, wo ihr Schlafzimmer ist, und wurde plötzlich angefallen mit einem Dolchstoß in die Seite. Ich sprang zurück, Blitze machten die Finsternis hell und zum Tage; erblickte den Mörder, der mir nicht ausweichen konnte. Er rennte noch einmal auf mich zu, mich zu unterlaufen, und ich stieß ihn auf der Stelle nieder. Bei diesem allen wurde kein Wort ausgesprochen, indes der Donner um uns brüllte, daß die Erde dröhnte.

      Kaum war dies vorbei und ich im Begriff, den Leichnam wegzuschleppen, so tritt eine andre verkappte Gestalt auf und setzt mit Tigersprüngen auf mich ein, daß ich mit Not den Augenblick erhasche, mich zur Wehre zu stellen. »Vermaledeite Brut!« hört ich die Stimme meines Kardinals, der in die vorgehaltne Klinge mit der Brust lief, die ich bepanzert fühlte. Erstaunt und erschrocken über alle die Folgen, tat ich nichts als ihn von mir abhalten, gebrauchte meine ganze Stärke und war bald so glücklich, daß ich ihm den Degen herausschlug, hieb ihn auf die Hände, womit er in Raserei mein Gewehr fassen wollte, schonte sein Leben und lief dann davon und durch Nebenwege wieder zu Demetrin.

      Diesem erzählt ich gleich, was geschehen war, und vertraute ihm das Hauptsächlichste meiner Geschichte mit Fiordimonen; und sein großer edler Charakter erhielt hier Gelegenheit, sich zu zeigen. Er verbarg mich unerforschlich und half mir die folgende Nacht fort, nachdem wir erfuhren, daß der Ermordete, den wir zuerst für einen Banditen hielten, selbst Vetter des Papsts, der jüngere B***, sei. Auch dieser war wütend in Fiordimonen verliebt, ob sie mir gleich nie etwas von ihm gesagt hat. Meine Wunde ging nur gestreift über die Rippen weg; das Stichblatt vom Degen im Arm hielt den Stoß auf, und wir brauchten dazu keinen Chirurgen. Tolomei verkleidete sich mit mir in einen Franziskaner, und so sind wir die Pontinischen Sümpfe zu Fuß durch und von Capua durch Kalabrien nach Brindisi. Heroen, echte wie Theseus und Perithoos, wie Orestes und Pylades, Demetri und er. O der Mensch kann groß sein in jedem Zeitalter, und das Edle in seiner Natur bleibt immer irgendwo noch auf

Скачать книгу