Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 216

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

Скачать книгу

müssen, um das zu seyn, was sie seyn sollte. Die Götterbegriffe der Griechen waren von Dichtern bestimmet, und diese Dichter waren Dichter der Schönheit.

      Die Griechen hatten z.E. einen Jupiter, der freilich nicht immer μειλιχιος, der auch oft der Zornige, der Grimmige war: und der Dichter konnte ihn seinem Zwecke gemäß schildern. Wie aber der Künstler? Wer will denn immer gern einen zornigen Jupiter sehen, da sein Zorn doch mit dem Ungewitter übergeht? Was also natürlicher, als daß er zu dem ewigen Anblicke seines Kunststückes den Anblick einer schönen Größe lieber wählte, und ihm nur hohen Ernst in sein Gesicht schuf? – Nun kann es freilich, und insonderheit in der ältern Zeit der Religion, auch Abbildungen des Zorns gegeben haben: allein, was thut dieß? der Hauptbegriff bei Jupiter, selbst wenn er den Donner wirft, bleibt doch – hoher Ernst, schöne Größe; dieß ist seine bleibende Gestalt, jene geht vorüber.

      Venus, wenn sie um den Adonis trauret, raset bei Moschus fürchterlich: auch Juno kann königlich zanken, und Apollo tapfer zürnen – allein ist diese Raserei, dieß zänkische Gesicht, dieser Zorn im Antlitze denn wohl ihre beständige Mine, ihr nothwendiger Charakterzug? Nicht! er ist übergehend, er ist eine vorbeiziehende Wolke: nun soll der Künstler Venus, Apollo, Juno bilden; – will er nicht Unsinn, oder Eigensinn beweisen, so wird er die Mine nehmen, die Venus, Apollo, Juno eigen ist: in der sie sich zeigen würden, wenn sie ihm zur Bildung erschienen, und dieß ist – eine Gestalt der Schönheit.

      Zweitens: doch aber gab es ja so häufige Vorstellungsarten, Situationen, und Geschichte ihrer Religion, die immer auch für den Künstler widerliche Gestalten liefern mußten, wenn nicht als Haupt- so als Nebenideen: wie nun? Als Nebenideen freilich, und eine Mythologie, die nichts als Gestalten in seliger Ruhe lieferte, wäre für den Dichter gewiß eine todte, einförmige Mythologie gewesen, und hätte keine Griechen an Poesie hervorbringen können. Gnug aber, daß dieß Nebenideen, untergeordnete Begriffe, wandelbare Vorstellungen waren; bei solchen befand sich der Dichter recht wohl und der Künstler auch noch so unbequem nicht.

      Ein Jupiter z.E. der die Giganten unter seinem Wagen hat, kann und soll auf sie, als auf Ungeheuer, als auf widrige Gestalten seinen Blitz schleudern; aber diese Gestalten sind ja nicht der Hauptanblick: sie sind mit ihrem Gräßlichen dem Jupiter untergeordnet, und also da, das Majestätische in ihm zu vermehren; nicht also wider das Hauptgesetz der Kunst. Ein schöner Bacchus unter taumelnden Mänaden, und ausgelassenen mit Pausbacken blasenden Bacchanten, unter Silenen und Satyrs, wird um desto herrlicher und schöner erscheinen. Die fürchterliche Meduse auf dem Brustharnische der Pallas wird die männliche Schönheit ihrer Göttinn noch mehr erheben: denn hier ist sie nicht Hauptfigur, sondern Zierrath der Kleidung. So Perseus mit seiner Gorgone: Vulcanus, der hinkende, mitten im Saale der Götter: so Cerberus unter den Füßen des majestätischen Pluto – wie manches Papier wäre mit Einwendungen geschont, wenn man bedacht hätte, daß in einer Composition von Figuren auf eine Nebengestalt ja nicht das Hauptgesetz fallen könne, ohne das Ganze zu verderben.

      Drittens: was ich von den Griechischen Göttern gesagt, gilt auch von ihren Helden. Weder ihre Heroen, noch Menschliche Helden haben zu ihrem Hauptzuge eine Klosterheiligkeit, eine verzückte Andacht, eine bußfertige Verzerrung, oder eine sich wegwerfende Demuth. Allein also, für sich selbst genommen, läßt der Held hoher Schönheit Platz, insonderheit wenn er als Hauptperson in seiner bleibenden Fassung erschiene. Setzet ihn aber auch in ein Medium der Hinderniß: seine Seele werde von Zorn, von Jammer, von Betrübniß erschüttert: freilich wird er nicht den stoischen Weisen machen; aber die empfindliche Natur seiner Menschheit, wird sie seiner höhern Natur wiedersprechen dörfen?

Скачать книгу