Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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die Vorstellung des körperlichen Schmerzes so schwach, um durch solche Sachen verstärkt werden zu müssen, so ist die Wirkung des Theaters verlohren: so ists besser, daß ich hingehe, um die Wunde selbst Chirurgisch zu besichtigen. Nein! Theatralisch sey die Idee des Schmerzes, und ich mag also auch nichts, als Theatralische Verstärkung – von fern, aus den gezogenen Minen, aus Tönen des Jammers, will ich, wenn Schmerz die Hauptidee des Stücks ist, ihn kennen lernen, und denn ists mir wohl beinahe gleich, worüber man schreie, und sich geberde? ob über einen lahmen Fuß, oder über eine Wunde im Innern der Brust. Der Kunstrichter verliert alles, wenn er aus der Theatralischen Anschauung weichet, und uns zur Verstärkung, zur Glaubwürdigkeit derselben den Attest eines Wundarztes geben ließe – – was es für eine Krankheit, daß es eine wirkliche Wunde, daß es ein Gift sey, das wohl so viel Schmerzen erregen könne. Sophokles habe so etwas überdacht, oder nicht überdacht: gnug, wenn so etwas auf mich wirken müsse, um meine Idee vom Schmerze zu verstärken – Lebe wohl, Theater! so bin ich in der Lazarethstube.

      Und welche Gladiatorseele gehörte dazu, um ein Stück auszuhalten, in welchem diese Idee, dieß Gefühl des körperlichen Schmerzes, Hauptidee, Hauptgefühl wäre? Ich weiß keinen dritten Fall außer diesen beiden: daß ich entweder illudiret werde, oder nicht. Ist das erste, ists auch nur ein Augenblick, daß ich den Schauspieler verkenne, und einen zückenden, schreienden Gequälten sehe; wehe mir! es fährt mir durch die Nerven! Ich kann den künstlichen Betrüger, der sich mir zum Vergnügen, dem Augenscheine nach, aufhängen wollte, keinen Augenblick mehr sehen, so bald der Betrug schwindet, so bald er wirklich worget. Ich kann den Seiltänzer keinen Augenblick mehr sehen, so bald ich ihn fallen, in das unterliegende Schwert stürzen sehe, so bald er mit zerschlagnem Fusse da liegt. Der Anblick Philoktets ist meinem Gesichte unausstehlich, so bald ich es denke, daß er der leidende Philoktet ist. Blos eine Fechterseele kann in dieser Illusion des körperlichen Schmerzes, wie an jenem sterbenden Fechter, studiren wollen: wie viel Seele noch in ihm sei? Blos ein Unmensch kann, nach der Fabel von Michael Angelo, einen Menschen kreuzigen, um zu sehen, wie er stirbt.

      Aber Sophokles, das tragische Genie, fühlte nur gar zu viel dagegen, diesen Zweck zu erreichen, und gieng ganz einen andern Weg, der ihm nicht mißrathen konnte, und den Hr. L. wie es scheint, von einer Nebenseite gesehen. Ich muß aus dem vorigen Eindrucke, den ich davon

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