Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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angenommnen Maße, das dann Verhältnis in Bewegung und Verbindung nach seiner Realität und Form zueinander hat.

      Wie er unendlich wirkt und ist, allgegenwärtig, erhaltend und über seine Schöpfung erhaben, was weiß der Mensch! das geht nicht in uns, wie er ein Ganzes sei nichts außer ihm; solche Gewalt und Schönheit ist der verschwindenden Kleinheit allzu unermeßlich. Wir erliegen und können nur anbeten, bewundern und erstaunen.

      Aber den Grund und die Wahrheit von allem andern Lebendigen haben wir in uns, wovon die Sinnen nur die Oberflächen oder einzelne Äußerungen empfinden; oder das Wesen hat die Regeln von allem in sich, wie es Verschiednes wird und ist.

      Wesen, als das erste, ohne Form, und Form in Bewegung, gedacht, ist weder Verstand noch Körper; beide können nicht ohne Form bestehen, handeln nicht, sondern sind Handlung, Wesen in Form, und Wesen an und für sich in beiden gleich. Jedes kann die Folge von dem andern in dem Wesen sein, wie ein Gedanke von dem andern; denn beides, Gedanke und Körper, samt dessen Bewegung ist von demselben Wesen Tat. Wesen vollendet ein zusammengesetztes Ganzes in Folgen von Handlungen, eine Salaminische Schlacht, einen Olympischen Jupiter, wie Geschöpfe. Sein Bewußtsein, das auf einmal alle Folgen faßt, gibt die Einheit.

      Daß Gott unendlichen Verstand habe und unendliche Welten ausmache, scheint ein Widerspruch; denn alle Form ist Schranke. Gewiß dünkt mir schon, daß ich, und so jeder andre Mensch, und jedes andre lebendige Geschöpf nicht immer lauter Wesen in Form sei. Die Freiheit, etwas anzufangen, Ursache von einer Wirkung zu sein und nicht zu sein, sich von der Stelle zu bewegen oder nicht zu bewegen, Form anzunehmen und nicht anzunehmen, welche nicht kann geleugnet werden, wenn nicht alles von einem grundlosen Schicksale gepeitscht handeln soll, erfordert ein reines Wesen ohne Form, einen Mittelpunkt der Sammlung.

      Und dies ist das Heilige (welches einige Alten für Feuer, Ursprung der Lebenswärme hielten, weil Feuer wäre: Wesen in seine größte Freiheit verbreitet), wovon alles in jedem lebendigen Eins ausgeht, sinnlich wird und erscheint und in dessen Liebesschoß sich alles wieder einsenkt; vor dessen Sein und wunderbarer Allmacht, Despotismus und allertiefstem Gehorsam jede Philosophie verstummt, nur erkennt: es ist, und ihm seine Art zu handeln ablauert.

      Manches in der erhabnen Beschreibung des Aristoteles von Gott scheint hierauf zu passen.

      Dies ist das unbegreiflich Göttliche, was in allem lebendigen Einzeln verdaut und Körper wieder zu reinem Wesen auflöst, sich selbst und dieses wieder nach Form seines gegenwärtigen Eins verwandelt, neue derselben Art erzeugt und auf deren immer größere Vollkommenheit und mehrere Freuden denkt.

      Wenn Eins Alles ist, so ist jede Form desselben ursprünglich freie Handlung; denn es läßt sich kein Grund denken als seine Lust, warum es aus sich so mancherlei wird. Und Allgenuß seiner Kraft ist die höchste Freiheit.

      Kapitel 40

       Inhaltsverzeichnis

      Das Wesen hat also die Welt nach seiner Lust aus sich erschaffen und in mannigfaltige, für uns unendliche Formen geordnet. Wie? und ob auf einmal oder nacheinander? können wir nicht ergründen. Soviel wissen wir, daß sich die Schöpfung durch immerwährende Erneuerung immerfort erhält. Genug; die erste Form muß einen Anfang gehabt haben, weil keine notwendig und ewig ist. Unendliches läßt sich nur von einem Wesen denken, und der Verstand kann nur in einem seine Ruhe finden.25

      Durch Wirken und Gegenwirken ist das All in schönem Leben. Das Wesen äußert immer seine Kraft, so wie immer die Sterne leuchten und umeinander durch die Himmel schweben. Auch wann wir schlafen, bewegen wir unsern Erdball um seine Sonne. Wie vieles andre mag das Wesen in uns tun, ohne daß wir uns dessen bewußt sind und wofür die Sinnen keine Sprache haben! Unsre innige Vereinigung mit dem Ganzen herrscht immerfort, und wir sind nur zum Schein ein Teil davon; jedes besondre Ding ein Spiel, ein Mutwille des Wesens, und kann keinen Augenblick ohne das Ganze bestehen.

      Das ist eine ganz andre Hoffnung, Sicherheit von Unsterblichkeit, wann ich Stürme durch die Atmosphäre brausen höre und in mir fühle: bald wirst auch du die Wogen wälzen und mit dem Meer im Kampf sein! Wann ich den Adler in den Lüften schweben sehe und denke: bald wirst auch du in mächtigem Fluge so über dem Rund der Erde hangen! als Komet durch die Himmel schweifen, Sonne Welten beglücken! und, stolzer Gedanke! wieder in das Meer des Wesens der Wesen einströmen!

      Aber auch das Verächtlichste werden?

      Wer weiß alles, woran das Wesen seine Freude hat? Offenbar erscheint es uns in unendlichen Gestalten. Und dann könnten wir noch für so viel Genuß ein wenig leiden, für so lange Herrschaft kurze Zeit dienen.

      Eins zu sein und Alles zu werden, was uns in der Natur entzückt, ist doch etwas ganz anders als das Schlaraffenleben, welches, vernünftigerweise und aller Erfahrung nach undenkbar, bezauberte Phantasien sich vorstellen.

       Und warum sollten wir nicht in der ewigen Natur noch verehren, was wir immer wirksam, schön und gewaltig darin empfinden? Die ersten Ausgesandten – Diener Gottes? – uns sinnlich vereinigen mit den höhern Schwestern und Brüdern? Nur Verstand von wenigen dringt durch all das prächtige Getümmel durch bis zum Throne des Herrn! Warum wollen wir die Welt nicht nehmen, wie sie ist?

      Aber wir alle sind über kurz oder lang mit der Gegenwart nicht zufrieden, und das Wesen trachtet immer nach Neuem. -

      So viel mögen wir wohl auch bei dem hartnäckigsten Zweifler herausgebracht haben, daß etwas außer uns ist, unermeßlich unsern Sinnen; und da Anfang aus Nichts der Realität nach unmöglich ist, notwendig und ewig; und daß dies Wesen, bis auf das alleräußerste aufgelöst, entweder durchaus einerlei sein muß oder verschieden.

      Wenn verschieden, so muß eine Art davon, wo nicht das Höchste, Beste und Mächtigste, doch wenigstens so gut sein als die Art Wesen, die in uns (und allem Lebendigen) denkt und Verstand hat. Und wo nicht verschieden, so muß es wenigstens wieder ebenso gut sein, da es alles ist. Und da wir augenscheinlich nur geringe Kleinigkeiten sind gegen das Universalwesen entweder unsrer Art oder das Wesen überhaupt, so wär es arg, wenn wir es nicht als etwas Höheres verehren wollten.

      Das letztere wäre dann die allerreinste Weltmonarchie.

      Und darauf beruhte vielleicht (denn wer kann die farbenwechselnden Einbildungen der Hohenpriester und Schriftgelehrten darüber bestimmt ansagen?) das jüdische System und das geheime ägyptische und noch das christliche. Jesus, der Stifter des letztern, wäre mit seiner göttlichen Natur Symbol des unendlichen Wesens in Formen,26 da das unendliche Wesen ganz und vollkommen, ohne Widerspruch kein Mensch in Person sein kann. Die alten Ägyptier mochten bei Verehrung verschiedner Geschöpfe und Gewächse ähnliches denken. Und noch andre alte morgenländische Religionen scheinen davon auszugehn.

      Das erstere wäre entweder reine Weltaristokratie, jedes Element nämlich so göttlich als das andre; wo nach dem Homer Juno, Neptun und Apollo den Zeus binden könnten. Oder aristokratische Weltmonarchie; ein Element unter den andern der König. Oder demokratisch-aristokratische Weltmonarchie; Tiere und Pflanzen schon der Form nach von Ewigkeit da, wie Ihr oben selbst meintet.

      Aus diesem haben die Griechen ihre reizenden Dichtungen und schönen Göttergestalten geschöpft; und die erhabensten Philosophen dieser gefühlvollen Nation, wie selbst Aristoteles und Plato, konnten sich davon nicht losmachen. Wenn ein großer Haufe zusammen glaubt, kann er leicht einen guten Mann überwältigen! Durch Lesung ihrer Meisterstücke von Poesie und Beredsamkeit und bezaubernden sinnlichen Vorstellungen wissen wir aus unserm eignen Glauben nicht mehr recht klug

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