Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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fliehen, so ist die Wolke vergebens.

      Nein! mein Homer ist viel zu sinnlich, als daß er sein ganzes Gedicht durch von so geistigen Göttern, und von so seinen Allegorien, was die Wolke hie und da bedeutet? wissen sollte. Einem Persischen Epopöisten würde eine solche innere Unsichtbarkeit der Götter gefallen haben; allein ein Griechisches Auge will in der Epopee auch an Gottheiten schöne Körper und Himmlische Gestalten erblicken: es will sie schon ihrer Natur nach in dieser schönen Sichtbarkeit sehen, und nicht erst durch ein Wunder, oder durch die außerordentliche Gnade des Dichters, eine Erleuchtung, eine Erhöhung des sterblichen Gesichts nöthig haben, sie anzuschauen. Für solch ein Auge sind die Griechischen Götter geschaffen. Hat aber der Dichter es nöthig, sie nicht sehen zu lassen: so kleide er sie in eine Wolke; er werfe Nebel vor unsere Augen. Eine solche Wolke, in der sie erschienen, hat außerdem ja so manche hohe Nebenbegriffe: den Begriff des Himmlischen und Erhabenen, der einem Himmlischen Wesen zukommt: ist sie glänzend, so der prächtigste Thron eines überirdischen Regenten; dunkel, so das Gewand des Zornigen und Fürchterlichen; schön düftend, so die Verkündigerin einer lieblichen angenehmen Gottheit – alle diese Nebenideen liegen schon in unserm sinnlichen Verstande: sie haben den Dichtern aller Zeiten die vortreflichsten Bilder geschaffen: und Homer sollte diesen edlen Gebrauch der Wolke unterlassen, nicht eingesehen haben? Er allein hätte damit uns blos ein Hokuspokus einer Poetischen Redensart machen wollen, um hier eine Entrückung, dort eine innere Unsichtbarkeit, doch nicht so gerade heraus zu sagen – ich sage nochmals, so kenne ich Homer nicht.

      Freilich in den spätern Zeiten, da man die Homerische Mythologie quintessenziirte, und aus ihr ein paar Tropfen Metaphysischen Geist abzog: da wußte man nicht gnug von der innern Unsichtbarkeit der Götter, von ihren mystischen Erscheinungen, von dem Ueberirdischen ihrer Epiphanien u.s.w. zu vernünfteln; allein solche Theophanien, solche seine Metaphysik über die Natur der Götter, gehört in den Kreis der spätern Platonisten und Pythagoräer, und in das heilige Murmeln ihrer Geheimnisse. Ich denke doch aber, daß wir hier nicht über Jamblichus, sondern Homer, reden.

      – Kurz! ich bin mit der Ursache zufrieden, daß, wenn der Maler mit seiner Wolke nicht unsichtbar machen kann, er auch dem Dichter die Wolke nicht nachäffen darf: und was brauchts da weitere Allegorien und Deutungen über den Dichter, unter denen der Dichter verlohren geht? Nach meinem Gefühle gebührt den Griechischen Göttern die schönste Sichtbarkeit und Jugend als ein Prädikat ihres Wesens: und ohne solche sich einen Apollo, einen Bacchus, einen Jupiter denken zu sollen, sich die Unsichtbarkeit als den natürlichen Zustand der Götter vorstellen zu müssen – das kann keine Griechische Seele: kein Griechischer Dichter und Künstler, ja selbst kein weiser Epikur. Mit dem Begriffe schöner Sichtbarkeit geht das Wesen der Götter, das Leben ihrer Geschichte und Thaten, die so genau bestimmten Stuffen ihrer Ibealgestalten, das Anziehliche ihres Umganges mit Menschenkindern: das ganze Kraftvolle der Mythologie verlohren. Ich sehe nicht mehr die schönen sinnlichen Griechischen Götter: ich sehe sichtbar seyn wollende Phantome! Mit einer solchen Hypothese ist meine beste Mythologische und Poetische, und Kunstentzückung getödtet! Ich mag die ketzerische Neuigkeit nicht: ich bleibe bei der alten Griechischen Rechtgläubigkeit.

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