Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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ist es Zeit, von diesen Dunkelheiten auf den Aristotelischen Gott zu kommen, den König der Elemente, der alles auflöst und aus seiner Trägheit in die Freiheit, zu handeln, setzt.

      »Eine Bewegung«, sagt der Weise, »muß die erste oder muß ewig sein, die durch keine andre hat können hervorgebracht werden. Sie bedarf der Regung nicht von etwas anderm, sondern ist selbständig, immer in Wirklichkeit und nie bloß in Möglichkeit, sonst würde aller Grund von Leben und andrer Bewegung fehlen. Sie ist schlechterdings notwendig, und man muß sie an und für sich annehmen.

      Wir können uns keine andre Bewegung in sich selbst ewig denken als die kreisförmige, und kreisförmig ist sie der Vernunft und der Tat nach.

      Sie bewegt, von nichts bewegt, für sich das Begehrliche und Verständliche.

      In ihr schwebt der Himmel und die Natur. Ihr Leben ist das beste, so wie wir es nur kurze Zeit haben; denn sie bleibt immer dieselbe, welches uns unmöglich ist. Ihre Wirksamkeit ist Wollust; durch sie ist das Wachen, die Empfindung, das Denken das erfreulichste. Hoffnungen und Erinnerungen stammen davon.

      Das Denken an und für sich selbst gehört zum Besten an und für sich selbst und das abgezogenste zum Vortrefflichsten. Der Verstand denkt sich aber durch Annehmung von Verständlichem; und verständlich wird er berührend und denkend, so daß Verstand und Verständliches dasselbe; denn das Fassende des Verständlichen und des Wesens ist Verstand. Er wirkt im Haben, so daß jenes mehr als dieses, was der Verstand Göttliches zu haben scheint, und die Betrachtung ist das Erfreulichste und das Beste.

      Wenn also Vollkommenheit ist, wie wir zuweilen beschaffen sind, so ist Gott immer verehrungswürdig; wenn Höheres, noch verehrungswürdiger. Und so verhält es sich.

      Auch herrscht wahrhaftig Leben in ihm; denn Wirksamkeit des Verstandes ist Leben, und er ist die Wirksamkeit. Die Wirksamkeit aber an und für sich ist sein bestes und immerwährend Leben. Und wir sagen, daß Gott ein immerwährend bestes lebendiges Wesen sei, so daß Gott Leben und beständige immerwährende Dauer hat. Denn das ist Gott. -

      Das Gute und Beste ist aller Natur Zweck. Sie gleicht einer Armee mit ihrem Feldherrn, und das Wohl besteht in der Ordnung. Vögel, Tiere und Pflanzen und was schwimmt, hat seine gewisse; keins aber scheint füreinander, sondern es ist Eins, wofür alles geordnet ist. -

      – Alles in der Natur hat wieder etwas Böses in sich, insofern es nicht das Eins ist, auf welches sich alles bezieht. Wir alle nehmen Anteil an Gott, und er macht das Ganze.« -

      Kurz, es ist eine allgemeine Bewegung, die alle Elemente zu ihrem Vergnügen in Ordnung erhält und macht, daß sie sich ihrer Natur nach zu einzelnen Ganzen formen, und jedem von sich mitteilt wie ein Hausvater seinen Kindern, Sklaven und Tieren. Jedes ist glückselig nach Art seiner Bestandteile und trägt so die Übel seiner Zusammensetzung. Gott allein ist ewig im Genuß seines reinen Wesens, wie jedes nur die wenigen Momente seiner höchsten Kraft und Einheit.

      Darauf folgert er: »Es sind so viel Götter als selbständige kreisförmige Bewegungen, der Fixsternhimmel faßt sie, und alle insgesamt machen nur einen.« -

      Wenn Wesen verschieden ist, so muß wohl eine Art davon das beste und mächtigste sein. -

      Kapitel 39

       Inhaltsverzeichnis

      Die Sonne hatte sich geneigt, und wir stiegen vom Gewölbe der Rotunda wieder hinab.

      Ich beschloß auf der Treppe:

      »Jeder versteht sich selbst am besten; und so mag auch Aristoteles am besten verstanden haben, was Wahres und Erträumtes in seiner gestirnten Nacht von Worten liegt. Über Wesen, dessen Begierde und Scheu, Ruhe und Bewegung und Entstehen des Einzelnen werden wir uns noch lange vergebens die Köpfe zerbrechen und die erhabensten Männer Schwachheiten vorbringen. Wenn alles in der Welt so begreiflich wäre, wie wir verlangen, so würden wir nicht halb so glücklich leben und vor Langerweile über aller der Klarheit und Deutlichkeit vergehen. Es müssen Wunderdinge für uns sein! Wir müssen Rätsel haben, wie die Kinder, um das, was in uns denkt, damit zu beschäftigen.«

      Wir traten wieder in das Pantheon. Und um diese Zeit muß man es sehen, wann die stille Dämmerung sich einsenkt! Da fühlt man unaussprechlich die Schönheit des Ganzen; die Masse wird noch einfacher für das Auge und erquickt es lieblich und heilig. Dann ist es so recht der weite hohe schönheitsvolle Zauberkreis, worin man von dem Erdgetümmel in die blauen heitern Lüfte oben wegverzückt wird, und schwebt, und in dem unermeßlichen Umfange des Himmels atmet, befreit von allen Banden.

      Wir setzten uns in den süßesten Punkt und genossen.

      Nach langer Stille umschlang mich Demetri zärtlich und sagte einige Worte über die ehemalige Minerva des Phidias (Tochter aus dem Haupte des Zeus, Verstand aus dem Wesen) und die griechische Venus hier (Lust der Sinnen, Wonne des Daseins) – und fuhr gerührt dann weiter fort:

      »Gott ist entweder die ganze Natur oder ein Teil der Natur, oder die Natur besteht für sich aus ewiger notwendiger Bindung und Lösung verschiedner Wesen, und es ist kein Gott, sondern lauter Schicksal.

      Daß Gott die ganze Natur selbst sei, ist der älteste Glaube.

      Daß er ein Teil der Natur sei, der jüngere; das edelste beste Leben darin, wie Aristoteles sagt; ein Wesen, das sich von selbst in sich, seinen Einheiten, wenn ich mich so ausdrücken darf, immerfort bewegt, ganz aus Tätigkeit besteht. Dessen Charakter gerad es ist, nie gebunden zu werden, es sei von was es wolle; das lieber das Böse freiwillig täte als das Gute gezwungen, wenn es ein Böses für dasselbe geben könnte. Das vermöge dieses Charakters alles andre löst, was sich seiner minder regsamen Natur nach bindet; kurz, eine unendliche Unruhe in der unendlichen Uhr der Zeit.

      Anaxagoras führte zuerst diesen Glauben ein, Plato verschönerte ihn mit Dichtungen, Aristoteles plagt sich, denselben in ein vernünftig System zu bringen, scheint aber mit sich selbst darüber noch nicht einig.

      Verstand dünkt ihm das Göttlichste unter allem, was wir kennen; und dies zwar wegen des Denkens, welches keine zufällige Eigenschaft, sondern immer rege Wirksamkeit, selbständig Leben sei, indem es dem Verstande sonst beschwerlich werden müsse.

      Wenn aber der Verstand das Göttlichste und selbständige Wirksamkeit sein solle, so könn er, dünkt ihm ferner, nichts anders als sich selbst denken; denn er würde, wenn er etwas anders dächte, zu einer bloß zufälligen Eigenschaft, und könnte denken und nicht denken, außer dem, daß er sich erniedrigte.

      Ich sehe nicht ein, was uns ein solcher Gott hilft, auf was für Art er alles bewegt, wie er sich den Geschöpfen mitteilt. Und was ist dann Materie, was sind Elemente? Wo kommen sie her? und wie sind sie mit ihm in Zusammenhang, Ordnung und Schönheit? Wenn die Natur selbst lebt und wirkt und ihre notwendige Art zu sein hat und alles Einzelne aus sich hervorgeht und sich selbst forthilft: wozu brauch ich einen Gott? und welch ein Greuel, im andern Fall, das höchste Lebendige, das sich mit dem Tode gattet? Lauter Lücken und Mängel, die nach seinem System nicht auszufüllen sind und wobei wir wieder von vorn anfangen müssen.

      Hypothesen? und Hypothesen? Aber es kömmt darauf an, welche die denkbarste und vernünftigste ist! Einer, der keine Lust hat, auch für sich zu glauben, was man will, oder blinde Fenster der bloßen Ordnung wegen an einem Gebäude verträgt, wo gerade das beste Licht hereinbrechen und die schönste Aussicht sein sollte, kann nicht eher Ruhe finden.«

      Ardinghello

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