Gemeinsam unterschiedlich. Kelly McDonald
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An dieser Stelle könnten Sie nun denken, insbesondere wenn Sie weiß sind: »Okay, wenn Voreingenommenheit nur Vorliebe bedeutet, nicht etwa Hass oder Vorurteil, warum soll das dann im Geschäftsleben so eine große Sache sein? Unser Unternehmen diskriminiert doch niemanden.« Das ist eine legitime Frage. Unternehmen würden sich auf die Überwindung von Voreingenommenheit schließlich nicht aufgrund einer Geisteshaltung vom Typ »Kumbaya/We Are the World« konzentrieren. Nun, ich würde darauf wetten, dass Ihr Unternehmen, Ihr Team und Sie selbst wirklich an diverse Perspektiven glauben, sie unterstützen und schätzen, und das ist fantastisch. Aber trotzdem können Sie blinde Flecken haben, die von Ihrer Voreingenommenheit herrühren, und diese blinden Flecken behindern Ihren Erfolg und Ihren Fortschritt als Unternehmen. Solche blinden Flecken können tückisch sein, weil Sie nicht einmal wissen, dass Sie sie haben. Und im Geschäftsleben kann das tödlich sein. Sie können zu schlechter Arbeitsmoral führen, zu hoher Mitarbeitendenfluktuation, verlorenen Kunden/Kundinnen, geringeren Umsätzen und Gewinnen, mangelnder Innovation und schlechten Entscheidungen. Und das Schlimmste ist: Sie erfahren von den negativen Auswirkungen Ihrer blinden Flecken immer erst, nachdem etwas passiert ist. An dieser Stelle sollte es Ihnen kalt den Rücken herunterlaufen!
Ich will Ihnen ein Beispiel geben, das Ihnen zeigt, warum Voreingenommenheit im Geschäftsleben schädlich für die Leistung Ihres Unternehmens sein kann. Sagen wir, ein Manager Ihres Teams ist weiß und muss eine Person für eine offene Stelle einstellen. Der weiße Manager führt Vorstellungsgespräche mit zwei Kandidatinnen, die beide gleich gut qualifiziert sind: die eine Person ist weiß, die andere schwarz. Der Manager stellt die weiße ein. Der einstellende Manager denkt jetzt nicht: »Ich habe die andere nicht eingestellt, weil sie schwarz ist.« Sondern er denkt: »Ich habe diese Person eingestellt, weil sie mir besser gefällt – und die Person, die mir besser gefällt, ist zufällig weiß.« Dieser Gedankengang läuft natürlich auf einer unterbewussten Ebene ab, daher wird so etwas im geschäftlichen Kontext auch als unbewusste Voreingenommenheit oder implizite Voreingenommenheit bezeichnet. Unbewusste Voreingenommenheit kann dazu führen, dass mehr Personen eingestellt werden, die genauso sind wie alle anderen Mitglieder Ihres Teams auch. Es kann dazu führen, dass die falsche Person eingestellt wird, einfach weil Sie sie »bevorzugen«, oder dass eine Person befördert wird, die für eine höhere Position gar nicht geeignet ist.
Ein weiterer potenziell schädlicher Effekt unbewusster Voreingenommenheit im Geschäftsleben ist, dass wir bei Auseinandersetzungen oder Entscheidungen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Personen halten werden, die wir bevorzugen oder mögen. Unsere Voreingenommenheit hat also Auswirkungen darauf, wen wir tendenziell vorziehen oder wem wir zustimmen. Auch das passiert wieder auf einer unterbewussten Ebene. Wenn es passiert, sind wir uns dessen gar nicht bewusst.
Wie Sie Ihre Entscheidungen und Handlungen rechtfertigen
Unser Gehirn steht auf Logik. Es gefällt ihm, wenn wir vernünftige, logische Entscheidungen treffen. Es gefällt ihm sogar so gut, dass es unsere Entscheidungen vernünftig begründet – nachträglich –, um die Wahl zu rechtfertigen, die wir getroffen haben. So etwas wird Post-hoc-Rechtfertigung genannt.
Hier ein Beispiel dafür, wie so eine Post-hoc-Rechtfertigung funktioniert. Eine Studie von Forschern der Yale University1 ergab, dass Personen, die Einstellungen vornahmen, tatsächlich nachträglich die Kriterien für die Stelle veränderten, damit sie zu dem Kandidaten/der Kandidatin passten, den/die sie einstellen wollten. In der Studie wurden die Teilnehmer*innen aufgefordert, einen neuen Polizeichef bzw. eine neue Polizeichefin für eine hypothetische Polizeidienststelle einzustellen. Sie begutachteten die beiden Bewerbungen eines männlichen (Michael) und eines weiblichen (Michelle) Bewerbers. Der männliche Bewerber wurde so dargestellt, dass er mehr lebenspraktische Erfahrung habe, und die Bewerberin so, dass sie eine bessere formale Ausbildung habe. Die Bewertenden kamen nun bei der Bewerberin zu einem negativen Eindruck. Dieser negative Eindruck war zwar unterbewusst, aber sie fanden dennoch logische Gründe zur Rechtfertigung dieses Eindrucks, nachdem sie beschlossen hatten, den männlichen Bewerber einzustellen (post hoc).
Die Studie ergab, dass die Bewertenden entschieden hatten, »lebenspraktische Erfahrungen« seien das wichtigste Charakteristikum für die Position eines Polizeichefs/einer Polizeichefin, als sie beschlossen, den männlichen Bewerber einzustellen. Als dann aber in diesem hypothetischen Beispiel die Namen in den Lebensläufen ausgetauscht wurden und die »formale Ausbildung« als die Stärke des männlichen Bewerbers aufgeführt wurde, entschieden die Bewertenden auf einmal, dass die »formale Ausbildung« das wichtigste Charakteristikum für die Position sei, und das war dann auch die Begründung, die für die Einstellung des männlichen Bewerbers gegeben wurde. Die Schlussfolgerung der Studie war, dass Menschen bei Einstellungsentscheidungen die Leistungskriterien so konstruieren, dass sie zu ihrer Voreingenommenheit passen. Und dass sie die Kriterien so verändern, dass sie zur Entscheidung passen, die letztlich getroffen wird. Das ist eigenartig. Und mit Sicherheit voreingenommen. Sie sehen, wie unbewusste Voreingenommenheit zu einer Entscheidung führt und sich anschließend eine Post-hoc-Rechtfertigung einstellt, die die getroffene Wahl bestätigt.
Jetzt könnten Sie denken: »So etwas würde bei uns mit Sicherheit nicht passieren. In unserem Unternehmen geht es bei Einstellungen und wichtigen Entscheidungen ziemlich objektiv zu.« Tja, vielleicht.
Aber dann sehen Sie sich einmal Folgendes an: Dieselbe Studie der Forscher*innen von der Yale University ergab, dass eine Selbstwahrnehmung, der zufolge die eigene Person als objektiv betrachtet wird, tatsächlich damit korreliert, dass mehr Voreingenommenheit gezeigt wird. Diejenigen Teilnehmer*innen, die am stärksten das Gefühl hatten, sie seien objektiv, erwiesen sich als die voreingenommensten. Äußerst eigenartig! Aber das ist genau die Art von blindem Fleck, die Voreingenommenheit hervorbringen kann.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Schlussfolgerung der Studie lautet, dass allein der Wunsch, uns als unvoreingenommen zu betrachten, nicht ausreicht, um Jahrzehnte kultureller Konditionierung zu überwinden. Der Wunsch kann sogar zu noch mehr Post-hoc-Rechtfertigung führen. Wir möchten uns gern als unvoreingenommen sehen, daher sehen wir uns dann auch so. Das heißt aber nicht, dass wir es auch wären.
Die meisten Menschen sind gut. Wenn Sie zugeben, dass es bei Ihnen Voreingenommenheit gibt, die im Widerspruch zu Ihren Werten steht, sind Sie nicht gleich ein schlechter Mensch. Sondern es macht Sie normal. Das Ganze ist das natürliche Ergebnis unserer Kultur und es ist ein Grundzug, der schlicht unser Überleben als menschliche Wesen gewährleistet hat. Erinnern Sie sich, selbst Babys sind voreingenommen! Das Wichtige ist, Mittel und Wege zu finden, um solche Voreingenommenheit zu umgehen und sie zu eliminieren, wo immer es geht. Einfach nur blind daran zu glauben, dass es in Ihrem Unternehmen oder in Ihrem Team rein nach Leistung gehe und jede Person nur nach ihrer Leistung beurteilt werde, führt noch nicht zu diesem Ergebnis. Im Gegenteil, das macht es nur viel schwerer, implizite Voreingenommenheit anzusprechen, weil dann erst einmal niemand zugeben wird, dass sie überhaupt existiert.
Die besten Unternehmen und Führungskräfte haben keine Angst davor, zuzugeben, dass es in ihren Reihen unbewusste Voreingenommenheit gibt. Im Gegenteil, sie suchen und ermitteln diese Voreingenommenheit und blinden Flecken, damit sie sie angehen und korrigieren können.
Note
1 1 Eric Luis Uhlmann und Geoffrey L. Cohen, »Constructed Criteria – Redefining Merit to Justify Discrimination«, Psychological Science 16, Nr. 6 (2005): S. 474-480.
3 Die hohen Kosten von Voreingenommenheit: Warum rein weiße oder überwiegend weiße Unternehmen