Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska
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William Farr (1807 bis 1883)
William Farr arbeitete zunächst als Gehilfe eines Chirurgen im ländlichen England des 19. Jahrhunderts. Er studierte Medizin in Frankreich und der Schweiz und eröffnete 1833 eine Praxis in London. Zunehmend interessierte er sich für Medizinalstatistik. Seit 1838 arbeitete er im neu eingerichteten »General Register Office«. Seine Aufgabe war, Daten für gesundheitsbezogene Statistiken in England und Wales zusammenzutragen und auszuwerten. Er entwickelte daraus eine Gesundheitsberichterstattung und eine vorbildliche nationale Todesursachenstatistik. Sie ermöglichte es nicht nur, Statistiken über die Bedeutung verschiedener Todesursachen aufzustellen. Farr arbeitete auch Tabellen aus, die die Sterblichkeit unterschiedlicher Berufsgruppen zeigten. Damit war er einer der Vorläufer der Sozialepidemiologie (mehr darüber erfahren Sie in Kapitel 20).
Farr musste später erkennen, dass er falsch lag. Es gab eine andere Erklärung, die sich als die richtige entpuppte. Die Menschen in den tiefer gelegenen Stadtvierteln bezogen ihr Trinkwasser direkt aus der Themse. Es war, wie wir heute wissen, mit Cholera-Erregern aus den Abwässern verseucht. Menschen in höher gelegenen Stadtvierteln bezogen ihr Wasser aus anderen Quellen, die nicht verseucht waren. Farr hatte also eine andere Erklärung übersehen.
Farrs Zeitgenosse John Snow (der größte Held der Epidemiologen) klärte Farrs Irrtum auf. Übrigens auch dank der Hilfe von Farr, der ihm seine Daten zur Verfügung stellte. Mehr zu Snows wissenschaftlicher Detektivarbeit erfahren Sie im nächsten Abschnitt.
William Farr war gleichzeitig einer der ersten Epidemiologen, die soziale Ursachen für Krankheiten untersuchten. Er begnügte sich nicht damit, Zahlen zusammenzutragen. Vielmehr wurde er zu einem Vorkämpfer für eine bessere Gesundheitsversorgung, insbesondere für die ärmere Bevölkerung.
Als Farrs größte Errungenschaft gilt, dass er in England eine nationale Todesursachenstatistik eingeführt hat. Er erkannte früh, dass hierzu standardisierte Kategorien von Todesursachen erforderlich waren. Seine Arbeiten bildeten die Grundlage für die noch heute existierende International Classification of Diseases (ICD) (mehr darüber erfahren Sie in Kapitel 3). Nur mit standardisierten Diagnosen sind Vergleiche über die Zeit oder zwischen Regionen möglich – sie sind ein Kernstück der heutigen Gesundheitsberichterstattung.
Epidemiologischer Detektiv – Dr. John Snow
John Snow war ein Phänomen. Er arbeitete als Armenarzt in den südlichen Stadtteilen von London. Zugleich wurde er Leibarzt von Königin Victoria. Grund waren seine erfolgreichen Experimente mit Chloroform als Narkosemittel, die ihn bekannt und berühmt machten. Die Königin bat ihn 1853, ihr bei der Geburt ihres achten Kindes eine Narkose zu geben. Snow war damit erfolgreich und erhielt höchste Anerkennung. Er hat die Individualmedizin ohne Zweifel einen großen Schritt nach vorn gebracht.
Unter Epidemiologen ist John Snow aus anderen Gründen berühmt. Aufgrund seiner Tätigkeit als Armenarzt kannte er die von der Cholera besonders stark befallenen Stadtteile Londons sehr gut. Er untersuchte die Cholera-Ausbrüche Mitte des 19. Jahrhunderts und wendete dabei Methoden an, wie sie die Epidemiologen auch heute noch einsetzen. Dadurch konnte er – lange, bevor der Cholera-Erreger entdeckt wurde – die Übertragungswege nachvollziehen und erstmals wirksame Vorsorgemaßnahmen vorschlagen.
Bei seiner Arbeit ging Snow ähnlich wie ein Detektiv vor. Er folgte dabei den Schritten einer jeden epidemiologischen Untersuchung:
1 Beobachten (im Lichte bestehender Theorien)
2 Hypothesenbildung
3 Datenerhebung: Wer? Wo? Wann?
4 Datenanalyse und Präsentation
5 Schlussfolgerungen
6 Intervention zur Verbesserung der Gesundheit
Heutige Epidemiologen setzen immer noch ähnliche Methoden wie John Snows ein.
Beobachten im Lichte bestehender Theorien
Im September 1848 brach in London wieder einmal die Cholera aus. Der erste Fall war ein englischer Seemann namens John Harnold, der gerade aus Hamburg zurückgekehrt war. Er übernachtete in einer Seemannsherberge, erkrankte dort an Cholera und verstarb. John Harnold war der sogenannte Indexfall in diesem Ausbruch.
Ein Matrose, der kurz darauf im gleichen Zimmer übernachtete, erlitt das gleiche Schicksal. John Snow vermutete, dass die Cholera in diesem Fall durch verschmutzte Bettwäsche übertragen wurde. Miasmen schienen keine Rolle gespielt zu haben.
Durch seine Arbeit als Armenarzt beobachtete John Snow, dass Süd-London besonders schwer von der Cholera betroffen war. Die Haushalte im Süden von London bezogen ihr Trinkwasser direkt aus der Themse. Eigentlich war das ein großer Fortschritt: Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verlegten private Wasserwerke Wasserrohre von der Themse in die Haushalte. Erstmals mussten die Menschen das Wasser nicht mehr mühsam mit den Eimern heranschleppen. Dadurch gab es auch genügend Wasser für Spültoiletten. So wurde ein zweites Rohrnetz angelegt, das die Fäkalien abtransportierte – direkt in die Themse. Was eigentlich ein großer hygienischer Fortschritt hätte werden können, endete in einem gesundheitlichen Debakel.
Hypothesenbildung
Basierend auf seinen Beobachtungen beim Cholera-Ausbruch 1848/49 bildete John Snow drei neue Hypothesen, die im Gegensatz zur Miasma-Theorie standen:
Cholera wird von Kranken auf Gesunde übertragen.