Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska

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Epidemiologie für Dummies - Patrick Brzoska

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Epidemiologie geben.

      

Die Grundannahme der Epidemiologie ist, dass Risiken eben nicht zufällig in der Bevölkerung verteilt sind. Vielmehr gibt es Untergruppen in der Bevölkerung, die ein höheres Risiko haben, und solche, die ein niedrigeres Risiko haben. Epidemiologen wollen herausfinden, welches diese Gruppen sind und welche Faktoren zu dem erhöhten Risiko führen.

      Die Einsicht, dass Risiken nicht zufällig verteilt sind, mag banal klingen. Sie ist aber die Voraussetzung für jegliche epidemiologische Untersuchung. Einer der ersten, dem dies auffiel, war John Graunt (1620 bis 1674). Er lebte in London und war Kaufmann. Die Risiken des damaligen Stadtlebens erfuhr er hautnah: 1666 zerstörte ein Feuer große Teile von London. Dabei verlor Graunt auch sein Geschäft. Kurze Zeit später brach in der Stadt die Pest aus, der Tausende Menschen zum Opfer fielen.

      Bereits seit 1532 wurden alle Todesfälle in London registriert und in den sogenannten »Bills of Mortality« aufgelistet. John Graunt arbeitete sich durch diese Datenmengen, ganz ohne Computer. Dabei stellte er Regelmäßigkeiten fest: Nicht alle Menschen haben das gleiche Risiko, vorzeitig zu versterben.

       Kinder haben ein höheres Sterberisiko als Erwachsene,

       Männer haben ein höheres Sterberisiko als Frauen,

       in London liegt die Sterblichkeit höher als auf dem Lande.

      John Graunts Schlussfolgerung: Das Risiko von Krankheit und Tod ist innerhalb der Bevölkerung nicht zufällig verteilt. Graunt machte sich auch Gedanken über mögliche Ursachen für Unterschiede im Sterberisiko. Er vermutete, dass Überbevölkerung dazugehört. London war seinerzeit schon eine Großstadt, in der ein Teil der Bevölkerung in Armut, Enge und unter schlechten hygienischen Bedingungen lebte.

      

Auch die Bevölkerungsstatistiker (Demografen) zählen Graunt zu ihren Helden. Er entwickelte Verfahren, um die Lebenserwartung zu berechnen. Als Kaufmann versuchte er zudem, die wirtschaftlichen Verluste durch frühzeitige Todesfälle abzuschätzen. Ein zukunftsweisender Ansatz, den Ökonomen und Epidemiologen im 20. Jahrhundert wieder aufgriffen.

      In den 150 Jahren nach John Graunt wuchs London zur größten Stadt der Welt heran. Die gesundheitlichen Risiken für die Bewohner blieben erheblich, ihre Lebensbedingungen waren oft katastrophal. Daher verwundert es nicht, dass die Stadt weiterhin im Mittelpunkt der Entwicklung der Epidemiologie stand.

      Wiege der Epidemiologie: London im 19. Jahrhundert

      Verstädterung und Globalisierung sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Fabrikstädte entstanden bereits im 19. Jahrhundert in England; die Produkte wurden in die ganze Welt verkauft. Um die Rohstoffe und die Absatzmärkte zu sichern, führte England Kriege und schaffte ein Kolonialreich. Während ein kleinerer Teil der Bevölkerung sehr reich wurde, lebten viele Arbeiter und ihre Familien in großer Armut. Die Lebensbedingungen in den großen Industriestädten waren denen der Slums in heutigen Entwicklungsländern nicht unähnlich:

       Die Menschen lebten dicht zusammengedrängt in großer Enge. Ganze Familien mussten sich ein Zimmer teilen.

       Die hygienischen Verhältnisse waren schlecht: Sauberes Wasser war knapp, Toiletten gab es meist nicht.

       Die medizinische Versorgung war weitgehend wirkungslos, viele arme Menschen konnten sie sich gar nicht leisten.

      Auf dem Land war die Lebenserwartung aus unserer Sicht erschreckend niedrig: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag sie bei etwa 41 Jahren. Das ist nur vergleichbar mit heutigen afrikanischen Bürgerkriegsländern oder Ländern, in denen Aids wütet. Noch dramatisch schlechter war die Situation in den englischen Großstädten. Um 1830 lag die Lebenserwartung dort bei lediglich 35 Jahren. In den folgenden Jahren brach sie noch einmal drastisch ein und sank bis auf 29 Jahre. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg sie wieder etwas an. Der Grund, warum die Lebenserwartung so einbrach, war eine in Europa neue Seuche, die Angst und Entsetzen hervorrief: Cholera.

      Cholera in London

       bis zu 20 Liter wässriger Stuhlgang pro Tag,

       dadurch extremer Flüssigkeitsverlust (Dehydrierung),

       in der Folge Herzversagen,

       hohe Sterblichkeit (ein großer Anteil der Erkrankten verstarb).

      Im 19. Jahrhundert starben so viele der an Cholera erkrankte Menschen, weil die Ärzte noch nicht verstanden, welche Mechanismen zum Tode führten. Auch waren die verfügbaren Therapiemethoden nicht wirksam. Sie beschränkten sich auf Aderlass (im Fall der Cholera mit Sicherheit schädlich) und Abführmittel (bei der Cholera nicht wirklich erforderlich).

      

Cholera wütet heute immer noch in ärmeren Ländern und in Katastrophenregionen. Die Ärzte heute haben ihr aber wirksame Behandlungsmethoden entgegenzusetzen. Erkrankte erhalten Flüssigkeit in genügend großen Mengen, um den Wasserverlust auszugleichen. Damit lässt sich die Letalität (der Anteil der Fälle, die versterben) auf etwa 1 Prozent senken.

      Die Miasma-Theorie

      Heute wissen wir, dass Cholera durch Bakterien mit dem Namen Vibrio cholerae ausgelöst wird. Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch stritten Ärzte und Wissenschaftler noch heftig darüber, wie Cholera entsteht und übertragen wird. Besonders populär war die sogenannte Miasma-Theorie. Sie besagt, dass Krankheiten durch das Einatmen schädlicher Dämpfe (Miasmen) entstehen, die vermeintlich aus feuchtem Erdreich aufsteigen. Dementsprechend waren die Vorschläge zur Prävention:

       das Einatmen von Miasmen vermeiden (beispielsweise, indem sich die Menschen eine Riechflasche unter die Nase halten)

       den Boden in Wohnvierteln trockenlegen (indem die Städte Entwässerungssysteme bauen)

       Talismane tragen

      Sie können sich vorstellen, dass solche Maßnahmen Ausbrüche der Cholera nicht verhinderten. Dennoch beharrten selbst ausgewiesene Wissenschaftler auf der Miasma-Theorie. »Gestank macht krank« klingt halt sehr einleuchtend.

      Gesundheitsberichterstattung

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