Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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href="#ulink_1518ba2b-6ede-57ce-8718-8f5aecec6e4e">5 – Ideen von ihrer Hoheit und Größe! Nur daß diese im eigentlichen Verstande mir nicht zuerst durch die körperliche Statur vorgestellt werde: daß sich nicht auf diese, als auf den Hauptanblick, mein Auge heften dörfe: sonst verliere ich die Königin der Götter, die herrlichste der Göttinnen aus den Augen: ich sehe ein Riesenweib. Wo hat sie alsdenn, die Langstreckige? wo hat sie alsdenn im Himmel Raum? wie groß muß ihr himmlisches Brautgemach6 seyn, das ihr Vulkan erbauet? wie groß der Schlüssel und das Schloß zu diesem Gemache,7 das kein Gott eröfnen kann, als sie? wie viel Centner Ambrosia wird sie brauchen, um ihren Körper8 zu säubern? wie viel Tonnen Oel, um ihn zu salben? wie groß wirb ihr Kamm, ihr Gürtel, ihr Schmuck seyn? wo wird sie mit Jupiter auf dem Berge Ida in ihrer süßen Umarmung9 Raum haben? wie, wenn er sie in seine Arme faßt, an seine königliche Brust drückt, wie wird Ida und die Erde beben? – – Ich mag nicht weiter, gnug! alles Süße und Große in dem Gemälde Homers von ihrer Ankleidung, Auszierung, und Umarmung10, verschwindet mit der unermäßlichen Gestalt. So bald auch nur mit einem Einigen känntlichen Zuge die Gigantische Statur zum Hauptaugenmerke würde: so schwinden die Gränzen der Schönheit, oder wenn man lieber will, der höchsten Vollkommenheit im weiblichen Gliederbaue. Mein Auge erliegt, wenn es ins Ungeheure soll, und die Bewunderung, die ich jetzt fühle, verwandet sich in eine Art von grauenvollem Selbstgefühle, und Schauder und Ekel. Hat Homer nicht also gut gethan, daß er »seiner Göttin nicht so offenbar eine körperliche Größe gab, die alle natürliche Maaße weit überstiege.«

      Kurz! wo Größe und Stärke nicht das Hauptstück im Charakter einer Gottheit ausmacht, da ist die übermenschliche Natur auch nicht ein nothwendiges Augenmerk. Wo der Charakter der Gottheit damit aber gar nicht bestehen kann, z.E. die höchste Vollkommenheit eines weiblichen Gliederbaues in der Juno, und die liebreizendste Schönheit in der Tochter Dionens: da bleibe sie unsern Augen weg. Diese können, als Menschliche Augen, das Ideal der hohen sowohl als der lieblichen Schönheit eines Menschlich scheinenden Körpers, nicht anders, als mit natürlichem Maaße bestimmen: zwar mit dem Unterschiede, daß in der Malerei dich Maaß in den Gränzen der Kunst bleibt, in der Poesie aber sich zu der Stuffe erheben kann, die für die Phantasie des Menschen die höchste ist; daß aber auch dies Höchste für die Phantasie überschaulich, in seinem natürlichen Maaße bleibe. Geht dies Anschauliche Ganze verloren, übersteigt die Statur der Juno und Venus, auch nur in einer Linie, die Größe, in welcher ich mir körperliche Vollkommenheit und Schönheit gedenke: so hat der Dichter seinen Eindruck verfehlt. Nach einmal angenommenem Charakter, läßt sich nicht, wie er will, den Göttern eine Größe geben, die alle natürliche Maaße übersteigt; in dem natürlichen Maaße, da sich körperliche Schönheit für meine Phantasie hält, muß sich auch seine Größe der Venus und Juno halten – –

      Nun selbst die Gottheiten, deren Charakter und Individualität einmal eine Aeußerung vorzüglicher Stärke will: Minerva, der gewaltige Erdumfasser Neptun, und denn der mächtigste aller Götter, Jupiter: Und ich wiederhole aufs neue: daß bei ihnen die körperliche Größe ihren Wirkungen nur nicht wiederspreche: nicht aber, daß von Größe auf Stärke bei Homer der Schluß gemacht werden dörfe!

      Homer gab uns keinen Einzigen der Götter gemalet: so auch nicht ihre, »alles natürliche Maaß übersteigende Größe:« er zeigt uns ihre Natur in Wirkung, in Bewegung.

       έκατον πολεων πρυλεεσσ άραρυιαν.

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