Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
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Nicht alles Lächerliche darf häßlich seyn. Unter der großen Menge unschädlicher Kontraste zwischen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten giebts zwar auch einen, der – häßlich schön heißt, und sich auf mancherlei Weise äußert, z.E. häßlich seyn, und sich schön dünken, häßlich seyn und für schön erkannt werden, häßlich seyn, und durch Auszierung schön seyn wollen u.s.w. Allein, diese eigne Gattung lächerlicher Kontraste macht noch nicht alle Gattungen, die ganze Art aus. Der Schwach-starke, der klein Große, der unwichtig Wichtige in jeder Art, sind eben solche lächerliche Geschöpfe, als der häßlich Schöne.
So darf auch nicht alles Schreckliche häßlich seyn. Wenn ein Wesen seiner höhern Natur, seiner größern Uebermacht wegen, uns Schrecken3 gebietet; so darf dies Schreckliche weder in dem Gegenstande mit Formen, noch in unsrer Seele mit Empfindungen des Häßlichen vergesellschaftet seyn. Ein Ungewitter z.E. oder wenn ichs in ein Bild verwandele, ein Donnerwerfender Jupiter, kann fürchterlich, schrecklich seyn, aber ohne Verzerrung des Gesichts, ohne häßliche Formen. Ein brüllender Löwe z.E. kann selbst, wenn ich mich in Sicherheit fühle, mir ein schrecklicher, ein Schaudervoller; keinesweges aber deßwegen ein häßlicher Anblick seyn.
Es folgt also: daß, um die vermischten Empfindungen des Lächerlichen oder Schrecklichen hervorzubringen, Häßlichkeit nicht jedesmal, nicht schlechthin als Ingrediens gebraucht werden dörfe. Es wird daher dem Wesen einer Kunst anheim gestellt werden können, ob sie das, was sie nicht brauchen darf, brauchen könne, was sie nicht schlechterdings brauchen darf, hie und dort brauchen wolle. Ich fahre fort:
Unter den unschädlichen Kontrasten, die das Lächerliche machen, giebts namentlich auch den Kontrast des häßlich Schönen; zum Lächerlichen also kann Häßlichkeit wirklich ein wesentliches Ingrediens seyn, um es hervorzubringen. In schrecklichen Gegenständen gehört die Form der Häßlichkeit eigentlich gar nicht mit zu der Idee des Schädlichen, des Furcht erregenden selbst; Schauder und Unwille am Häßlichen sind zwo Empfindungen, die in ihrer Natur verschieden sind: folglich kann zum Schrecklichen das Häßliche nie eigentlich als wesentliches Ingrediens wirken: nie es also hervorbringen. In Parallelen läßt sich daher kaum ihr beiderseitiger Gebrauch behandeln.
Wo das Häßliche zum Lächerlichen zutrift: da treffe es wesentlich zu: es gehöre mit zum Kontrast: es kann nicht wegbleiben. Wo es wegbleiben kann, ists auch ein Kennzeichen, daß es wegbleiben muß – So erklärt Hr. L. mit Recht es für eine alberne Mönchsfratze, daß der weise und rechtschaffene Aesop in der häßlichen Gestalt Thersites durch dieselbe im Kontrast seiner schönen Seele lächerlich werden solle.
Träfe aber das Häßliche zum Schrecklichen; so könnte es blos als Nebenidee zutreffen; es gehörte nicht in die Empfindung des Schauders. Es muß also nicht anders als wie ein Nebeningrediens zugemischt werden: damit es die Hauptempfindung ja nicht schwäche, damit der Schauder nicht Unwille werde, wenn ers nicht werden soll.
Wo ein Gegenstand durch das Ingrediens des Häßlichen lächerlich werden soll; da kann er, so lange er in den Grenzen der Wahrscheinlichkeit bleibt und den Kontrast abwieget, nie zu häßlich seyn. Aber das Häßliche zum Schrecklichen kann allerdings zu sehr verstärkt, und als Hauptingrediens behandelt, das Schreckliche wirklich hindern. Einen Gegenstand ganz häßlich fühlen, so daß die Idee des Unwillens, des Ekels, jede andere verdunkelt, heißt gewiß nicht, ihn ganz fürchterlich empfinden. Das Gefühl des Schrecklichen ist Schauder der Furcht: das Blut tritt zum Herzen zurück: Bläße bedeckt das Gesicht: Kälte läuft den Körper herab; bald aber nimmt sich die Natur zur Selbstvertheidigung zusammen: das Blut tritt verstärkt in seinen vorigen Gang: die Wangen röthen sich: das Feuer breitet sich wieder aus: die Furcht ist vorbei: der Schrecken ist in Zorn verwandelt. So erzeugte, gebar und tödtete sich die Empfindung des Schrecklichen. – Aber die Empfindung des Häßlichen wie weit anders: der Mißton, die widerwärtige Erscheinung, die wir häßlich nennen, wirkt auch in meinem Nervengebäude Mißton, Widerwärtigkeit: es bringt meine Saiten der Empfindung widrig an einander; es krallet in meiner Natur. Die Empfindung des Häßlichen durchläuft also meinen Körper ganz anders, als das Gefühl des Schrecklichen: sie gehören nicht in Eins.
Und auch zusammengeschlagen vermischen sie sich kaum. Der grausame Richard der Dritte4 erregt mir Schrecken; der an Seele und Körper häßliche Richard Abscheu. Die Häßlichkeit seiner Seele, den Abscheu meiner Empfindung gegen ihn, kann wohl die Häßlichkeit seines Körpers verstärken; mit meinem Schrecken aber, mit seinem Charakter des Fürchterlichen, hat sie nichts zu thun. Wenn ich die abscheuliche Seele Edmunds5 aus einem wohlgebildeten Körper sprechen höre: so kann ich den schönen Körper noch beklagen, der einer so schwarzen Seele zur Wohnung dienen muß; ich kann ihn lieben, wenn ich seinen Einwohner hasse: der Abscheu an der Seele wird also durch den Körper nicht verstärkt, oder ich will noch mehr sagen, geschwächet. Aber der Schrecken, welchen die schwarzen fürchterlichen Anschläge Edmunds erregen, ist ganz etwas anders, er wirkt, ohngeachtet seines schönen Körpers, eben so in vollem Maaße. Edmund der Bösewicht, ist mir abscheulich; Edmund, der schädliche Bösewicht, schrecklich.
Wenn ich es also Hrn. Leßing zugebe: »daß schädliche Häßlichkeit allezeit schrecklich sey,«6 so wird Hr. L. es mir zugeben, daß sie es nicht wegen ihrer Häßlichkeit, sondern blos wegen ihrer Schädlichkeit sey: daß also der Dichter durch das Häßliche nie die Empfindung des Schrecklichen hervorbringen, daß er sie, eigentlich gesprochen, nie verstärken könne: kurz, daß Schreckliches und Häßliches, zwo ganz verschiedene Arten der Gegenstände; Furcht und Abscheu zwo ganz verschiedene Arten der Empfindung seyn. Herr Leßing hat vielleicht sagen wollen: »Abscheu gegen die häßliche Seele des andern wird durch Abscheu an seinem häßlichen Körper verstärkt: der Dichter könne sich also der Formen des Häßlichen bedienen, um Abscheu zu verstärken.« Alsdenn hat er Recht; aber auch keine Verschwisterung der Empfindungen angegeben: denn Abscheu bleibt Abscheu; das Häßliche, das Abscheuliche sey in Seele oder Körper.
Ich habe die Empfindung am Häßlichen der Formen Abscheu genannt: Hr. L. glaubt,7 sie Ekel nennen zu können, und gehet darinn von Hrn. Mendelsohn ab, der Ekel nur in den niedrigen Sinnen Geschmack, Geruch und Gefühl; nicht aber in Gegenständen des Gesichts, und kaum des Gehörs finden will.8 Der Sprachgebrauch, der in Sachen, wo es auf nichts als Gefühl ankommt, immer gehört werden kann, scheint auf der Seite des letztern Philosophen; nur, wenn ich nicht irre, mit folgenden Unterscheidungen.
Im eigentlichen Verstande scheint Ekel dem Sinne des Geschmacks zuzukommen; nicht aber blos übermäßige Süßigkeit,9 sondern jede widrige Berührung unserer Geschmacksnerven verursachet Ekel. Daher die große Verschiedenheit des Geschmacks auf verschiedenen Zungen, nach dem ihre Fibern so und nicht anders gestimmt sind, so und nicht anders angenehm oder widrig werden können. Hier ist also Ekel eine Haupteigenschaft des Uebelgeschmacks, der nicht von der zu langen Dauer einförmiger Berührungen unsrer Geschmacksfibern, wie Hr. Mendelsohn meinet: sondern, wie ich glaube, von jeder unserer Natur widrigen Berührung derselben herrühret. Gewisse Geschmacksarten sind ekelhaft nach der allgemeinen Empfindung; andere nach dem Eigensinne Einer Natur, das ist, nach der besondern Spannung der Fibern in diesem einzelnen Subjekte. Gewisse Arten des Ekels sind angebohren, wenn die Werkzeuge des Geschmacks ursprünglich so und nicht anders gebildet sind; andre sind angewöhnet, und durch lange Associationen der Ideen zur Natur geworden. Einiges ist ekelhaft, wenn wirs kosten; ein anderes, wenn wirs gekostet haben, nach dem die widrige Berührung schnell oder langsam geschahe u.s.w. Das Ekelhafte, was in