Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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die reichste ist, und wo die personifirten Abstrakta den Auslegern manche saure Viertelstunde gemacht haben. Das Glück selbst, die Nothwendigkeit, die Hoffnung, die Treue u.s.w. sind als Moralische Wesen in diese Ode zusammengruppirt, und das Ganze des Gesanges selbst ist einem personifirten Abstrakto gewidmet. – Man erräth es, daß ich von der Ode aus Glück2 rede. Baxter sucht hier, wie gewöhnlich, in ihr seine lieben Dilogien,3 und Geßner4 geht vielleicht auf der andern Seite zu weit, daß er sie für eine Abhandlung über den Artikel Glück erklärt: doch wir wollen ohne vorgefaßte Meinung lesen.

      Gleich zu Anfange rufft Horaz nicht eigentlich das Glück, als ein Abstraktum an, um nach Geßners Meinung einen locum darüber durchzuhandeln; sondern die Göttin des Glücks, und zwar zunächst die, so zu Antium verehret wurde. Die ganze Ode tritt also gleich aus dem Lichte eines allgemeinen Begriffes weg; und wird ein Römisches, ein Familienstück der Stadt Anzo: ein Altarstück in dem Tempel dieser Stadtgöttin. Ein Einwohner von Anzo sollte aufleben, um uns diese Ode aus seiner Vaterstadt zu erklären, und wie würde der uns mit manchem ehrlichen locus communis auslachen, den wir dem Glücke überhaupt aus dieser Ode andichten, weil wir nicht die Ehre haben, die Göttin zu kennen, der die Ode als ein Individualstück gewidmet ist.

      Welches sind nun die Attribute dieser Göttin? »Sie kann erniedrigen und erhöhen!« So gesagt, wäre dies Attribut freilich nichts als locus communis; allein, wie es Horaz sagt, wird es Römisch. Dies Glück in Antium ist eine Römergöttin: sie beschäftigt sich mit den Revolutionen des Staats, die Horaz vielleicht eben damals vor sich sahe: sie giebt und stürzet Triumphe um. So wenig der Afrikanische Jupiter eben der Römische Jupiter, und die Madonna in Loretto völlig die Madonna in Parma ist: so ist nicht so ganz diese Fortuna jedwede andere: sie ist Antium eigen, und Römisch gesinnet.

      »Dich fürchtet der rauhe Dacier, und die flüchtigen Scythen: Städte und Völker: und das wilde Latium: die Mütter der Barbarischen Könige, und die bepurpurten Tyrannen.« Allein genommen wäre nichts leichter zu erklären, als diese Strophe: sie schilderte nämlich die Göttin des Glücks Römisch gesinnet: vor ihr müssen die Feinde, die Rebellen, die Tyrannen Roms zittern; aber nun der Zusatz:

       iniurioso ne pede proruas

       stantem columnam; neu populus frequens

       ad arma cessantes ad arma

       concitet imperiumque frangat.

      Bisher ist die Ode ein Römisches National- und ein Antiatisches Familienstück gewesen; sie fängt an, symbolischer zu werden:

      – te semper anteit serva (salva) Necessitas

       Clavos trabales et cuneos manu

       Gestans ahena; nec serverus

       Vncus abest, liquidumqne plumbum.

      Mögen also alle diese Werkzeuge attirail patibulaire, oder Bevestigungswerke, oder Symbole der höchsten Macht Fortunens seyn: die eherne Hand und der serverus uncus mögen Hrn. Klotz so Göttlich scheinen, als sie wollen: die Stelle bleibt eine der frostigsten im Horaz.

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