Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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die Trophäen, den Stolz meiner kriegerischen Tage zurückerkaufen könnte, ach mit Entzücken gäb ich sie alle die geprahlten Nichtswürdigkeiten, um ein dankbares Lächeln ihrer errötenden Wangen, um einen belohnenden Blick ihrer Augen, um einen Ton ihrer Lippen, um einen Seufzer der Freude aus ihrer Brust. Ach Ugolino, du warst glücklich! Kein Sterblicher war glücklicher! Und du hättest glücklich vollenden können! Da sitzt der Stachel! Ich bin der Mörder meiner Gianetta! Wider mich hebt sie ihr bleiches Antlitz zum Himmel! Auf ihren Ugolino ruft ihr unwilliger Schatten den Richter herab! Liebenswürdiger Geist! liebenswürdig in deinem Unmut! Ist dein Antlitz ganz ernst? Ah! dein Antlitz ist ernst! Einst hab ich dich gesehn, meine Gianetta; liebevoll und schüchtern sankst du in meine Arme. Ruggieri Ubaldini trat heran; das Gewand des Heuchlers rauschte lauter; sein bleifarbigtes wässerigtes Angesicht tobte vom SThurm seiner Seele; er wälzte seine adrigten Augen weit hervor; Tücke und Verderben lauschten nicht mehr im Schleier der Nacht! Du aber lagst furchtsam atmend an meinem Halse. Da erhob sich mein Herz! Da erkannte Ruggieri noch einmal Gherardesca, den Mann! Da waren deine Blicke mild, wie der Morgentau; und deine süßen Lippen, deine Nektarlippen, deine Wonnelippen (Er küßt sie) nannten Pisas Befreier deinen Erretter! Nun bin ich gebeugt, meine Liebe! Mein Haar ist nun grau, und mein Bart ist fürchterlich, wie eines Gefangnen. Doch der große Morgen wird ja kommen! schrecklich, dunkelrot und schwül von Gewittern wird er ja kommen! In seinem schwarzen Strahle will ich erlöschen! In seiner gebärenden Wolke soll, wie Feuer vom Himmel, mein Geist über Pisa stehn! Dann erzittre ein Elender! aber nur einer. Feuer und Rache! ist meine Gianetta gefallen! (Steht tiefsinnig) Mit Gift hingerichtet haben sie meine Gianetta? Gift sogen sie aus den Worten meiner Liebe? ah! aus den Worten meiner Liebe? Einsame Erde! ich traure! Was? mit Gift hingerichtet haben sie meine Gianetta? (Geht stillschweigend) Gern möcht ich die Stimme des Abgrundes vergessen! o daß ich sie nie gehört hätte! Ein Gebeinhaus der Verhungernden! Ein Gebeinhaus der Verhungernden! Denn der Thurm ist von dieser Stund an verflucht! ein Gebeinhaus der Verhungernden! Ha! wie er wütet, der Gedanke! wie er sich in mir umkehrt! Ich kann ihn nicht ausdenken! und mag nicht! O pfui! pfui! Brandmal für die Menschlichkeit! ewiges Brandmal! Ich kann mich deiner nicht erwehren; du Wohnhaus des Schreckens! nicht mehr Kerker meiner Erniedrigung! Gruft! Gruft der Gebeine Gherardescas! Gruft meiner Auferstehung! aber erst meiner Verwesung! ah! nicht nur meiner! Fürchterlich! hier hinsinken! hier mit dem Tode ringen! einsam! von keiner freundschaftlichen Hand unterstützt! ganz einsam! mein Weib, meine Kinder rings um mich gesammelt! dennoch ganz einsam! jeder Sinn voll ihrer Verwesung! fürchterlicher als einsam! Tod, wie keiner dich starb, o du bist fürchterlich! Ich will nicht, ich will dich nicht denken! (Er sieht Gaddo) Doch zwingt mich dieser Anblick. Ach daß ich Vater und Mensch sein muß! Steh auf, armer Gaddo! Du antwortest nicht?

      Gaddo. Ich bin gelähmt.

      Ugolino. Aha, war das die Ursache?

      Gaddo. Hilf mir, mein Vater!

      Ugolino. So!

      Gaddo. Lächle, trauter Vater, und hilf deinem Gaddo!

      Ugolino. So!

      Gaddo. Gott segne dich!

      Ugolino. (hebt ihn auf seinen Schoß) Wo schmerzt es dich, mein Gaddo? Sage mir's, armes Kind.

      Gaddo. (ihn sehr beweglich ansehend) Du wirst mich nicht Hungers sterben lassen, mein Vater!

      Ugolino. Wo sitzt deine Krankheit?

      Gaddo. Im Herzen, im Magen, im Kopf: ich kann's dir nicht sagen. O mich ekelt!

      Ugolino. Ich habe dich nicht schreien gehört.

      Gaddo. Oh! der Hirnschädel wäre mir geborsten.

      Ugolino. Deine Augen sind blau und geschwollen.

      Gaddo. Sie wollen nicht weinen!

      Ugolino. Gewiß, gewiß, es ist sehr bitter!

      Gaddo. Liebt meine Mutter mich noch?

      Ugolino. Sie liebt dich immer: wir lieben dich beide.

      Gaddo. Hah! wenn dem so wäre! Es ist unglaublich.

      Ugolino. Warum unglaublich, mein Gaddo? Sprich! Ich bin dein liebender Vater.

      Gaddo. Sie hat mich an ihrem Busen genährt: itzt läßt sie mich verschmachten. Doch sie kann mich verschmachten lassen, und doch lieben: denn du liebst mich, mein Vater; sagtest du nicht so?

      Ugolino. (küßt seine Augen) Habe Mitleid, Strafengel! o schone! schone!

      Gaddo. (seufzt) Ach!

      Ugolino. O nein! nein! lieber rede! daß Gott im Himmel dich höre! rede; strafe deinen Vater; girre nach deiner Mutter, Verlorner! Ärmster! nur laß mich dich süßes Kind nie wieder seufzen hören!

      Francesco. (eilig) Es müssen Leute im Thurm sein: ich hörte Fußtritte.

      Ugolino. (bestürzt) Wie? Was? (Legt Gaddo hin)

      Anselmo. (langsam) Du wolltest vermutlich die Männer im Thurm sehen. Es sind dieselben, die ich vorher bat, mich und Gaddo mitzunehmen: Männer ohne Herz. Sie schlichen fort, da sie mich wahrnahmen, als fürchteten sie mich. Sie sind nicht mehr da.

      Francesco. Horch! horch!

      Anselmo. Auch die Öffnung ist nicht mehr. St! St!

      Francesco. (erblaßt) Die Thurmtüre! Ha! (Man hört sie stark zuschlagen)

      Anselmo. Sie wird verschlossen. (Ein sehr langes und schreckenvolles Stillschweigen: worauf Anselmo seinen Bruder leise anstößt) Du siehst den Geist an der Mauer, Francesco! Nein, sieh nicht dort hin; sieh unsern Vater. Erstarrt? Versteinert? Bleich war das Antlitz unsers Vaters; aber sieh, Francesco, itzt ist's schrecklich. Weh mir! ihm ins rote, ins unbewegliche Auge zu sehn, schaudert mich! Ach mein Vater! (Küßt seine Hand) Und auch du, Francesco? Du schweigst? seufzest? auch du, Francesco? und schluchzest? Mein Vater! (Küßt seine Hand noch einmal, sieht auf, und erschrickt) Auf dich wirft er einen schnell zurückgezognen Blick, und auf mich, und auf Gaddo! Blut strömt vom gewaltigen Biß seiner Lippen! Seine Gesichtsmuskeln stehn aufwärts gedrängt und starr! Mein Vater! (Wirft sich ihm zu Füßen)

      Francesco. Sei ruhig, Anselmo, ich bitte dich! (er richtet ihn auf)

      Anselmo. (mit Heftigkeit) Mein Vater! mein Vater! (Ugolino geht ab) Mein Vater! (Mit den Füßen stampfend) Mein Vater! (Ängstlich schreiend)

      Francesco. Was ängstigt dich, mein Anselmo? Was schreckt dich, Lieber? ach! laß unsern Vater nichts von dieser Heftigkeit sehn! sei gelassen! sei ruhig!

      Anselmo. Gut, Mann! entferne dich nur! aber schnell! schnell aus meinen Augen! wenn dein Leben dir lieb ist, Mann!

      Francesco. Ich darf ihn itzt nicht verlassen, nein. Und mein Vater! o ewige Vorsicht!

      Anselmo. Ich irrte mich. Dieser da ist keiner von ihnen. (Sieht sich furchtsam nach allen Seiten um) Ach! (Indem er die Hände ringt) Nun ist es gewiß. Weggeführt haben die Priestersklaven das Opfer! und die Reihe wird an mich kommen: aber desto besser.

      Francesco. Gib dich zufrieden, Anselmo. Kennst du mich nicht?

      Anselmo. Dich? (misst ihn mit den Augen)

      Francesco. Kennst du mich?

      Anselmo. Ha! ha! ha! Wie sollt ich dich nicht kennen. Du bist ja Er, der aus dem Abgrunde heraufkam.

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