Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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rel="nofollow" href="#u118dce16-eb5e-5372-bf28-19e478c4e01c">Inhaltsverzeichnis

      Wenn Schönheit das höchste Gesetz der bildenden Kunst ist: freilich, so muß Laokoon nicht schreien, sondern lieber nur beklemmt seufzen: denn wenn schon Sophokles zu seinem Theatralischen Auftritt einen brüllenden Philoktet eben so ungereimt fand, als Leßing den stoischen Philoktet findet: wie viel mehr der Künstler, bei welchem ein Seufzer und ein Schrei des offnen Mundes ewig dauret.

      Quintus Calaber ist ein später Schriftsteller, ein übertreibender Dichter, ein seyn wollendes Original – mehr Umstände braucht es nicht, ihm bei dieser Sache den Zutritt eines Zeugen strittig zu machen. Er dichtet bei seinem Laokoon so weit in die Welt hinein, daß die Dichterische Fabel kaum mehr Fabel bleibt: sie wird ein abentheuerliches Riesenmährchen. Warum muß unter dem warnenden Trojaner die Erde erbeben? Wenn Troja durch die List der Minerva fallen soll; was brauchts die ganze Macht Jupiters, Neptunus und Pluto? Warum müssen seine unschuldigen Augen verblinden? warum muß er rasen? Etwa um noch blind und verstockt fortzufahren in seinem Rathe, und also als ein trotzender Gigante gegen die Götter zu erscheinen? – Etwa weiter durch diesen verstockten Rath noch erst die neue Verbrecherstrafe der Drachen zu verdienen – Was brauchts den gutgesinneten Patrioten erst in einen Himmelsstürmer, in einen tollen Verbrecher umzuschaffen, und nachher gar – Unschuldige für ihn leiden zu lassen? Laokoon selbst geschieht nichts von den Drachen: seine armen unschuldigen Kinder werden ergriffen, und zerfleischt, – abentheuerliche, abscheuliche Scene, ohne Wahl und Zweck, ohne Zusammenordnung und dichtenden Verstand!

       hîc aliud maius miseris multoque tremendum

       obiicitur magis atque improvida pectora turbat.

       Laocoon – –

      In Homer sind alle Griechen schon, in Erwartung: rings um eine Quelle gelagert, mit dem Opfer an die Unsterblichen beschäftigt, und also in der Fassung, auf ein himmlisches Zeichen zu merken, so bald es erschiene. Bei Virgil ist alles unstät, zerstreut, auf den Griechischen Betrüger horchend, und nicht auf Laokoons Opfer; die Schlangen erscheinen, und was für ein Geräusch, was für ein Plätschern im Meer müssen sie machen, ehe sie bemerkt werden. »Zwo Schlangen kommen von der Höhe des Meers herab: in ungeheure Ringe geschlungen, (mich schaudert es zu sagen!) liegen sie auf der See und streben gemeinschaftlich ans Ufer. Mitten aus den Fluthen hebt sich ihre Brust empor: über die Wasser ragen ihre Blutrothen Kämme: ihr übriger Körper ist mit der langen Oberfläche der See gleich, und krümmt seinen unmäßlich langen Rücken in Ringen heran. Es entsteht ein Geräusch bei schäumender See, und schon sind sie am Ufer: ihre Augen funkeln, ihre Zungen züngeln, zischen« – welch entsetzlich lange Vorbereitung, so Episch, so Malerisch, daß – ich nicht weiß, wie Ein Grieche ihre Ankunft abwartet. Wie vieles wendet Virgil auf den Nebenzug eines Gemäldes, den Homer mit einem Worte vollendete! und wie ist die ganze Schilderung mit solchen ausgemalten Nebenzügen überladen – beinahe ein untrügliches Wahrzeichen, daß der Dichter nach der Hand eines andern gearbeitet, daß er nicht aus dem Feuer seiner Phantasie geschrieben. Wäre dies, wie würde er sich so lange bei ihrem Heranplätschern, und noch länger bei ihren Ringen und Schlingen aufhalten? Diese sind ihm das Hauptaugenmerk: sie kommen ihm immer von neuem ins Gesicht, und er schaudert nie mehr, als wenn er an diese unermäßliche Windungen, und Umschlingungen und Stellungen denkt. Virgil muß nachgeahmet haben; entweder nun einem Kunstwerke, oder welches mich wahrscheinlicher dünkt, dem Gemälde Homers. Das hat von jeher den Nachahmer verrathen, wenn er mit gar zu künstlicher Hand klecket, und Nebendinge am sorgfältigsten vollendet. Eben daher wage ichs, zu sagen, daß Virgils Schilderung mehr das Ohr füllet, als die Seele. Mit allem Vorplätschern der Schlangen thut sie nichts, als uns zerstreuen und betäuben: mit allen Windungen derselben um Laokoon, die hier so genau angezeigt werden, wird unser Auge vom Laokoon auf die Schlangen gewandt: wir vergessen, auf sein Gesicht zu merken, und auf die Seele, die in demselben spreche: endlich zeiget sich dieselbe – aber durch ein wüstes Geschrei, durch das Brüllen eines verwundeten Stiers, der vom Altar entlaufen:

       clamores horrendos ad sidera tollit – –

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