Onettis Santa María(s): Machträumliche Spannungsfelder zwischen biologischer Reproduktion und künstlerischer Produktion. Johanna Vocht

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Onettis Santa María(s): Machträumliche Spannungsfelder zwischen biologischer Reproduktion und künstlerischer Produktion - Johanna Vocht Orbis Romanicus

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lo aceptan como un hecho.217

      Fuller fasst Machismo nicht als die lateinamerikanische Männlichkeit, sondern als eine von vielen lateinamerikanischen Männlichkeiten. Gleichwohl weist sie dem Machismo eine hegemoniale Position innerhalb der Geschlechterordnung zu. Allerdings verwendet sie den Begriff nicht in seiner populären, mitunter pejorativen Verwendung (gegen die sich eben auch Ramírez verwehrt). Stattdessen betont sie die Ambivalenzen innerhalb der Konstruktion des lateinamerikanischen Machos:

      A medida que avanzaba en mis investigaciones encontré que muchos rasgos atribuidos al macho eran parte integrante de la noción de masculinidad hegemónica pero convivían con otros que los contradecían. Así por ejemplo, la potencia sexual y la capacidad de seducir mujeres es una cualidad que en ciertos momentos o espacios puede ser festejada, en otras puede ser considerada como un rasgo de falta de hombría. […] Parecería, pues que no se trata de que el llamado Machismo no exista sino que la difusión de esta imagen ha distorsionado nuestra comprensión de las masculinidades en América Latina porque ha enfocado solo ciertos aspectos, los más llamativos, de ellas ignorando que éstas incluyen muchas facetas.218

      Sie differenziert in ihren Untersuchungen zu Männlichkeiten zwischen verschiedenen Lebensphasen und damit verbundenen unterschiedlichen Konzepten hegemonialer Männlichkeit. Grundlegend für Normas Forschung ist, wie schon bei Connell beschrieben, die heteronormative Abhängigkeit von (einer nicht näher spezifizierten) Weiblichkeit und damit verbunden die genderspezifisch dichotomische Unterscheidung zwischen häuslichem, also privatem, und öffentlichem Bereich. Der häusliche stehe unter der Verwaltung der Frauen (Mütter oder Ehefrauen!), der öffentliche unter der der Männer. Letztgenannter teile sich wiederum in zwei Sphären auf, die jedoch beide homosozial organisiert seien: zum einen den Bereich der Arbeit und zum anderen den Bereich der männlichen Peergroups. Die drei Lebensphasen Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, für die Fuller jeweils bestimmte Kriterien hegemonialer Männlichkeit herausarbeitet, sind jede für sich an bestimmte Räumlichkeiten gebunden. Während das männliche Kind auf den häuslichen Raum beschränkt und dort der mütterlichen Macht untergeordnet sei, habe der Jugendliche seine Virilität im öffentlichen Raum zu beweisen. Entscheidend sei dort das Urteil seiner homosozialen Peergroup. Ein wichtiger Teil des jugendlichen Virilitätskodex‘ sei das Brechen mit häuslichen Regeln, d.h. die Ablösung vom weiblich dominierten Raum des Hauses, von der Mutter und grundsätzlich von allem Weiblichen.219 In einem nächsten Entwicklungsschritt, dem Erwachsenwerden, gelte es, beide räumlichen Sphären zu vereinen und die jugendliche Virilität (virilidad) in ein Mannsein (hombría) zu überführen. So impliziert die von Fuller herausgearbeitete hegemoniale Männlichkeit die Gründung einer Familie, d.h. das Schaffen eines eigenen häuslichen Bereichs, dem der Mann vorstehen kann, und gleichzeitig bestehe sie darin, dass er seine außerhäusliche Reputation nicht vernachlässige. Das wiederum bedeute, sowohl den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen als auch innerhalb der Peergroup zu reüssieren:220

      [L]a vida conyugal les proporciona una vida sexual plena y la oportunidad de demostrar a sus pares que son sexualmente activos. Al tener un hijo de una relación públicamente reconocida, el joven se convierte en padre y jefe de familia: el eje de un nuevo núcleo social. Se inaugura así un nuevo período del ciclo vital y, sobre todo significa el punto en que el varón se consagra como tal al obtener los símbolos de la hombría: comprueba que es potente sexualmente, es jefe de una unidad familiar y responde por ella ante el mundo exterior. Es decir confirma su virilidad y se inserta definitivamente en los ejes doméstico y público.221

      Dieses Anforderungsprofil sei jedoch, wie Fuller fortfährt, eng an eine heteronormative Zweigeschlechtlichkeit sowie die Institution der Ehe gebunden. Reproduktion, die außerhalb der Ehe stattfinde, sei seitens des Mannes gesellschaftlich geduldet, führe jedoch auf Seiten der ledigen Mutter und der entstandenen Kinder zu sozialer und ökonomischer Marginalisierung, da das oben beschriebene heteronormative ‚Ernährer-Gebärerinnen-Modell‘ mit den entsprechenden genderspezifischen machträumlichen Zuschreibungen dort nicht greife. Grundlegend dafür sei die ‚Möglichkeit‘ der Väter, die Vaterschaft zu verweigern bzw. nicht anzuerkennen, während die Mütter bei ihren Kindern blieben.222 Dieses sozioökonomische Phänomen sei laut Fuller ein Klassenproblem, da die beschriebenen Väter oftmals der Mittel- oder Oberschicht, die entsprechenden Mütter niedrigeren Klassen zuzuordnen seien.223

      Die hegemoniale Männlichkeit, die Fuller in ihren Ausführungen beschreibt, ist damit zum einen an institutionalisierte Heteronormativität gekoppelt und bedingt andererseits ein räumlich stark segregiertes Geschlechterverhältnis. Durch die räumliche Zweiteilung werde auch, wie Potthast formuliert, Konkurrenz unter den Ehepartnern vermieden:

      Die Mütter bestimmen in Lateinamerika nicht nur über die Küche und das Haus [sic] sondern auch über die Erziehung der Kinder. […] Die Frauen erhalten somit eine starke Stellung innerhalb bestimmter Räume, und zwar in Familie und Haus. Dies bedeutet, dass keine Konkurrenz zu den männlichen Machtansprüchen entsteht. Die Geschlechterrollen und -sphären sind derart deutlich voneinander abgegrenzt, dass sie einander kaum tangieren, zumal der weibliche Bereich als privat deklariert wurde und eine eventuelle Einschränkung männlicher Dominanz hier für die Männer nicht ehrenrüchig ist.224

      Doch was, wenn diese genderspezifische Dichotomie nicht eingehalten wird? Oder was bedeutet es für das geschlechterspezifische Machtgeflecht, wenn Frauen zwar als mütterlich dargestellt werden, tatsächlich jedoch kinderlos, sprich keine Mütter sind? Beide Fälle bilden in Onettis Texten mehr die Regel denn die Ausnahme. Dementsprechend soll im fünften Kapitel dieser Arbeit auch der Frage nachgegangen werden, welche Macht- und Raumzuschreibungen mit kinderlosen Frauen verbunden sind – insofern durch die Kinderlosigkeit ja das christlich heteronormative Raum-Geschlechter-Verhältnis unterlaufen wird. Ebenfalls zu untersuchen sein werden die Männerfiguren, mit denen es sich ähnlich verhält: Denn auch sie werden bei Onetti überwiegend als kinderlos dargestellt – oder als solche, die kompensatorische Formen der biologischen Vaterschaft praktizieren, wie im vierten Kapitel noch ausführlich zu erläutern sein wird. Daraus wiederum lässt sich die Vermutung ableiten, dass ein Großteil der männlichen Figuren bei Onetti zwar Komplizen der hegemonialen Männlichkeit, wie sie Fuller expliziert, sind, zu dieser jedoch im Verhältnis als Marginalisierte oder Untergeordnete stehen. Eine Untersuchung, die sich diesen untergeordnetten Männlichkeiten im soziokulturellen Kontext des La-Plata-Raums und insbesondere in dem von Onetti vornehmlich dargestellten Milieu der Nachtclubs und Cabarets widmet, stammt von Eduardo P. Archetti und soll im Folgenden vorgestellt werden.225 Ein detaillierter Abgleich dieser Männlichkeiten mit jenen in Onettis Texten erfolgt in Kapitel 4.3.

      Im Unterschied zu Stevens‘ anthropologischer und Ramírez‘ ethnographischer Herangehensweise basieren Archettis Untersuchungen auf der narrativen Analyse klassischer Tango-Texte: „The analysis of tango lyrics is rooted in the classical period of the tango-canción (tango-song) from 1917 to 1935. Most significant tango narratives were produced in that period […].”226 Archetti setzt eine stereotypisierte, heterosexuelle Männlichkeit, die vor allem auf einer Unterordnung der Frau basiert, als hegemonial für den rioplatensischen Kontext. In Abgrenzung (Unterordnung oder Subversion) dazu, arbeitet er mehrere plurale Männlichkeiten innerhalb des Tango-Diskurses heraus:

      The comparative masculinities depicted in the universes of tango […] appear as fluid, ambiguous, on occasion contradictory, perhaps subversive of a dominant and hegemonic heterosexual Argentine masculinity based on the institutionalization of men’s dominance over women. The active men in the ritual arenas of […] tango are dispossessed of social power and wealth, and, therefore, less concerned with the reproduction of the image of a dominating middle-class ‚pure‘ heterosexual male.227

      Wenngleich Archetti in seinen Ausführungen den Terminus Machismo vermeidet, ist anzunehmen, dass er auf eben dieses Phänomen anspielt, wenn er in obigem Zitat die Schlüsselbegriffe ‚heterosexuell‘, ‚Ehe‘ (die er als institutionalisierte Herrschaft der Männer über die Frauen paraphrasiert) und ‚dominant‘ aufruft. Außerdem stellt er die

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