Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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und alle alte Sprachen, die urſpruͤnglich ſind, und das Gepraͤge der erſten ſinnlichen Lebensart fuͤhren, ſind voll Jnverſionen. Geberden, und Accent kommt zu Huͤlfe, um dies Chaos von Worten verſtaͤndlich zu machen. — Noch immer ſpricht man von den aͤlteſten Sprachen, als waͤren ſie von GOtt, oder einem Philoſophen erfunden, und waͤren aus ſeinem Gehirn mit aller Ruͤſtung geſprungen, wie Pallas aus dem Gehirn des Jupiters. Alles, was wir ſchoͤnes in den aͤlteſten Sprachen finden: iſt erſt ſpaͤter in ſie gekommen, nur wir kennen die erſten unfoͤrmlichen Zeiten nicht; daher ſcheinen ſie uns gleich im Anfange im Glanz. Nehmet das ſinnreichſte Spiel, wo ein Euler durch die Berechnung der Faͤlle der Wahrſcheinlichkeit die weiſeſte Anordnung entdeckt; iſt es im Anfange ſo geweſen — nichts als eine Zuſammenhaͤufung ungefaͤhrer Wuͤrfe; eine Folge von Verſuchen, bis Verſuche endlich Kunſt in daſſelbe brachten —

      So bald gewiſſe Dinge mit beſtimmten Worten fortgepflanzt wurden; wie dies durch die erſten Lieder geſchahe; ſo fieng ſich dieſes unordentliche Chaos an zu ſenken; man ſuchte die Ordnung der Worte aus, die dem Lernenden am faßlichſten waren; das Sylbenmaas muſte ſie einpaſſen, und ſo ward ſie zwar kein Geſez, keine Regel, aber ein Muſter, ein Praͤjudicat: und man weiß, daß alle Voͤlker nach bloßen Gebraͤuchen leben, ehe ſie Geſezze haben. Die Gebraͤuche werden zu Gewohnheiten, und ſo ward auch die Conſtruktionsordnung dazu, doch daß ihre Uebertretung noch keine Suͤnde war.

      Man beſtimmte die Ordnung der Worte ſo lange, bis man endlich den Proſaiſchen Perioden herausdrechſelte, der der Ordnung der Jdeen, ſo wie ſie ſich der Verſtand bildet, folgte, und doch auch das Ohr und das Auge zu Rathe zog. Und er ward alſo in ſeiner Struktur eine Anordnung von Bildern, ſo wie ſie ſich dem Auge darſtellen wuͤrden, von Jdeen, wie ſie ſich der Verſtand denkt, von Toͤnen, wie ſie das Ohr fodert, daß es mit Wohlluſt erfuͤllet werde. Der bloße Verſtand, der nichts mit Auge und Oho zu thun hat, folgt blos der Ordnung der Jdeen, und hat alſo keine Jnverſionen; ſo iſt der Logiſche Periode. Er verwirft jede Veraͤnderung, weil das Einfache das einzige Deutliche iſt, und jede Jnverſion wenigſtens einen moͤglichen Fall macht, daß eine doppelte Beziehung entſpringen kann.

      13.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Sprache hat den Punkt der Behaglichkeit getroffen, die Poeten, Proſaiſten, und Philoſophen ein leichtes Werkzeug iſt; die beiden erſten nutzen von den Jnverſionen: wenn nun ihr Nutzen dem dritten nicht nachtheilig iſt; ſo koͤnnen und muͤſſen ſie bleiben.

      Ja! aber beweiſe, daß ſie ihm nutzen! Der Franzoſe leugnet ſchlechterdings, daß ſie ihm Freiheit und Huͤlfsmittel verſchaffen: und denn beweiſe auch, daß ſie dem Weltweiſen nicht ſchaden: ſonſt muß man einen kleinern Nutzen dem groͤßern aufopfern. Jch will es verſuchen.

      Jch fange vom leichteſten an. Das Ohr will einen Perioden, der es durch ſeinen Wohlklang fuͤllet, der gnug abwechſelt, und nicht zu oft wiederkommet. Kann dies eine Rede ohne Jnverſionen erreichen? Schwerlich! ein Periode ſchließt ſich, wie der andre, wenn er ſeine Meinung geſagt hat; das ſtolze Ohr wird durch einerlei Cadencen gequaͤlt: es empfindet es, die Jnverſionen in der Sprache ſind eben ſo noͤthig, als das Unebenmaaß in der Malerei, und in der Muſik der Mißlaut. Die Franzoͤſiſche Sprache hat ja noch immer viele Jnverſionen — und doch wird ein Griechiſches Ohr in ihrem Poetiſchen und gewoͤhnlichen Proſaiſchen eine große Monotonie bemerken, die oft bei dem leztern d[en] Conſtructionen unſers Canzleiſt[il]s gleicht.

      Aber wie? leidet nicht die Philoſophiſche Sprache der Deutſchen darunter? Was das anbetrift: ſo fuͤhlen wir weit eher Feſſeln in der Dichteriſchen, als Philoſophiſchen Sprache; auch wir fuͤhlen es: „daß wir eine Menge „beſonderer Zwecke gar nicht durch die ordentliche Wortfuͤgung anzeigen koͤnnen; die wir „nur muͤſſen aus dem Zuſammenhange errathen „laſſen.„ Unvollkommenheit unſrer Sprache von der ſinnlichen Seite; aber voll der Seite der Vernunft?„

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