Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Ordnung, wo die 4. die größte ist. Ich deklariere also feierlichst im Angesicht dieser Messe, daß ich nie etwas in meinen Schriften gegen die 4 te Klasse, ja nicht einmal gegen die 3 te geredet oder gedacht habe, sondern daß ich auch niemals etwas weder reden noch denken werde was dieser ehrwürdigen Klasse entgegenlaufen könne. Die 2 te Klasse versichere ich meiner Freundschaft als Mitgenossen, allein die erste Klasse! Sehet da das Feld für einen deutschen Satyrenschreiber, unübersehbar; arme Teufel gibt es überall, und wird vermutlich welche geben so lange die Welt stehen wird.

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      Den jetzigen Menschen kann man sich als aus zween zusammengesetzt vorstellen, dem natürlichen Menschen und dem künstlichen, wovon der eine nach den ewigen Gesetzen der Natur und der andere nach den veränderlichen des Costume sich ändert. man kann ihn zerfällen Bei der Schilderung des Menschen muß man hauptsächlich daraufsehen den einen von dem andern zu unterscheiden. Zum natürlichen Charakter rechne ich die Hauptstriche des Charakters der Konturen, bedächtlich, schwermütig, still, lustig, Geck, Bemerker, Wahrheiten selbst erfunden, anderer ihre Eigenmacht verfließen gemacht in das eigene System von Gesinnungen, der künstliche Mensch alles bloß Angeklebte, Gelernte, es sei ein Kompliment oder eine große philosophische Wahrheit, alles Erzwungene, Eau de Lavende und rote Absätze usw.

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      Bei dem Frauenzimmer fällt der Sitz des Point d'honneurs mit dem Schwerpunkt zusammen, bei den Mannspersonen liegt er etwas höher in der Brust um das Zwerchfell herum. Daher bei Mannspersonen die elastische Fülle in jener Gegend bei Unternehmung prächtiger Taten, und eben daher das schlappe Leere daselbst bei der Unternehmung kleiner.

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      Alles wird uns schön was einige Relation auf sinnliche Liebe hat, in den Stunden da der tierische Affekt selbst schläft, und unsere übrigen sinnlichen Werkzeuge einer Seele gegenüberstehen, die voll von dem Gedanken eines vergangenen Vergnügens und eines künftigen nach Belieben würklichen ist. Wir sehen alsdann vieles was wir nicht würden gesehen haben. Wir haben die armen Knaben nicht mehr lieb wie die Griechen, wenn unsere neuere Zeiten ein schönes Stück in der Bildhauerkunst liefern, so muß es ein Mädgen sein. Der christliche Künstler findet die Schönheit nicht, und wenn er sie fände und anbrächte, so erkennt sie der Anschauer wieder nicht.

      d. 2 ten Mai. 1769.

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      den 3 ten Mai 1769.

      Alle Leute, welche Sachen von uns kaufen, die wir nicht mehr brauchen, und eben aus dieser einzigen Ursache weggeben, stehen nicht in dem besten Kredit bei der Welt, die Antiquarii, die geringen Juden, alle Trödler, die Dungkärrner, die ihre Grade haben und endlich sich gar in das Unehrliche verlieren.

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      Ich gehe zuweilen in 8 Tagen nicht aus dem Hause und lebe sehr vergnügt, ein eben so langer Hausarrest auf Befehl würde mich in eine Krankheit werfen. Wo Freiheit zu denken ist, da bewegt man sich mit einer Leichtigkeit in seinem Zirkel, wo Gedanken-Zwang ist, da kommen auch die erlaubten mit einer scheuen Miene hervor.

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      Trinken, wenn es nicht vor dem fünf und dreißigsten Jahre geschieht, ist nicht so sehr zu tadlen, als sich viele von meinen Lesern vorstellen werden. Dieses ist ohngefähr die Zeit, da der Mensch aus den Irrgängen seines Lebens heraus auf die Ebene tritt in welcher er seine künftige Bahn von nun an offen vor sich hinlaufen sieht. Es ist betrübt, wenn er alsdann erst sieht daß es die rechte nicht ist, eine andre zu suchen, wenn er nicht sehr gut zu Fuß ist, ist gemeiniglich zu spät. Ist diese Entdeckung mit einer Unruhe verknüpft, so hat man durch die Erfahrung befunden, daß der Wein zuweilen Wunder tut, fünf bis sechs Gläser oder bis an die Spes dives des Horaz getrunken, gibt nun dem Menschen die Lage die er verfehlt hat, das Gesinnungen-System findet alles Äußere mit seinem angenehmsten Stande harmonisch, wo Prospekte verbaut sind, da reißt die Seele ein, und überall schafft sie sich die schönsten Perspektive, von dem reinsten rosenfarbenen Licht erhellt, oder dem erquickendsten Grün das nur ein Auge zur Stärkung und eine Seele zur angenehmsten Füllung verlangen kann.

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      Einen einzigen Abend in einer Laube im Genuß seiner eigenen Empfindung, wie es Wieland nennt, zuzubringen, war für ihn das Beste und Höchste, darnach schätzte er die Größe und das Glück der Menschen, damit wog er Taten auf wovon das Gerücht durch Jahrtausende durchhallt.

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      Der Genuß seiner selbst findet mehr bei ruhigen Seelen statt, sagt Winckelmann.

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      Wenn man die Kur in Regenwasser trinken will, so muß man nach Göttingen kommen, da hat man es allezeit frisch.

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      Wir wundern uns zuweilen über die indianische Völker, die sich Briefe in Knoten schicken, unsere Buchstaben sind nichts als Knoten von Linien, welche, wie man aus der Schattierung erkennt, gewisse Bänder machen.

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      Er mußte etwas zu spielen haben, hätte ich ihn keine Vögel halten lassen, so hätte er Maitressen gehalten.

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      Man soll sehr gut schießen, wenn man etwas getrunken, sehet da die Verwandtschaft zwischen Schützenkunst und Poesie.

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      Er stund damals im 54 ten Jahr, wo Vernunft und Leidenschaft auch bei Dichtern anfangen über die Friedens-Artikel zu konferieren und den Frieden selbst nicht lange hernach gewöhnlich zu Stande bringen.

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      Was haben Sie hier? Ein Kompaß um durch die Welt zu reisen. Wie, in einem Beutel? Ja es sind 50 Louisd'or bar und Wechsels auf ein paar tausend andere.

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      Das einzige was er Männliches an sich hatte konnte er des Wohlstandes wegen nicht sehen lassen. Mi si nihil aliud virile, sexus esset. Petron.

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      Ein gewisser Mensch bleibt allezeit in den Augen des Weltweisen einerlei, er mag Perüquenmacher oder Minister sein, so wie der Marmor derselbe bleibt, die Statue mag einen Kapuziner oder den Apollo vorstellen, Bronze oder Sandstein wird er aber nicht.

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       Er trug die Livree des Hungers und des Elendes.

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      Er hatte sich auf alles geschickt was er antworten könnte, wenn der König mit ihm sprechen würde, sogar wenn er fragen würde wie hoch ihn diese Manschetten kämen, allein der König fragte, was spricht man denn von mir in D... Rien, Monsieur, antwortete er.

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      Rede eines Selbstmörders kurz vor der Tat aufgesetzt.

      Freunde! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist dieses keine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Gliedern die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine fromme Possen in dem Zug meiner Gedanken

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