Wenn wir 1918 .... Walter Muller
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Vorwärts - 25. November 1918
Krieg der Entente gegen die Revolution!
Belgien, Luxemburg, Nordfrankreich und Elsass-Lothringen sind von den deutschen Truppen geräumt. Nur 24 Stunden lang haben die Alliierten die Fiktion aufrechterhalten, dass sie die Kündigungsfrist einzuhalten bereit seien. Sie hofften, nach Ablauf der 48 Stundenfrist noch zurechtzukommen, um das Gros der deutschen Nordarmee durch einen Süd-Nordvorstoß gegen Aachen und den Maastrichtzipfel abschneiden zu können. Dann merkten sie aber, dass sie sich verrechnet hatten. Vierundzwanzig Stunden vor Ablauf des Waffenstillstandes wurde der Grenzort Malmedy bombardiert und von französischen Truppen gestürmt. Die nördlich Malmedy stehenden Truppen setzten sich zur Wehr, um nicht in Gefangenschaft zu geraten und um den nördlicher marschierenden Truppen den Rücken zu decken. Jetzt ziehen sich unsere Truppen, nachdem die Gefahr, die dem rechten Flügel drohte, abgewendet worden ist, nord- und ostwärts zurück. An der ganzen übrigen Front haben wir das Feuer, das von den Ententetruppen eröffnet wurde, nicht erwidert. Obwohl bei dem scharfen Tempo des Rückzuges an den meisten Stellen fünf bis zehn Kilometer Abstand zwischen den deutschen und Ententetruppen besteht, haben die Ententetruppen das Artilleriefeuer an allen Stellen aufgenommen, wo sie die deutsche Grenze überschritten haben.
Vom Rate der Volksbeauftragten wurde folgender Funkspruch aufgegeben:
An das Interalliierte Hauptquartier
Wir protestieren gegen den Bruch des Waffenstillstandes. Obwohl die deutschen Truppen sich überall kampflos zurückziehen, ist Ihrerseits das Feuer auf der ganzen Front wieder aufgenommen worden.
Wir sind nach wie vor bereit, das ganze linksrheinische Gebiet kampflos zu räumen und ersuchen dringend um Einstellung der Feindseligkeiten.
AUFRUF
an alle Soldaten der französischen, englischen, belgischen, amerikanischen und italienischen Armee.
Das Proletariat in Deutschland und Österreich-Ungarn, in Polen, in der Ukraine und in Rumänien hat seine Ketten abgeworfen. Wir wollen auf den Trümmern des Kapitalismus ein neues sozialistisches Gemeinwesen auf überstaatlicher Grundlage errichten und uns dem Freiheitskampf unserer russischen Brüder anschließen. Der Krieg ist zu Ende. Der deutsche Kaiser, der russische Zar, der Kaiser von Österreich, sie sind nicht mehr. Trotzdem will man euch wieder zum Kampf gegen uns führen. Ihr sollt ein neues Blutvergießen beginnen, obwohl wir uns verpflichtet haben, kampflos das linke Rheinufer zu räumen. Warum hetzt man euch auf uns? Weil unsere Revolution nicht Halt gemacht hat mit der Absetzung der Monarchen, weil wir es nicht genug sein lassen mit der Beendigung des jetzigen Krieges, sondern weil wir auch die Ursache von weiteren Kriegen beseitigen wollen: das fluchwürdige System des Kapitalismus. Das gefällt euren Beherrschern natürlich nicht, denn auch sie sind ja Kapitalisten. Sie ließen ja, wie die unseren, ihren Krieg durch euch führen im Interesse ihres Kapitals. Und dieses Kapital ist in Gefahr, wenn sich nun ganz Mittel- und Osteuropa auf sozialistischer Grundlage einigt. Nicht, dass wir die Absicht hätten, euch anzugreifen. Nein, eure Unterdrücker fürchten, dass ihr, unserm Beispiel folgend, auch daran denken könntet, eure Fesseln abzuwerfen. Deshalb sollt ihr jetzt gegen uns kämpfen. Ihr sollt unsere Revolution niederwerfen, damit ihr nicht auf den Gedanken kommt, euch gegen eure Herrscher zu erheben. Man will uns schlagen und euch damit treffen. Ihr kämpft gegen euch selbst, wenn ihr den Befehlen eurer Generäle weiter Folge leistet.
Die Stunde eurer Befreiung hat noch nicht geschlagen. Der Siegestaumel, der in euren Ländern herrscht, hat auch weite Kreise des Proletariats erfasst. Die vom Siegesjubel erfüllten Gehirne werden erst allmählich zu der Erkenntnis gelangen, dass es nicht nur darauf ankommt, den deutschen Kapitalismus zu schlagen, sondern dass man den Kapitalismus international beseitigen muss. Die Zeit wird kommen, wo diese Notwendigkeit von den Werktätigen aller Länder klar erkannt wird. Noch ist es nicht so weit. Vorläufig erwarten wir nur eins von euch, Kameraden: Schießt nicht auf eure deutschen Brüder!
Der Seekrieg beginnt
Die deutsche Ostseeflotte hat sich auf der Höhe von Danzig mit der russischen Ostseeflotte vereinigt. Die Nordseeflotte hat den Nord-Ostsee-Kanal passiert und wird heute abend den Kieler Hafen verlassen. Die englisch-französische Nordseeflotte hat bei ihrem Vorgehen in der Helgoländer Bucht 3 deutsche Minenschiffe, 2 Torpedo- und 2 Unterseeboote zerstört, aber selbst schwere Verluste durch Minen erlitten. Ein englisches Linienschiff wurde von einem deutschen Unterseeboot torpediert und sank. Die Engländer scheinen eine Landung in Cuxhaven und Brunsbüttelkoog zu planen. Truppentransportschiffe wurden bei Helgoland gesichtet. Die englische Flotte versucht in die Ostsee einzudringen. Sie erleidet schwere Verluste durch Unterseeboote, Flugzeuge und Minen. Wird die deutsche Flotte aktionsfähig sein, obwohl mehr als die Hälfte der Offiziere fehlt? Nur drei Schiffskommandeure von größeren Einheiten haben sich mit der Mannschaft solidarisch erklärt und die Führung behalten. Auf den kleineren Schiffen ist die Zahl der uns ergebenen Offiziere glücklicherweise bedeutend höher. Die Möglichkeit einer offenen Seeschlacht hat eine ganze Anzahl höherer Marineoffiziere in letzter Minute veranlasst, ihre Dienste wieder zur Verfügung zu stellen. Aus Sicherheitsgründen hat der Zentralmatrosenrat jedoch nur in geringem Umfange von diesem Angebot Gebrauch gemacht und die ausgewählten Offiziere unbeschadet ihres Dienstranges nur mit der Führung kleinerer Schiffseinheiten betraut. Wird der revolutionäre Elan der Matrosen imstande sein, den Mangel an militärischer Führung wettzumachen? Werden die englischen Matrosen bedingungslos den Befehlen ihrer Führer Folge leisten? Die nächsten Tage werden Antwort bringen.
Vorwärts - 29. November 1918
Lenin in Berlin
Die Ankunft. Schon am frühen Morgen war ganz Berlin auf den Beinen. Trotz der schwierigen Verkehrslage waren Zehntausende von Menschen nach Berlin geströmt, um Zeuge zu sein bei der Grundsteinlegung der neuen Gesellschaft. Der ganze lange Weg vom Flugplatz bis zum Reichstagsgebäude, das nun wirklich dem deutschen Volke und dem internationalen Proletariat gehört, war dicht von Menschen umsäumt. Acht Reihen tief standen auf einer Straßenseite die Mitglieder der bewaffneten roten Macht, die Angehörigen der Roten Armee und der Roten Arbeiterwehr Berlins. Auf der anderen Seite die Mitglieder des Roten Frauenbundes zur Verteidigung der Revolution und -kilometerweit, ebenfalls zu Hunderttausenden — unsere Jugend, die kommende Generation, der die Erfolge unseres Kampfes zugute kommen sollen. Spannung, Begeisterung, Kampfbereitschaft auf allen Gesichtern. Heut kommt kein Potentat, kein degenerierter Spross eines Fürstenhauses. Heut kommen die Männer von morgen, die Führer der Revolution. Ungeheurer Jubel bricht aus, als die Führer der deutschen Revolution vorbeifahren, Karl Liebknecht, Ledebour, Rosa Luxemburg, Levine.
Immer stärker schwillt der Sturm der Begeisterung an: die ausländischen Revolutionäre fahren vorbei, die Vertreter der Länder, in denen die Revolution bereits siegreich