Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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sei dann nur fruchtbar, wenn er der Einbildungskraft freien Raum läßt. – So weit nun sind schon alle Kunstrichter gekommen, die über die Grenzen der Künste nachdachten; aber der Gebrauch, den Hr. L. macht, gehört ihm. Ist nämlich die Kunst an einen Augenblick gebunden, bleibt dieser Augenblick: so wähle sie nicht das Höchste in einem Affekt: sonst weiß die Einbildungskraft kein Höheres: sie drücke auch nichts Transitorisches aus; denn dies Transitorische wird durch sie verewigt.

      Nichts hingegen nöthige den Dichter, sein Gemälde in einen Augenblick zu concentriren. Er nehme jede seiner Handlungen, wenn er will, bei ihrem Ursprunge auf, und führe sie durch alle mögliche Abänderungen bis zu ihrer Endschaft. Jede dieser Abänderungen, die dem Künstler ein ganzes besondres Stück kosten würde, koste ihm einen einzigen Zug u.s.w. Das Kennzeichen selbst ist, wie gesagt, längst angegeben; Hr. L. macht aber dies angegebne Kennzeichen praktisch.

      Wenn aber diese bleibende Natur auch zugleich todte Natur wäre? wenn das Intransitorische eines Körpers eben von seiner Unbeseeltheit zeugte? Alsdenn, dies bleibende Intransitorische des Gegenstandes zum Augenmerke der Kunst ohne Einschränkung gemacht – was anders, als daß mit diesem Grundsatz der Kunst auch – ihr bester Ausdruck genommen würde? Denke dir, mein Leser, einen Seelenvollen Ausdruck durch einen Körper, welchen du wollest, und er ist vorübergehend. Je mehr er eine Menschliche Leidenschaft charakterisiret; um so mehr bezeichnet er einen veränderlichen Zustand der Menschlichen Natur, und um so mehr »erhält er durch die Verlängerung der Kunst ein widernatürliches Ansehen, das mit jeder wiederholten Erblickung den Eindruck schwächet, und uns endlich vor dem ganzen Gegenstande Ekel oder Grauen verursacht.« Die Einbildungskraft habe noch so viel Spielraum, noch so viel Flug: so muß sie doch endlich einmal an eine Grenze stoßen, und unwillig wieder zurück kommen; ja, je schneller sie gehet, je prägnanter der gewählte Augenblick sey, um so eher kommt sie zu Ziel. So gut als ich zu einem lachenden la Mettrie sagen kann, wenn ich ihn zum dritten, viertenmal, noch lachend sehe: du bist ein Geck! so gut werde ich auch endlich zu Myrons Kuh sagen können: nun so gehe doch fort, was stehest du? – Und so viel Ursache ich habe, einen schreienden, einen unabläßig schreienden Laokoon endlich unleidlich zu finden; so viel Ursache werde ich, nur etwas später, finden, auch den seufzenden Laokoon überdrüßig zu werden, weil er noch immer seufzet. Endlich also auch den stehenden Laokoon, daß er immerhin stehet, und sich noch nicht gesetzet hat: endlich auch eine Rose von Huisum, daß sie noch blühet, noch nicht verweset ist: endlich also jede Nachahmung der Natur durch Kunst. In der Natur ist Alles übergehend, Leidenschaft der Seele und Empfindung des Körpers: Thätigkeit der Seele und Bewegung des Körpers: jeder Zustand der wandelbaren endlichen Natur. Hat nun die Kunst nur einen Augenblick, in den Alles eingeschlossen werden soll: so wird jeder veränderliche Zustand der Natur durch sie unnatürlich verewigt, und so hört mit diesem Grundsatze alle Nachahmung der Natur durch Kunst auf.

      Es kann also auch nicht als Ursache gelten, warum die Kunst keine Höhe des Affekts ausdrücken müßte: es ist nicht Delikatesse, sondern Ekel des Geschmacks.

      Jedes Werk der bildenden Kunst ist, wenn wir uns die Eintheilung Aristoteles gefallen lassen, ein Werk und keine Energie: es ist in allen seinen Theilen auf einmal da: sein Wesen besteht nicht in der Veränderung, in der Folge auf einander, sondern im Coexsistiren neben einander. Hat also der Künstler es dem ersten aber ganzen und genauesten Anblicke, der eine vollständige Idee liefern muß, vollkommen gemacht; so hat er seinen Zweck erreicht, die Wirkung bleibet ewig: es ist ein Werk. Es steht auf einmal da, und so werde es auch betrachtet: der erste Anblick sey permanent, erschöpfend, ewig, und blos die Menschliche Schwachheit, die Schlaffheit unsrer Sinne, und das Unangenehme des langen Anstrengens macht, bei tief zu erforschenden Werken, vielleicht das zweite, vielleicht hundertste Mal des Anblicks nöthig; darum aber sind alle diese Male doch nur Ein Anblick. Was

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