Gemeinsam unterschiedlich. Kelly McDonald
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Diese Karte wird Ihnen den Weg weisen durch die Probleme, die die meisten Unternehmen bei ihren Bemühungen um Diversity haben, durch die häufigsten Fehler, die Unternehmen begehen, wenn sie versuchen, eine diverse und inklusive Arbeitskultur zu schaffen, und durch die Hindernisse, die Initiativen pro Diversity zum Scheitern bringen und der Diversity einen schlechten Ruf verschaffen können.
Es ist absolut Zeit, endlich über das Thema Rassismus zu schreiben und zu sprechen! Wir hätten als Gesellschaft schon längst darüber reden müssen, und dieses Gespräch ist seit Langem überfällig. Für Unternehmen ist es eine Herausforderung, weil zwar sehr, sehr viele Unternehmen und Organisationen Initiativen, Programme, Rekrutierungsmethoden und Schulungen zugunsten von Diversity geschaffen haben, aber nicht gut darin sind, wirklich über Rassismus am Arbeitsplatz zu reden, die Hindernisse, Unbehaglichkeiten und Spannungen zu ermitteln und abzuarbeiten, damit effektive Pläne aufgestellt werden können, wie diese dornigen Themen angegangen werden sollen. Der Katalysator für dieses Buch war zwar unsere Unfähigkeit, über Rassismus zu reden, aber ich glaube, dass es uns auch generell schwerfällt, über Diversity und die Unterschiede zwischen uns zu sprechen. Im ganzen Buch werde ich daher auch Beispiele über andere Arten von Diversity bringen, denen wir am Arbeitsplatz begegnen. Rassismus bleibt zwar der Ankerpunkt, aber es soll auch über Frauen, People of Color, LGBTQ+, Menschen mit Behinderungen, unterschiedliche Generationen und religiöse Gruppen und vieles mehr gesprochen werden.
Beim Schreiben dieses Buchs fühlte ich mich oft überwältigt von der schieren Komplexität des Themas. Es gibt eine Million Facetten und Ebenen, und ich hatte damit zu ringen, was ich aufnehmen sollte und was nicht. Ich könnte mit Leichtigkeit fünf Bücher zum Thema füllen und hätte immer noch nicht alles abgedeckt. Dieses Buch soll Sie auf den Weg bringen – soll Ihnen dabei helfen, die Gespräche zu führen, die Sie führen müssen, vor denen Sie sich aber fürchten. Sie werden sich allmählich wohler fühlen mit den Dingen, die Ihnen momentan noch Unbehagen bereiten. Es wird Ihnen Fertigkeiten vermitteln, die uns alle miteinander ins Gespräch bringen können, und vielleicht, ganz vielleicht dazu beitragen, die gewaltige Kluft ein wenig schmaler zu machen, die wir alle empfinden.
Sie haben dieses Buch aus guten Gründen zur Hand genommen. Sie sind ein guter Mensch – und mutig sind Sie auch. Es braucht Mut, über Themen zu reden, bei denen die Menschen sich vor Unbehagen winden. Es braucht Courage, zu sagen: »Wir können es besser machen. Wir können besser sein.« Es braucht Engagement, irgendwo anzufangen. Fangen wir also an!
2 Sie sind nicht rassistisch, aber Sie haben blinde Flecken
Wussten Sie, dass Babys voreingenommen sind? Verschiedene Studien zeigen, dass Babys bereits im Alter von drei Monaten Voreingenommenheit zeigen. Und Säuglinge im Alter von sechs bis acht Monaten neigen dazu, wie Forscher*innen festgestellt haben, Informationen lieber von Erwachsenen der eigenen Ethnie zu erhalten als von Erwachsenen einer anderen Volksgruppe. In jedem Alter ist es bei Babys so, dass sie bei visuellen Signalen von Menschen der eigenen Gruppe länger hinschauen und ihnen mit größerer Wahrscheinlichkeit folgen. Und Babys assoziieren positive Musik mit Menschen derselben Ethnie und traurige Musik mit Menschen anderer Ethnien.
Wie ist so etwas möglich? Wie kann es sein, dass Babys schon Vorurteile haben? Wo und wie lernen sie in so jungen Jahren etwas so Destruktives? Die Antwort lautet, dass sie es gar nicht lernen. Und sie haben auch gar keine Vorurteile. Sie sind vielmehr voreingenommen.
Voreingenommenheit heißt nicht Vorurteil. Voreingenommenheit heißt Vorliebe. Die Definition von Voreingenommenheit (»bias«) lautet im Collins English Dictionary: »Voreingenommenheit ist die Neigung, eine Person oder Sache einer anderen vorzuziehen und diese Person oder Sache zu begünstigen.« Es ist unmöglich, dass Babys im Alter von erst 90 Tagen bereits Vorurteile haben, aber es ist sehr wohl möglich, dass sie eine Vorliebe für Gesichter der eigenen Ethnie gegenüber Gesichtern einer anderen haben. Wenn es ums Lernen geht (was so ziemlich das Einzige ist, was Babys tun, abgesehen vom Essen und Schlafen), zeigen Studien, dass Säuglinge dazu neigen, Informationen lieber von Erwachsenen der eigenen Volksgruppe zu erhalten als von Erwachsenen einer anderen Gruppe, besonders wenn es ums Lernen unter Unsicherheit geht.
Es ist wichtig, diese Beobachtung zu kennen und zu verstehen, denn sie bedeutet, dass wir die Voreingenommenheit in uns tragen. Wir sind damit geboren. Wir alle. Das heißt nicht, dass wir mit Vorurteilen geboren würden; sondern es heißt, dass wir eine angeborene, inhärente Vorliebe für Menschen haben, die so sind wie wir. Dies wird Ihnen vermutlich weniger schockierend vorkommen, wenn Sie daran denken, wie die menschliche Spezies über all die Jahre überlebt hat. Wir fühlten uns angezogen von und blieben bei Stämmen und Gemeinschaften von Menschen, die aussahen wie wir, weil das für uns Sicherheit und Schutz bedeutete. Unser gesamtes Überleben hing davon ab. Bei Babys ist der erste visuelle Kontakt zu anderen Menschen für gewöhnlich der zu ihren Eltern, die von derselben Ethnie sind wie sie selbst, und weil sie eine Vorliebe für ihre Eltern ausbilden (und zu ihrem Aussehen), empfinden sie Sicherheit, Vertrauen oder Schutz, wenn sie Personen wahrnehmen, die aussehen wie diese.
Was ich an den verschiedenen Studien zu »Babys und Voreingenommenheit« mit am faszinierendsten fand, ist, dass Babys nicht etwa negativ voreingenommen gegenüber anderen Ethnien wären; sie sind einfach nur positiv voreingenommen gegenüber ihrer eigenen Gruppe. Mit anderen Worten zeigen sie eine Vorliebe für Gesichter der eigenen Ethnie. Und das ist genau das, was Voreingenommenheit ist – eine Vorliebe, nicht notwendigerweise ein Vorurteil.
Niemand möchte sich gern als voreingenommen betrachten, aber wenn Sie auf den Gebieten Rassismus und Diversity am Arbeitsplatz Fortschritte machen wollen, müssen Sie sich bewusst machen, dass die meisten Menschen und wahrscheinlich auch Sie selbst Vorlieben oder eine unbewusste Voreingenommenheit in Bezug auf Ethnien haben. Ihre natürliche Reaktion auf diese Aussage wird jetzt womöglich ein spontanes, nachdrückliches und entrüstetes Zurückweisen sein: »Ich bin doch nicht voreingenommen! Niemand in diesem Unternehmen hat so wenige Vorurteile wie ich! Mein Bruder ist schwul, der Mann meiner Schwester ist schwarz, und mein bester Freund stammt aus einem anderen Land!!!« Und so weiter. Warum reagieren die Menschen so heftig auf das Wort Voreingenommenheit? Es liegt daran, dass viele Menschen denken, wenn eine Person voreingenommen sei, dann hasse sie »andere«. Voreingenommenheit ist aber nicht gleich Hass, ganz gleich was manche Menschen denken.
Viele Unternehmen verwenden enorm viel Aufmerksamkeit, Zeit und Mittel auf Schulungen zu Diversity, Chancengerechtigkeit und Inklusion. Solche Schulungen beginnen fast immer mit Diskussionen über unbewusste Voreingenommenheit, also über die unbewussten Überzeugungen und Stereotype, die wir alle in Bezug auf unterschiedliche soziale oder identitätsmäßige Gruppen von Menschen haben. Unser Gehirn versucht die soziale Welt um uns herum zu kategorisieren und zu ordnen, und das Ergebnis ist eine unbewusste Voreingenommenheit. Das ist normal. Das Wort Voreingenommenheit ist aber so aufgeladen und wird so negativ wahrgenommen, dass die Leute sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren. Sie setzen es fälschlich gleich mit rassistisch, sexistisch oder anderen negativen Wörtern auf -istisch. Niemand möchte sich selbst so negativ sehen, und niemand möchte, dass andere einen so beurteilen, besonders bei der Arbeit. Unsere Karriere, unser Ruf und unser Lebensunterhalt hängen davon ab, dass wir bei der Arbeit gut angesehen sind. Wir fühlen uns beschuldigt, wenn das Wort Voreingenommenheit aufkommt, und gehen sofort in die Defensive. Wenn wir aber effektive Gespräche über Rassismus bei der Arbeit führen wollen, müssen wir unsere defensive Reaktion auf das Wort Voreingenommenheit überwinden und verstehen, dass unsere Voreingenommenheit in geschäftlicher Hinsicht Probleme verursacht. Sie kann sich zu blinden Flecken auswachsen.