Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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rel="nofollow" href="#ulink_69b5fd70-9817-5dc5-9cfa-0c02faa2b502">9 bei den Nebenzügen, »Windungen der Schlangen« u.s.w. aufhält, die bei dem Maler und Bildhauer, gewiß aber nicht bei dem Dichter, weites Lob verdienen. Ja wenn Virgil zum Vorbilde eines Künstlers gearbeitet hätte! Ist das aber nicht wider den Zweck des ganzen Leßingschen Werkes?

      Was würde hieraus folgen? Dies, daß wenn Virgil nach Homer gearbeitet, er immer seine Geschichte, er habe sie aus Pisander, Euphormio, Sophokles geschöpft, nach seiner Art verändert habe, und daß also der Künstler neben ihm aus eben dieser Quelle habe schöpfen, und doch in der Vorstellung von ihm abgehen können, wenn er auch bloß dem Griechischen Buchstaben gefolget wäre.

      Gesetzt also, er hätte den verlohrnen Laokoon des Sophokles vor sich gehabt: welche Idee hätte ihm die Sophokleische Muse geben müssen? Sophokles, ein so weiser Dichter des Theaters, der zuerst auf demselben gleichsam Sittlichkeit und Anstand vestsetzte, der hierinn vielleicht einzig und allein das rechte Maas traf; Sophokles, der bei seinem Philoktet die Leiden des Körpers so sehr in Leiden der Seele zu verwandeln wuste – wie wird er seinen Laokoon geschildert haben? Mit dem Hauptzuge des gräßlichen Geschreies? Ein vortrefliches Mittel, das Trommelfell des Ohres, aber nicht unser Herz, zu rühren. Gewiß wird er bessere Wege an unser Herz gesucht, und also auch Laokoons Schmerzen und Geschrei mit der Waage des Richterischen Genies zugewogen, mit der er sie dem Philoktet zuwiegt. Nun lasset einen weisen Griechischen Künstler von einem weisen Griechischen Dichter diesen Gegenstand geborgt: lasset ihn die Manier des Theatralischen Gemäldes genutzt, und von Sophokles Laokoon so gelernt haben, als Timanthes vom Euripides die weise Verhüllung Agamemnons lernte: so dünkt mich, ich sähe die Waage des Ausdrucks eben auf dem Punkt, auf dem sie bei dem Laokoon des Künstlers schwebet. Das Maas des Seufzers ist ihm zugewogen. »Der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des Körpers entdecket, und den man ganz allein, ohne das Gesicht und andre Theile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezognen Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt; dieser Schmerz, sage ich, äußert sich dennoch mit keiner Wuth in dem Gesichte, und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein schreckliches Geschrei, wie Virgil von seinem Laokoon singt; die Oeffnung des Mundes gestattet es nicht: es ist vielmehr ein ängstliches und beklemmtes Seufzen, wie es Sadolet beschreibt. Der Schmerz des Körpers und die Größe der Seele sind durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher Stärke ausgetheilet, und gleichsam abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles Philoktet: sein Elend gehet uns bis an die Seele; aber wir wünschten, wie dieser große Mann das Elend ertragen zu können.« Ich kenne nichts würdigers, als diese Worte, und der Römische Dichter, der Nachahmer Homers, kommt also gar nicht ins Spiel.

      Ich sehe, daß ich bisher bloß in kritischen Materien, aufgeräumt habe, die Hr. L. seinem Laokoon hat zum Grunde legen wollen, füglich aber auch dem Hauptinhalt seines Buchs unbeschadet, hätte auslassen können. Es ist Zeit, meine Leser aus dem Mischen Schutte hinweg, zu diesem Hauptinhalte selbst näher hinan zu führen, und –

      IX.

       Inhaltsverzeichnis

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