Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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      Demetri. Daß alles ewig ist, in sich sein wird, was es war, müssen wir wohl ohne fernern Grund annehmen, denn es ist die Grenze des Nichts.

      Wie es aber verschieden ist? sich bindet und scheidet? Was alles will und nicht will? Darüber hat mir das System noch keines Philosophen Genüge geleistet.

      Ruhe und Bewegung! Wer davon die eigentlichen Ursachen entdeckte, würde den Kapitalschlüssel zum Palaste der Wahrheit und ihrem innersten Kabinette finden.

      Bewegung ist Streben nach Genuß oder Flucht vor Leiden. Genuß ist Berührung. Ruhe deren möglichste Fülle und Werden eines neuen Ganzen, das wieder nach Berührung trachtet. So fühlt sich das Wesen und taumelt von Zone zu Zone, durch alle Himmel des Weltalls.

      Nehmen wir die einfachste Substanz von Leben, die Einheit von irgendeinem Element an und denken sie uns allein und abgesondert weit außer der Welt in den leeren Raum hin.

      Vorstellen kann sie sich nichts, weil sie nichts um sich hat. Innerliches Leben, Verstand in Ausübung, Gedächtnis, Einbildung findet nicht statt, weil sie ganz ohne Teile ist und sich nicht regen kann; ein Etwas wie das Nichts und der letzte Begriff von Tod; ein Punkt von Selbstbewußtsein mag in ihr stecken.

      Nun gesellen wir dieser Substanz eine andre zu:

      Erster Ursprung von Gefühl.

      Nehmen wir nach dem Demokrit in beiden Urform an und denken sie uns zum Exempel vollkommen rund.

      Und sie werden nicht satt werden, sich umeinander zu bewegen und sich zu berühren.

      Platt oder eckicht:

      Und sie werden aneinander festhangen, weil sie nicht herum können.

      Eckicht und rund beisammen:

      Vermischte Empfindung, Freude und Leid.

      Denken wir nun das Weltall als himmelunendliche Menge solcher Substanzen mit ewigem Streben nach neuem Genuß, an Stoff und Feinheit und Form zentillionenfach verschieden und ähnlich und gleich, und daraus notwendigerweise von selbst die beste Ordnung zur allervollkommensten und mannigfaltigsten Berührung, und wir werden, glaub ich, uns der Erklärung des Rätsels nähern und einigermaßen obenhin begreifen lernen, warum die Gestirne in Flammen sich wälzen, die Winde rasen, die Meere toben, die Erden fest halten und daß der Strahl in einen Pulverturm glücklicher sein kann als Herkules bei allen seinen Liebeshändeln.

      Man könnte auf diese Weise aber wohl doch noch die sonderbare Meinung des Xenophanes und seiner Schüler Parmenides und Melissos erklären, daß Eins Alles und Alles Eins sei. Nämlich, aller Grundstoff ist sich gleich, nur die Form seines unendlichen Wesens verschieden.

      Des Exempels wegen; denn was wissen wir Bestimmtes hierüber mit unsern groben Sinnen? In den Sonnen rund, in der Luft rund und halbrund, im Meere platt und eckicht, in der Erde platt. Und Platt käme unserm Gefühle kalt und trocken vor, und Rund in heftiger Bewegung heiß und trocken, und so weiter. Das Platte werde wieder platt und eckicht, Erde Meer. Wasser durch Ausdünstung zu Wolken und Regen. Und das Runde und Halbrunde endlich ganz rund, wie auf unsrer Erde im großen sich Berg und Tal und Ebne umändert. Das Runde übrigens herrsche wegen seiner leichten Bewegung. Und so mache sich das Wesen in möglichster Lust die Ewigkeit zu kurzer Zeit.

      Gewiß bleibt's allemal, daß Verschiedenheit und Änderung, die unsre Sinnen am Wirklichen empfinden und wir Qualität, Organismos nennen, bloß in innrer Form besteht und daß man ohne Form alles nur einerlei, ein Wesen denken muß.

      Alle Form ist ferner Wirkung und kann sein und nicht sein; das Wesen allein ist notwendig und ewig.

      Wie dies Eins aus seiner Formlosigkeit zu Form gekommen wäre und sich in unendliche Gestalten verwandelt? Wie gesagt, durch Streben nach Genuß, um lebendig zu sein, aus Ekel vor Tod, an sonst unendlicher Langerweile; durch Bewegung, Ausdehnung und Anziehung, bis ins Innerste uns freilich unbegreiflich, die wir jedoch durch die ganze Natur wahrnehmen und Forscher bis auf den Embryon verfolgen, wo sie Sinn und Erfahrung verläßt. Wenn wir Anfang von Zeit annehmen wollen, so ginge sie hier aus der Ewigkeit hervor, und es hätte seine Richtigkeit: Gott schuf die Welt aus Nichts.

      Das Problem wäre aufgelöst, wie die Welt Eins sei und doch verschieden, und Ruhe und Bewegung in ihren ersten Lagerstätten gefunden.

      Also sinnlich und jedermann faßlich gesprochen!

      Im Anfange war Alles Eins, das Wesen so zart zerflossen, fein und dünn wie der Raum schier.

      Und es regte sich; da ward Form.

      Aus der unvollkommnen ging die vollkommnere hervor; und so entstanden die Elemente: Wasser, Luft, Erde, Feuer; Pflanzen, Tiere und Mineralien.

      Alles wechselt miteinander ab und geht wieder in das Eins zurück. Vater Äther, aller Lebengeber!

      Und so wird und vergeht ewig alles, was ist.

      Das Holz zum Exempel brennt und wird Feuer, Rauch und Erde. Feuer und Rauch wird Luft, und Luft wird Wasser; und jedes kehrt wieder zurück, wo es herkam. Erde, Wasser, Luft und Feuer wird Pflanze, Pflanze Tier, Tier und Pflanze das Herz einer Victoria Colonna, der Kopf eines Machiavell. Form und Wesen, und Wesen und Form! das sind die zwei Pole des Weltalls, um welche sich alles herumdreht.

      Die bildende Kraft liegt in dem Wesen und ist ein Streben nach Genuß.

      Es bleibt wahr, was den Alten ohne Sinn so oft ist nachgesagt worden: Gott der größte Geometer.

      Wenn Wesen an Wesen sich fühlt, entsteht das reinste Bewußtsein.

      Wenn es sich zu den ersten Formen bildet, entsteht das abgezogenste Denken. Das Wesen berührt sich und wird verständig, indem es Verständliches zu sich nimmt; und kann nichts anders als sich selbst denken, wie Aristoteles tiefsinnig sagt. Denken überhaupt ist Verwandlung des Wesens in Formen; und Wesen muß alles selbst werden, was es denkt.

      Wenn Wesen sich zu Idealen formt, entsteht Phantasie.

      Wenn es die Ideale in sich und die Formen außer sich befestigt, Gedächtnis. Sonnen und Planeten und Kometen sind nichts anders in der großen Welt: Formen in Bewegung, Denkmale von Leben.

      Alle Gefühle, alle Arten von Leidenschaften, Schmerzen und Vergnügen sind nur verschiedne Formen in dem Wesen.

      Ohne diesen fruchtbarsten aller Grundsätze von reinem Wesen und Form, ohne Kontinuum, das alle mögliche Formen wird, scheint die ganze Welt, aller Zusammenhang, Erhalten, Wachsen, Zeugen, Vergehen, der Mensch, sein Denken und Empfinden, sein Dichten und Trachten, kurz, alle Art Verwandlung völlig unerklärlich.

      Die Vollkommenheit des Weltalls besteht in allen möglichen Arten von Formen.

      Alle Geschöpfe sind bloß Gedanken Gottes und des höchsten Vergnügens in ihrem Maße fähig.

      Gott dachte: »Es werde Licht!« und es ward Licht.

      Daß Gott demnach als Griechen gegen sich, die Trojaner, streitet; als Paris sich, die schöne Helena, verführt; Stier, und Hund und Zwiefel, und das Verächtlichste, nach unsern Begriffen, wird, sich selbst ißt und verdaut, darf uns wenig kümmern; denn dieses folgt wohl aus den meisten eingeführten Systemen. Die alten Ägyptier verehrten vielleicht Gott erhabner, als der heutigen Menschen Verstand reicht; und wir sind

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