Allgemeine Staatslehre. Alexander Thiele
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In zahlreichen Lehrbüchern kommen ökonomische Aspekte, nicht zuletzt die Frage nach der Finanzierung des Staates, allerdings nur sehr verkürzt oder überhaupt nicht vor. Hier besteht zweifellos Forschungsbedarf aus der Perspektive der Allgemeinen Staatslehre. Vor allem aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Entwicklungen – etwa zur Bewertung der Staatsverschuldung – werden allenfalls rudimentär zur Kenntnis genommen.
Zur Methodenkritik auch gleich noch unten.
Vgl. T. Vesting, Staatstheorie, Rn. 36.
Siehe auch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 1.
H. H. von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 5.
Einführend dazu E. Özmen, Politische Philosophie, 2013.
Speziell zum historischen Staatsverständnis zuletzt auch G. Metzler, Der Staat der Historiker, 2019.
E. Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, S. 24 ff. Friedell spricht der Geschichtswissenschaft dabei im Ergebnis jede Wissenschaftlichkeit ab, aaO, S. 26: „Wir gelangen demnach zu dem Resultat: sobald die referierende Geschichtsschreibung versucht, eine Wissenschaft zu sein, hört sie auf objektiv zu sein, und sobald sie versucht, objektiv zu sein, hört sie auf, eine Wissenschaft zu sein.“ Diese Einschätzung wird hier nicht geteilt, sie sei aber zur nicht ernstgemeinten Provokation befreundeter HistorikerInnen gleichwohl zitiert.
„Staatswissenschaften“ bildet dann den Oberbegriff für alle wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Staat befassen.
Vgl. R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 16 ff.
Überblick dazu bei A. Thiele, Der gefräßige Leviathan, S. 236 ff.
Vgl. auch C. Starck, Allgemeine Staatslehre in Zeiten der Europäischen Union, in: ders. (Hrsg.), Woher kommt das Recht, S. 353 (358).
So etwa der Untertitel der Allgemeinen Staatslehre von Reinhard Zippelius, der allerdings nicht näher erläutert wird.
H. H. von Arnim, Ist Staatslehre möglich?, JZ 1989, 157 (157).
Siehe beispielhaft etwa A. Weber, Europäische Verfassungsvergleichung, 2010. Allerdings wird diese Entkontextualisierung und Fokussierung auf die (nationale) Dogmatik, die sich nicht zuletzt in der Zitierweise höchstrichterlicher Entscheidungen spiegelt, auch in der deutschen Rechtswissenschaft mittlerweile kritisch gesehen, vgl. O. Lepsius, Kontextualisierung als Aufgabe der Rechtswissenschaft, JZ 2019, 793 ff. Siehe auch A. Thiele, Der konstituierte Staat, S. 369 sowie F. Gärditz, Verfassungsentwicklung und Verfassungsrechtswissenschaft, in: M. Herdegen/J. Masing/R. Poscher/F. Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 4, Rn. 63 f. Darauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
R. Hirschl, Comparative Matters, 2014. Insgesamt herrscht im anglo-amerikanischen Raum bisweilen ein wenig Verwunderung über die gerade im deutschen Staatsrecht vorzufindende strikte Trennung der normativen von der sozial-politischen Sphäre, wie sie sich auch in den klassischen Lehrbüchern findet. Dort wird auch das allgemeine Staatsrecht stärker in einen interdisziplinären Kontext gebettet.
Ran Hirschl ist Politik- und kein Rechtswissenschaftler.
Vgl. auch J. Plebuch, Amerikanischer Weltdiskurs, Der Staat 60 (2021), 133 (133).
III. Über einen bestimmten Staat hinausreichendes Erkenntnisinteresse
Reicht das interdisziplinäre Erkenntnisinteresse einer „Staatslehre“ über das Wesen und die Struktur eines einzelnen Staates hinaus, handelt es sich drittens um eine Allgemeine Staatslehre; soll hingegen das Wesen eines bestimmten Staates oder einer sehr kleinen Staatengruppe beleuchtet werden, handelt es sich um eine „Besondere Staatslehre“.[72] Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, verfolgen jedoch unterschiedliche Zwecke. Eine Allgemeine Staatslehre zielt ihrer Idee nach darauf ab, Wesen und Charakter aller bestehenden Staaten zu ergründen. Sie wird sich daher der induktiven Methode bedienen und versuchen, vom Besonderen der individuellen Staaten auf das Allgemeine aller Staaten zu schließen. Der empirische „Staatenvergleich“ bildet ein zentrales Element einer jeden Allgemeinen Staatslehre. Das schließt eine deduktive Vorgehensweise nicht von vornherein aus. So ließen sich eventuell aus dem allgemeinen Wesen des Menschen abstrakte Hypothesen über das Zusammenleben im Staat entwickeln, die dann jeder staatlichen Gemeinschaft gemein sind oder sein müssten. Auch dieser Weg – den nicht zuletzt Karl Popper mit seiner Stückwerk-Sozialtechnik gewiss eingeschlagen oder bevorzugt hätte[73] – käme aber ohne den umfassenden Staatenvergleich zur |12|anschließenden Verifizierung (beziehungsweise Falsifizierung) der Hypothesen nicht aus. Im Übrigen ist es bisher allenfalls rudimentär gelungen, aus dem Wesen des Menschen sinnvolle Annahmen zu formulieren, die sich als Grundlage einer umfassenden und halbwegs realitätsnahen (nicht-utopischen) Allgemeinen Staatslehre eignen würden.[74] Auch hier wird daher die induktive Methode als „Grundsatzmethode“ vorgeschlagen, die, das sei noch einmal betont, nicht ausschließt (sondern sogar