Geh's noch Gott?. Paulus Terwitte
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Für mich bedeutet dieser Humor, den ich vom Heiligen Franziskus lerne und den ich in meinem Leben verwirkliche, daher, dass ich in meinem Glauben wie manchmal von einer höheren Warte aus mein Leben betrachte und denke: „Ja, es läuft jetzt so. Wenn es jetzt anders laufen würde, würde es halt anders laufen. Aber Herausforderungen bleiben überall. Und es ist doch zum Lachen, wie ich manchmal aus emotionalen Gründen und weil sich auch manches an Ängsten aufbaut, aus einer Mücke einen Elefanten mache. Aber ein erfülltes Leben ist ein Leben voller Konflikte, voller Versöhnung, Streit, Hunger, Durst, schönes Abendessen, toll was trinken … Die Fülle des Lebens ist doch eigentlich das erfüllte Leben. Und wer bin denn ich, dass ich darüber richten kann, was ein bisschen erfüllter ist und was ein bisschen weniger erfüllt?“
Also: Mach deine Aufgabe. Zum Abschluss möchte ich Michael Endes tollen Roman Momo zitieren: Denk an Momos Gespräch mit dem Straßenkehrer. Was macht der Straßenkehrer? Der macht einmal Strich … und Strich … und Strich … und streicht mit seinem Besen über die Straße und ist ein wunderbar erfüllter Mensch und hat alle Hände voll zu tun, damit die grauen Herren, die Zeitfresser, ihm das Leben nicht madig machen.
Ich wünsche dir, dass du in dem, wo du gerade bist, auch in dem Mangel, den du gerade erlebst, wo du gerade denkst: Hach, ich habe eben kein erfülltes Leben!, den Vogel siehst, der vielleicht gerade vor deinem Fenster sitzt und singt. Dann denk dir: Der singt jetzt grrade nur für mich! Das könnte ja vielleicht der Anfang sein, dass du siehst: Die Fülle kannst du dir nicht machen. Sie wird dir geschenkt.
Ein erfülltes Leben kann nicht daher kommen, dass ich alle Wünsche erfüllt bekomme.
Sondern ein erfülltes Leben fängt da an, wo ich es schaffe, aus diesen Wünschen in die Hingabe zu kommen.
Was ist Glück?
Ich finde, wir müssen mal über das Glück reden. Es wird uns zum Beispiel „ein glückliches neues Jahr“ gewünscht, wir machen Glückwünsche zum Geburtstag oder
zu was auch immer – es wird ständig Glück gewünscht. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob alle Menschen das Gleiche meinen, wenn sie das Wort „Glück“ sagen.
Was ist eigentlich Glück? Meine Definition von Glück fängt damit an, dass ich sage: Glück ist das Unerwartete. Glück ist genau das, womit ich nicht gerechnet habe. Glücklich macht mich nicht, wenn ich das kriege, was ich mir gewünscht habe – das ist ja komisches Glück. Wenn ich das kriege, was ich mir gewünscht habe, dann kommt ja nichts Neues in mein Leben. Ich habe meine Wünsche, die sage ich auch und dann werden sie mir erfüllt. Na super. Glücklich macht mich das nicht.
Glücklich macht mich, wenn ich überrascht werde, wenn ich beglückt werde, zum Beispiel: „Boah, hätt’ ich ja nie gedacht, dass ich das im Urlaub erlebe!“ oder „Diese Musik spricht mich so an, unglaublich“ oder „Dass du mit mir jetzt so lange Zeit verbracht hast, macht mich superglücklich!“ und „Dass ich diesen Ort gefunden habe, mit dem ich überhaupt gar nicht gerechnet hatte, macht mich superglücklich!“. Das ist das Glück, was ich Menschen wirklich wünsche. Und damit wünsche ich ihnen auch ein Überraschungsherz. Ich finde, es mangelt in unserer Welt an Überraschungsherzen. In einer Welt, in der alle möglichen Erwartungen an Menschen gerichtet werden und Erwartungen erfüllt werden müssen, fehlt es an einem Überraschungsherzen. Einem Herzen, das sich eben nicht überlegt: Was erwarte ich von dem anderen? Was erwarte ich vom Leben? Was erwarte ich von meiner Frau? Von den Kindern? Was erwarte ich hier und was erwarte ich da? Stattdessen frage ich mich: „Bin ich noch bereit, mich überraschen zu lassen von meiner Frau?“ Oder sage ich mir: „Die hat schon wieder nicht gekocht, was ich mir gedacht habe!“ Oder: „Die Jungs haben schon wieder nicht ihr Zimmer aufgeräumt, wie ich mir das vorgestellt habe!“ Oder: „Das Auto ist immer noch nicht aus der Werkstatt so wiedergekommen, wie ich es mir gedacht habe.“ Eine Miesepeterigkeit ohne Ende stelle ich bei vielen Menschen fest. Sie sind nicht mehr bereit, als Glücksdetektive durch die Welt zu gehen und zu sagen: „Ich möchte gerne mal entdecken, wo ich gerade beglückt werde“ – in der Straßenbahn, auf dem Bahnhof, beim Spazierengehen, durch die Sonne, durch den Frost, durch den Wind, durch den Regen … Ich lasse sehr viele Momente in meinem Leben insofern an mich heran, dass ich mich frage: Wie wollen die mich gerade beglücken? Glück ist so was wie die Erfahrung von einer Zusammengehörigkeit in einer Welt, die wir nicht in der Hand haben, so wie wir auch unser ganzes Leben nicht in der Hand haben. Und glücklich werde ich da, wo ich bereit bin, das zu bejahen. Wenn ich sagen kann: Die Welt kommt mir entgegen, und sie beschenkt mich. Sie beschenkt mich in einer Weise, dass ich wieder neu nachdenken kann über die Welt, über mich, über das Leben. Sie erneuert mich ständig.
Für mich ist einer der größten Glücksmomente, in eine Ausstellung zu gehen und mir dann eine Viertelstunde lang ein Bild anzugucken. Währenddessen überlege ich: „Wie berührt mich jetzt dieses Bild oder dieses Kunstwerk?“ Oder ich sitze in einer Oper und denke mir: „Wahnsinn, wie da zusammengespielt und -gearbeitet wird! Das macht mich jetzt wirklich glücklich in einer Weise, wie ich es gar nicht erwartet hätte.“ Manchmal erlebe ich das auch im Gebet. Ich bete dann oder bin in der Stille, in der Meditation, und dann habe ich manchmal diesen Eindruck: Ich bin jetzt ganz in Gemeinschaft mit dem, der mich geschaffen hat und mit dem ich unterwegs bin. Das ist einfach toll, und das ist Glück.
Glück ist: Ich fühle mich zugehörig zu der Welt, in der ich bin. Und Glück heißt für mich: Ich kann die Welt wahrnehmen, wie sie mich beschenkt, wie sie mich herausfordert, wie sie in Kommunikation mit mir ist, wie sie mich zum Wachsen bringt.
Ein anderer Aspekt des Glücks, den ich auch wichtig finde, ist, dass ich durch die Welt gehe und der Welt etwas schenken kann. Mich macht es ja nicht nur glücklich, wenn ich etwas erhalte, etwas bekomme, etwas mitbekomme, sondern dass ich auch etwas geben kann. „Vom Schenken ist noch keiner arm geworden“, hat meine Großmutter gesagt. Dahinter steckt die tiefe Erfahrung: Weil ich ein Empfänger bin, will ich gerne auch ein Geber, eine Geberin sein. Ich will auch etwas von mir loslassen. Es macht mich zum Beispiel glücklich, wenn ich mit Menschen im Gespräch bin und mir Menschen zuhören, die ich gar nicht kenne und die bereit sind, meine Meinung aufzunehmen. Oft haben diese Menschen eine Haltung wie: „Ich lasse mir jetzt einfach mal was sagen.“ Wenn ich mir für die Menschen Zeit nehme, macht es mich glücklich, weil ich in Kontakt mit ihnen bin. Und ich hoffe, die Menschen spüren, dass ich das tatsächlich mit Freude mache und mit Freude für sie da sein will.
Glück bedeutet für mich also nicht: „Das hab ich jetzt, und dann pack ich das ein, und dann lebe ich so weiter.“ Nein, das ist für mich wie eine Art Fluss, in dem ich gehe, stehe, bade. Ich schwimme da drin, ich gebe das Meinige, ich werde umspült von anderen. Wenn man mich fragt, könnte ich sagen: Ich bin tatsächlich ein glücklicher Mensch, weil ich aufgehört habe, mir zu überlegen, was mich glücklich machen könnte. Das wäre auch mein Rat an dich, wenn du glücklich werden willst. Glück kann man nicht anstreben. Du kannst nicht sagen: „Heute will ich mal überlegen, wie ich mich glücklich machen will.“ Das geht nicht. Ich will jetzt nicht gerade sagen: Bleib unglücklich! Aber ich wünsche dir eine Haltung, die sagt: „Ich packe das Leben jetzt an, wie es sich mir anbietet. Leider ist dies nichts geworden, leider ist das nichts geworden und hier ist auch etwas kaputt gegangen. Etwas funktioniert nicht. Aber ich kann über diese Dinge herrschen. Ich kann sie verwandeln, wenn ich sie als meinen Auftrag annehme, und ich kann jetzt und heute einen neuen Schritt anfangen.“ Das ist ein Vermögen, aus dem, was das Leben uns anbietet, etwas zu bauen, was uns weiterbringt. Auf einer Spruchkarte heißt es: „Die Steine, die uns in den Weg gelegt