Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 171

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

Скачать книгу

unter der Bedingung, daß ich zuweilen nach Florenz komme und den schon angelegten Palast der Bianca besorge. Übrigens hab ich dort eine gute Partei für mich zurückgelassen, und in manchem Hause lebt die Hoffnung, mich zum Gemahl und Schwiegersohn zu erhalten.

      Polyb und die Gegend ist nun mein Geschäft, und zur Abwechslung bau und pflanz ich. Der deutliche Sinn mancher Wörter in der Taktik der alten Griechen und Römer hat mir anfangs bei ihm zu schaffen gemacht; doch bin ich bald durchgedrungen und damit zu Rande gekommen. Dies ist ein Geschichtschreiber, wie sie sein sollen; der das verstand, worüber er schrieb, noch zur rechten Zeit lebte und Menschen und Örter kannte.

      Unter allen Heldenzügen ergreift mich keiner so wie der des Hannibal durch Italien; und es geschieht nicht bloß deswegen, weil ich Land und Boden und die Geschichte der kriegenden Völker besser kenne. Der des Alexander durch Persien ist romantischer und hat mehr barbarisches Getümmel um sich; aber der des Afrikaners hat mehr Einheit, Nerve und Kernathletengeist; und es ist ein ganz ander großes Naturschauspiel, zwei solche Republiken sich in den Haaren liegen zu sehn als einen bloßen Darius und Sohn Philipps.

      Von seinem Satz an über den wilden schnellströmenden Rhodan unter Avignon und kühnem Marsch durch die reißenden Wetterbäche, über den hundertjährigen Schnee und das schneidende Eis der gräßlichen tiefen Täler und himmelhohen Alpenklippen dünkt mich in jeder Schlacht nur ein olympisches Faustbalgerspiel zu sehen. In der bei der Trebbia, am Trasimenischen See, besonders am Aufidus, packt er überall mit seinem tapfer gebildeten Haufen so gewandt seinen starken ungelenken Gegner und wirft ihn zu Boden, und schlägt ihm Zahn und Nase und Ohren und Backen in einen blutigen Brei zusammen. Er verstand die Kunst zu siegen wie keiner, behandelte Armeen von Hunderttausenden vor und mitten und nach der Schlacht wie einen einzelnen Mann, an jedem Fleck, bei jeder Schwäche voll Vorsicht, Bewegsamkeit, Mut und Schlauheit und Gegenwart der Seele: bis auf so einfache Grundsätze hatte er das weitläuftige Kriegshandwerk von der ersten Jugend an gebracht. Halbgötter erkennt man erst recht bei wichtigen Zeitpunkten.

      Welche Reihe Taten nacheinander! Was sind Millionen Menschen gegen diesen einen, die ihr Leben lang nicht eine einzige solche Stunde haben! Ein Heldengedicht möcht ich singen über ihn von den Pyrenäen an bis wo die Scylla um den Fuß des Apennin rauscht.

      Wie ein echter unbezwinglicher rächerischer Löwe streift er Italien durch, reißt Rinder und blökende Herden nieder; und das vom Homer schon verbrauchte Gleichnis ist zum erstenmal wahr geworden.

      Das römische Volk, das seine Bildsäulen in die Straßen stellte, wo sie am furchtbarsten gesehen wurden, und sich hernach seinetwegen noch an den Mauersteinen von Karthago ereiferte, zeigt den Mann auch bei dem Feind, und anders als die ungerechten Horaze und Liviusse; und Virgil krümmt dem Überwinder bei Cannä mit seiner Hofspötterei der Dido kein Haar.

      Der Ausbund von Karthaginenser ging dem römischen Staatskörper auf das Herz los; und außerdem kannt er die Menschen gut genug, um zu wissen, daß jeder seine größten Feinde in der Nähe hat: und fand es so bei den welschen Galliern.

      Die Schlacht an meinem See ziert mir hier die Gegend ganz anders aus als Konstantins Schlacht vom Raffael das Vatikan. Die furchtbaren Wörter, die wunderbar davon noch immer übriggeblieben sind, als Ponte Sanguinetto, Ossaja, Spelonca, gehen mir immer wie eine Brandfackel in die Seele, wenn ich da herumreite, so daß ich zuweilen vor Hitze und Ungeduld nicht auf dem Pferde bleiben kann und herunter in ein Wirtshaus muß, um einen frischen Zug zu tun von Römergrimm, der hier ins Gras biß und noch die Weinfelder düngt.

       Treve, April.

      Ich schreibe Dir im Fluge, weil ich Dich künftigen Sommer bei mir haben muß, um Dir die Schönheit und den Reiz auch meiner Gegenden zu zeigen und sie mit Dir zu genießen, glücklicher noch, als ich mit Dir die Lombardei an Deinem Lago genoß. Mache Dich beizeiten auf und kehre bei meiner Tante zu Florenz ein, wo wir uns treffen werden.

      Ich lag bei Passignano, nicht weit von meiner Wohnung, auf einer fruchtbaren Anhöhe, wo man den See überschaut, unter hohen Ulmen und Eichen, zwischen alten Ölbäumen und Zypressen und blühenden Wipfeln, den neuen Gesang der Nachtigallen um mich, noch früh am Morgen; und tat nichts als hören und betrachten in Freude, wie ein Kind ohne weitere Gedanken; doch ahndeten süße Regungen in meinem Herzen entzückende Dinge.

      Und sieh!

       auf einmal reitet aus dem Hohlwege, mit einem Boten voran, ein junger Ritter hervor auf einem kastanienfarben königlichen Rosse, dem auf einem andern ein Mohr folgt. Eine Engelsgestalt der Jüngling, wie er näher kam in rundem Hut mit Federbusch, kurzem spanischen scharlachnen Mantel, Halbstiefeln, die vollen Schenkel und den schlanken Leib in weiches Leder gekleidet, ein blitzend Schwert über den Rücken an seinen Lenden und Pistolen im Sattel.

      Ich kannte das halbversteckte Gesicht und wußte mich nicht dreinzufinden. »Ist sie es, oder täusch ich mich?« fuhr ich schnell auf, wie der reizende Ritter bald bei mir war.

      Er erblickte mich, hielt ein mit lächelnder Verwundrung, sprang vom Pferde: und Fiordimona und ich hielten uns umschlungen mit wonneglänzenden Blicken, gierigen Seelenküssen.

      Ich schrieb ihr noch von Florenz aus; auch sie begab sich ohne weitere Nachricht auf eins ihrer Güter in der Nachbarschaft, wovon sie mir nie etwas gesagt hatte, und kam nun, mich zu überraschen und zu einer Lustreise abzuholen. Zu Perugia, wo sie den Tag zuvor eintraf, saß sie gegen Morgen noch in der Dunkelheit auf und war bei mir in wenig Stunden.

      Sie blieb nur zwei Göttertage bei mir; alles, was zu Cortona Liebe fühlen kann, geriet schon im Vorübergehen bei ihrer Annäherung in eine solche Feuersbrunst, daß wir uns plötzlich in der Stille davonmachen mußten, damit meine Wohnung nicht wie Lots Haus belagert würde.

      Fiordimona veränderte ihre Kleidung in etwas, und ich gab ihr andern Hut und Mantel, um weniger bemerkt zu reisen. Sie scherzte selbst über ihren vorigen Putz und daß die Weiber ihn nie vergessen könnten, und so verkappten wir noch ihre Mohrin. Ich nahm meinen jungen treuen Schweizer Häl, einen Gemsjäger aus Wallis von den Quellen des Rhodan, mit mir; und Paar und Paar zogen wir in der Nacht ab. Vorher schrieb ich an den Herzog eine notwendige Lüge und an meine Tante um ein paar starke Wechsel.

      Zu Perugia weideten wir uns inniglich, nach eingenommenem Frühstück, an den Raffaelen, welcher ihr Liebling ist, und den Werken seines Lehrmeisters. Ritten dann die Höhen herab nach den anmutigen Tälern und über die Johannisbrücke, worunter der Tiberstrom reißend in rauschenden wilden Fluten wegschießt, und hielten Mittagsrast auf dem schönen Hügel Assisi im heiligen Kloster.

      Die Nacht blieben wir in Foligno. Den Morgen darauf zogen wir durch das reizende Tal, das an malerischen Schönheiten und Fruchtbarkeit seinesgleichen nächst der Lombardei vielleicht nur wenig auf dem ganzen Erdboden hat, und schieden uns bei Treve abgeredetermaßen.

      Sie begab sich wieder auf ihr Gut, welches nicht weit davon liegt und wo wir zusammenkönnen, wenn wir wollen.

      Kapitel 44

       Inhaltsverzeichnis

      Mein Lustörtchen hat die schönste Lage der ganzen Gegend und ist an einen runden, nicht hohen Berg die Hälfte herum gebaut, der einen weiten Olivenwald ausmacht. Die Menschen scheinen sich wie Vögel in die Bäume mit ihren Häusern obenhin genistet zu haben. Man übersieht von hier aus das ganze Tal von Spoleto bis Fuligno, Assisi und Perugia, und der Flecken heißt mit Recht der Redeplatz (la Ringhiera) von Umbrien.

      Fiordimona hat ihren Aufenthalt in üppigen Gärten von Fruchtbarkeit und Lieblichkeit bei den Quellen des

Скачать книгу