Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Epidemiologie für Dummies - Patrick Brzoska страница 20
![Epidemiologie für Dummies - Patrick Brzoska Epidemiologie für Dummies - Patrick Brzoska](/cover_pre1081281.jpg)
Auch Trinkwasser überträgt die »morbid matter« von Kranken auf Gesunde.
Wie konnte John Snow seine Hypothesen überprüfen? Er konnte ja nicht einfach gesunden Menschen verschmutztes Wasser zu trinken geben und beobachten, ob sie an Cholera erkrankten. Selbst nach den ethischen Standards des 19. Jahrhunderts war das nicht zulässig. Eher zufällig ergab sich eine Situation, die es ihm ermöglichte, seine Hypothesen auf elegante Weise zu überprüfen.
Den südlichen Teil von London, der von der Cholera besonders schwer betroffen war, versorgten zwei Wasserwerke: Southwark & Vauxhall und Lambeth. Sie konkurrierten direkt miteinander; in einigen Stadtvierteln versorgten die Unternehmen direkt benachbarte Häuser. 1852 verlegte Lambeth die Wasserentnahme flussaufwärts (oberhalb der Stadt). Die Gründe waren wirtschaftlicher Natur: Das Wasser roch besser und war klarer. Lambeth versprach sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
1853/54 brach erneut die Cholera aus. Im Süden Londons ergab sich dadurch ein »natürliches Experiment«: Benachbarte Häuser bezogen entweder sauberes Wasser, das Lambeth oberhalb der Stadt entnahm, oder verschmutztes Wasser, das Southwark & Vauxhall nahe der Stelle entnahm, wo Abwässer in die Themse strömten.
Datenerhebung
John Snow begann, Daten zu sammeln. Zunächst brachte er in Erfahrung, in welchen Häusern in den vergangenen Tagen Menschen verstorben waren. Die entsprechenden Informationen erhielt er vom »Registrar General«, der alle Todesfälle in London registrierte. John Snow besuchte alle diese Haushalte, um herauszufinden, wer an Cholera gestorben war (der ihn interessierende »Outcome«) und woher derjenige sein Trinkwasser bezogen hatte (Wasser von Southwark & Vauxhall war in seiner Untersuchung die »Exposition«). Sie sehen, epidemiologische Detektivarbeit kann eine Menge Herumlaufen und Fragen erfordern. Mithilfe seiner Daten beantwortete Snow die drei epidemiologischen Fragen.
Die drei epidemiologischen Fragen: Wer? Wann? Wo?
Bis heute untersuchen Epidemiologen ein Gesundheitsproblem in der Bevölkerung, indem sie die drei epidemiologischen Fragen beantworten: Wer? Wann? Wo?
Wer erkrankt? Zunächst einmal bedeutet das: Wie viele Menschen erkranken? Und dann: Welche Personengruppen erkranken? Unterscheiden sie sich nach Geschlecht, Alter, Familienstand, Bildung oder Einkommen?
Wo erkranken die Menschen? Mit anderen Worten: Wo tritt eine Krankheit häufig und wo tritt sie selten auf? Gibt es Häufungen in bestimmten Regionen eines Landes? Erkranken Menschen nur in bestimmten Stadtteilen oder in der ganzen Stadt? Tritt eine Erkrankung in bestimmten Ländern häufiger auf als in anderen?
Wann tritt eine Erkrankung gehäuft auf? Zur Beantwortung dieser Frage vergleichen die Epidemiologen verschiedene Zeiträume. Bei einem akuten Krankheitsausbruch können das einzelne Tage sein. Bei saisonal auftretenden Krankheiten vergleichen sie die Häufigkeit in bestimmten Monaten über viele Jahre hinweg.
Wer verstarb an Cholera?
Bevor Snow von Tür zu Tür gehen konnte, um Cholerafälle aufzuspüren, benötigte er eine Falldefinition. Das ist eine standardisierte Liste von Fragen, mit deren Hilfe Epidemiologen herausfinden, ob eine Person eine bestimmte Krankheit hat (beziehungsweise hatte) oder nicht. Falls die betreffende Person verstorben ist, befragen die Epidemiologen die Angehörigen.
Da im 19. Jahrhundert der größte Teil der Cholerapatienten verstarb, setzte Snow folgende einfache Falldefinition ein:
plötzlicher Todesfall
vorangehende, heftige Durchfälle
Trafen beide Kriterien zu, so verbuchte Snow den Todesfall als Cholerafall. Schon mit dieser einfachen Definition konnte Snow recht sicher die Cholerafälle von Todesfällen aufgrund anderer Ursachen unterscheiden.
Snow identifizierte 334 Todesfälle durch Cholera. Tabelle 2.1 zeigt Ihnen im Überblick, woher jeder der Choleratoten sein Trinkwasser bezogen hatte.
Tabelle 2.1: Todesfälle an Cholera nach Art der Wasserversorgung 1853/54 in London
Wasserversorgung | Zahl der Todesfälle |
---|---|
Southwark & Vauxhall Water Company | 286 |
Lambeth Water Company | 14 |
Direkt aus dem Fluss | 22 |
Brunnen oder Graben | 8 |
Unbekannt | 4 |
Gesamt | 334 |
Bevor Sie weiterlesen, werfen Sie einen Blick auf die Tabelle: Welche Art der Wasserversorgung, glauben Sie, birgt ein besonders hohes Risiko für Cholera? Da Sie ja die Hypothese untersuchen, dass Lambeth sauberes Wasser und Southwark & Vauxhall verschmutztes Wasser liefern, können Sie die anderen Versorgungswege außer Acht lassen.
Ihnen ist sofort aufgefallen, dass viel mehr Kunden von Southwark & Vauxhall verstorben sind als von Lambeth. Rein theoretisch könnte das daran liegen, dass Lambeth viel weniger Kunden hatte als Southwark & Vauxhall. Nehmen Sie folgendes hypothetisches Extrembeispiel: Southwark & Vauxhall versorgt 286.000 Menschen (von denen nur 286 an Cholera verstarben), Lambeth lediglich 14 (die alle verstarben). Nun würden Sie – alles nur hypothetisch! – zu einem ganz anderen Schluss gelangen!
Snow hatte es versäumt, die Größe der Bezugsbevölkerung (also die Zahl der Menschen, die von den jeweiligen Wasserwerken versorgt wurden) zu erheben. Daher konnte er aus seinen Daten keine sicheren Schlüsse ziehen.
Snow lernte daraus. Beim nächsten Cholera-Ausbruch im Sommer 1854 beschaffte er sich Daten zur Anzahl der von beiden Wasserwerken versorgten Häuser und zu den Todesfällen in den beiden Versorgungsgebieten. In Tabelle 2.2 sehen Sie seine Daten.
Tabelle 2.2: Todesfälle an Cholera und Zahl der Häuser, nach Wasserversorgung. London, Sommer 1854
Wasserversorgung |
---|